Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Becker.
Dr. Becker .(FDP): Meine Damen und Herren! Kehren wir wieder zum Tatbestand zurück. Was liegt vor? Es liegt eine Feststellungsklage von 144 Abgeordneten dieses Hauses beim Bundesverfassungsgericht dahingehend vor, daß festgestellt werden soll, daß, in nute ausgedrückt, die Bundesrepublik nicht das Recht der Wehrhoheit hat, daß sie also nicht das Recht hat, sich zu verteidigen, ein Recht, das jedem einzelnen Menschen, jedem Kollektiv von Menschen ohne weiteres von Natur wegen zusteht.
Daneben läuft ein Antrag auf eine einstweilige Anordnung. Im Ausschuß hat Herr Kollege Dr. Arndt gesagt, er wisse, daß eine Entscheidung vorliege, er wisse jedoch nicht, welche. Zu unserer Freude haben wir einige Stunden später durch ihn den Inhalt kennengelernt, der dahin geht, daß dieser Antrag auf einstweilige Anordnung zunächst abgewiesen worden ist. Mit Recht! Die Abweisung war deshalb nötig, weil die sogenannte Gefahr im Verzug, die ja Voraussetzung für jede einstweilige Verfügung ist, gar nicht gegeben ist. Denn bis zur Ratifikation, bis zum Austausch der Ratifikationsurkunden ist noch ein weiter Weg. Infolgedessen können wir uns eine Debatte darüber, ob hier die Mehrheit oder die Minderheit sich vertreten lassen soll, ersparen. Solange noch kein Beschluß vorliegt, ist ja überhaupt keine Möglichkeit gegeben, einen Beschluß anzufechten, und so lange weiß man gar nicht, wo sich die Mehrheit und die Minderheit befindet und wer als Vertreter der einen oder der andern festgestellt werden soll.
Die zweite Frage: Wir sollen den anderen Mächten notifizieren, daß nicht nur die üblichen Ratifikationsvorbehalte zu machen seien, sondern auch der Vorbehalt, daß vielleicht der Bundesverfassungsgerichtshof einmal anderweit entscheiden könnte? Nun sind aber nach unserem Gesetz gar keine Fristen vorgeschrieben, innerhalb deren der Bundesverfassungsgerichtshof im Wege der Normenkontrolle anzurufen ist. Es besteht theoretisch durchaus die Möglichkeit, daß er noch 10 Jahre nach Erlaß eines Gesetzes angerufen wird. Wir müßten also, wenn hier Logik drinstecken soll, bei allen Verhandlungen, bei jedem Vertrag mit dem Ausland allen Mächten notifizieren: Wir kämpfen zwar um unsere Souveränität, und die SPD bestürmt uns, bestürmt die Regierung, daß sie nicht genug tut, um die Souveränität herauszuholen, aber auf Wunsch derselben SPD bescheinigen wir hiermit, daß wir nicht das Recht haben, das zu tun. Was ist das für eine innere Unwahrhaftigkeit der Politik!
Damit komme ich nun zu dem eigentlichen Kern der Dinge. Vor allem juristischen Drum und Dran sieht man gar nicht, daß es sich um eine politische Angelegenheit handelt, eine innerpolitische Angelegenheit, die darauf abzielt, die Autorität des Bundesverfassungsgerichtshofes dafür einzuspannen, daß hier in irgendeiner Weise Stimmung gemacht wird, von der man glaubt, daß sie sich inner-politisch, bei Wahlen, nutzbringend verwenden läßt.
Das ist der eine Gesichtspunkt. Der andere Gesichtspunkt ist außenpolitisch. Selbst wenn das Recht der Normenkontrolle in dem Umfang anzuerkennen ist, ist es eine Frage der guten Politik, ob man davon Gebrauch macht, meine Herren! Was meinen Sie, wenn wir jetzt über die Frage verhandeln, daß wir eine größere und weiterreichende Souveränität bekommen sollen, und wenn wir dann den anderen Staaten mitteilen: Nach der Bundesverfassung haben wir zwar das Recht, die auswär-
tige Politik vom Bund her zu bestimmen, aber auf Wunsch der Kronjuristen der SPD teilen wir Ihnen mit, über die Wehrhoheit dürfen wir nicht verhandeln, — dann wird jeder Staatsmann, der eine auswärtige Macht vertritt, sagen: Zur Außenpolitik gehören auch die Mittel, die Außenpolitik durchzuführen;
wer für die Außenpolitik zuständig ist, ist demgemäß auch ohne weiteres für die Wehrhoheit zuständig. Das müssen wir uns dann vom Ausland sagen lassen!
Lind noch eine Bemerkung, meine Herren, ich habe sie neulich schon einmal im Ausschuß gemacht: Sie haben die Hoffnung, bei Wahlen an die Regierung zu kommen.
--- Das können Sie ruhig tun!
— Ich wärme gleich eine Erinnerung von heute morgen sowieso auf.
-- Ach Gott, ach Gott! Ich betrachte die außenpolitischen Dinge nie mit innenpolitischen Augen, das überlasse ich anderen.
— Gewöhnen Sie sich doch mal daran, rein sachlich zu debattieren!
Nehmen Sie an, meine Damen und Herren, die SPD käme einmal an die Regierung, und einer von den Herren, der jetzt da vorne sitzt, säße dann dort ! Dann müssen Sie aufbauen auf der Politik, die bisher betrieben worden ist, und wenn die Politik dann nach Ihrem Wunsch betrieben würde, dann würden Sie mit diesem Vorbehalt, der den Mächten notifiziert werden soll, die Brücke nach dem Westen abbrechen, und eine Brücke nach dem Osten haben Sie nicht. Sie befänden sich in der imponierenden Lage jemandes, der zwischen zwei Stühlen sitzt, und wenn Sie dann in dieser imponierenden Lage noch ein Urteil des Verfassungsgerichtshofs in der Luft schwenken, in dem nach Ihrem Wunsche drinsteht, daß Sie noch nicht einmal die Wehrhoheit haben, dann sagen Sie mir mal, wie Sie dann Außenpolitik machen wollen!
Heute morgen ist von Herrn Kollegen Arndt ein
Wort des letzten Königs von Sachsen zitiert worden.
Ich gestatte mir, zum Schluß ein anderes Wort des Königs von Sachsen in einer gewissen Abwandlung zu zitieren, und das heißt: Das Ausland wird zweifellos sagen, daß die Kronjuristen der SPD sehr sachverständige, sehr scharfsinnige Juristen sind. Aber es wird auch sagen — und ich hoffe,
daß das deutsche Volk sich dem anschließen wird —: Ihr seid mer scheene Außenpolitiker!