Rede von
Walter
Fisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Ich habe auch nicht über den Inhalt der Angelegenheit gesprochen, sondern lediglich Darlegungen über das gewählte Verfahren gemacht. — Man muß also hieraus schließen: entweder hat ein Teil dieses Hauses kein Gefühl für den Ernst der Lage, in der wir uns befinden, eine Lage, die durch vollendete Tatsachen geschaffen worden ist, wie sie in der heutigen Presse mit der Mitteilung über die Aufbaupläne einer Panzerarmee zum Ausdruck kommt,
oder aber man muß annehmen, daß irgendwie ein abgekartetes Spiel vorliegt. Ich möchte doch bitten, daß die Herren Ollenhauer, Schmid und Schoettle, die vorgestern abend von dem Herrn Bundeskanzler über den Inhalt des Generalvertrags unterrichtet worden sind, die Gelegenheit hier wahrnehmen, dem Volke draußen Aufklärung zu geben; denn über den Inhalt des Generalvertrags, über diese entscheidenden Fragen, macht sich das Volk draußen Sorgen. Das Volk will keinen Generalvertrag. Darum muß man die Wahrheit nach draußen mitteilen und darf sie nicht verschweigen.
Noch ein paar Worte zu dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion. Ihm liegt das Begehren zugrunde, das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung darüber fällen zu lassen, ob ein westdeutscher Wehrbeitrag dem Grundgesetz entspreche oder nicht. Auf der Grundlage dieses Antrags hat die sozialdemokratische Fraktion nun darum gebeten, daß die Bundesregierung die Unterschritt so lange aussetze, bis eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vorliegt, oder zumindest, daß die Bundesregierung in bezug auf die Rechtsgültigkeit der Unterschrift, die sie vor dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts gibt, klar einen Vorbehalt ausspreche. Mir scheint, daß dieser Appell an das Bundesverfassungsgericht der Ausdruck dafür ist, daß man aus den bitteren Erfahrungen der Vergangenheit nichts gelernt hat. Hier soll offenbar die letzte Entscheidung dem Bundesverfassungsgericht zugeschrieben werden. Der Herr Abgeordnete Arndt sagte heute früh ja selbst, Ziel des Antrags seiner Fraktion sei, dem Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit zu geben, durch seinen Spruch so oder so rechtlich das letzte Wort zu sprechen.
Was bedeutet das anders, als daß unabhängig von
dem Bestreben und dem Willen des Volkes draußen der Spruch von Karlsruhe als definitiv, als verbindlich, auch als völkerrechtlich verbindlich anzusehen sei. Es werden Illusionen in bezug auf die
Überparteilichkeit des Gerichtes, das dort tagt, er-
weckt, etwa in gleicher Weise, wie 1932, genau vor 20 Jahren, Illusionen in bezug auf die Überparteilichkeit des Staatsgerichtshofs erweckt wurden, der über den Staatsstreich der Papen und Schleicher gegenüber der preußischen Regierung entscheiden sollte. Haben Sie nicht den Text des damaligen Urteils vor Augen, meine Herren, wissen Sie nicht, daß dieses höchste Gericht damals nicht nach Recht und Gewissen handelte, sondern nach gewissen politischen Empfehlungen? Ich kann mir nicht denken, daß solche Erfahrungen unbeachtet bleiben können. Auch die gestrige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geht in eine andere Richtung, als es von Herrn Dr. Arndt hier vorgetragen wurde.
Mir scheint, daß die Entscheidung von gestern ein Präjudizurteil für den 10. Juni darstellt, und den Ausdruck dafür, daß das Bundesverfassungsgericht heute schon entschlossen ist, die These von Dr. Adenauer anzunehmen und seine Unterschrift unter den Generalvertrag als mit der Verfassung vereinbar zu erklären.
Meine Damen und Herren! Wir können darum dem Antrag des Ausschusses nicht zustimmen, wir werden ihn aber auch nicht ablehnen. Wir werden uns der Stimme enthalten, weil wir in dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu einem kleinen Teil eine gewisse Berechtigung sehen, nämlich darin: wenn schon einmal das höchste Gericht der Bundesrepublik angerufen worden ist, um eine Entscheidung zu treffen, wenn es darüber aussagen soll, ob ein Schritt von so weitreichender Bedeutung mit dem Grundgesetz vereinbar ist oder nicht, dann muß man es als eine Herausforderung der Bundesregierung ansehen, wenn sie sich demgegenüber so verhält, als ob überhaupt nichts geschehen wäre, und durch ihr Bemühen, vollendete Tatsachen zu schaffen, diesem Spruch vorausgreift.
Die kommunistische Fraktion erklärt: Die Entscheidung über diese Frage darf und kann bei niemand anders liegen als beim Volke selbst. Das Volk aber verlangt den Abbruch der Verhandlungen über den Generalvertrag und das Verbot, diesen Vertrag und den sogenannten Verteidigungsvertrag zu unterzeichnen.
Alle Mittel müssen erschöpft werden, — —