Rede von
Alfred
Loritz
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(Fraktionslos)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)
Meine Damen und Herren! Ich möchte davor warnen, eine Bestimmung der Verfassung, die dann in § 25 der Geschäftsordnung übernommen wurde, falsch auszulegen. Sie wissen, es ist ein Minderheitsrecht, daß ein Drittel der Abgeordneten des Bundestags jederzeit die Einberufung des Parlaments verlangen und erzwingen kann. Ich mache darauf aufmerksam, daß es unter gar keinen Umständen der Sinn der Verfassung sein kann, in diesem Fall das zuzulassen, was Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, möchten und wahrscheinlich in den nächsten Minuten tun wollen, indem Sie einen Vertagungsantrag oder ähnliches stellen. Denn sonst wäre die Bestimmung des Art. 39 überhaupt nicht in das Grundgesetz aufgenommen worden, wenn sie nur den Zweck haben sollte, daß die Damen und Herren des Bundestags hier zusammenkommen und dann durch einen Vertagungsantrag wieder zur Tür hinausgeschickt werden. Darum warne ich Sie: operieren Sie hier nicht mit diesem Mittel, mit diesem Kniff des Vertagungsantrages!
Eines möchte ich Ihnen noch sagen: Bitte begreifen Sie doch den Ernst der Lage, und tragen Sie nicht weiter mit Ihren Kräften dazu bei, daß sogar wohlmeinende Organe des Auslandes schreiben: dieser Deutsche Bundestag habe sich selbst entmannt und ausgeschaltet. So schreibt „Die Tat" in ihrem Artikel vom Samstag vor vierzehn Tagen. Das ist kein kommunistisches Blatt, das ist ein Blatt, das uns wie fast die ganze Schweiz in bezug auf die Führung der deutschen Außenpolitik stets sehr sympathisch gegenübergestanden hat. Solche Artikel aus wohlmeinenden Kreisen des Auslandes müssen wir hier bereits hinnehmen! Ja, schämen wir uns denn nicht, daß solche Zeitungen bereits so schreiben dürfen! Will dieser Bundestag denn weiterhin solchen Zeitungen Gelegenheit geben, mit solchen Artikeln kommen zu können? Wissen Sie, was ausländische Zeitungen weiter schreiben? Ich zitiere nochmals „Die Tat" — und ich würde Ihnen empfehlen, es zu lesen —: Die sogenannte Europa-Armee ist nichts als ein Hokus-Pokus". Das schreibt „Die Tat" in ihrer Nummer vom 10. Mai 1952. Und hier sollen wir nicht einmal über so eine Europa-Armee und den deutschen Beitrag dazu debattieren dürfen?! Hier sollen wieder Fackelzüge veranstaltet werden! Es ist schon genug in Deutschland „gefackelt" worden. Wir wissen, wohin wir mit dieser Fackelei gekommen sind. In Blut und Elend sind wir hineingetrieben worden. Wie war es noch vor sieben Jahren? Ich rufe Ihre Erinnerung herauf: Wir sind damals in den Kellern dringesessen bei den Bombenangriffen und haben uns geschworen: Wir lassen es uns nicht mehr bieten, daß ein einziger Mann oder eine kleine Clique in diesem Land mit dem Volk machen kann, was sie will, ohne das Volk vorher genau zu fragen. Und jetzt nach kaum sieben Jahren ist es wieder so weit, daß deutsche Zeitungen, offenbar um die Gier gewisser Rüstungsindustrieller zu kitzeln schon mit Überschriften herauskommen im Großformat: Rüstungsaufträge für die deutsche Industrie.
Und hier soll nicht debattiert werden über diese Punkte?! Ich fordere Sie alle auf, meine Damen und Herren, hier eine Aussprache durch die gewählten Abgeordneten des Bundestags zu erzwingen , damit Sie sich nicht wiederum mitschuldig machen wie damals die unglückseligen Jasager zum Ermächtigungsgesetz 1933, von denen bei Ihnen leider ein erheblicher Teil heute noch herinnensitzt. Machen Sie sich nicht nochmals mitschuldig an einer neuen und dann endgültigen Katastrophe für unser armes deutsches Vaterland!