Rede von
Dr.
Gerd
Bucerius
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Kollege Seuffert: Sie haben am Schluß dieser mehrtägigen Debatte, die am Ende einer vierzehnmonatigen Ausschußarbeit steht, bedauert, daß die Debatte in einer gewissen Schludrigkeit unterzugehen drohe. Herr Kollege Seuffert, ich glaube, daß es im gemeinsamen Interesse liegt, diese Dinge einmal klarzustellen. Ich will nicht annehmen, daß Sie mit dieser Schludrigkeit gemeint haben, daß Ihr Änderungsantrag zu § 350 nicht begründet worden ist, obwohl Sie uns gestern nachdrücklich angekündigt haben, daß wir bei dieser Gelegenheit noch einiges von Ihnen zu hören bekommen würden. Das ist also nun nicht der Fall gewesen. Ich will nicht annehmen, daß das eine Schludrigkeit gewesen ist. Herr Kollege Seuffert, Sie wissen, daß es bei der Gesetzgebungsarbeit nun einmal so zugeht: die Arbeit hat Höhepunkte und bringt Zeiten, in denen diese Höhepunkte vorbei sind. In den beteiligten Fraktionen, vor allem der Regierungsparteien, ist bis zur letzten Stunde sehr ernsthaft um diese Dinge gerungen worden, und es ist diesem Hause kein Geheimnis, daß in der Frage, zu welcher Lösung man kommen sollte, innerhalb der Fraktionen selbst die stärksten Spannungen bestanden haben.
Die Vertreter der Flüchtlinge in unserer Fraktion hatten über das, was hier zu geschehen habe, eine andere Auffassung, als sie zunächst bei uns bestand, und wir wollen es ruhig Herrn Kollegen Kather und seinen Freunden als ein besonderes Verdienst anrechnen, daß es ihnen gelungen ist, die Fraktionen der Regierungsparteien in diesem Hause auf einen Standpunkt zu einigen; und zwar nicht, indem Herr Kather, wie hier gesagt worden ist, wieder in die Fraktion „zurückgefallen" sei, sondern indem beide Teile sich entgegengekommen sind!
Ein Teil dieser Einigung ist die Resolution, die wir Ihnen vorgelegt haben: eine Resolution, die das Ergebnis der eingehenden Zusammenarbeit der Parteien mit der Regierung und der Bank deutscher Länder darstellt.
Meine Damen und Herren, wir haben nicht die Absicht, in diesem Augenblick dem deutschen Volk und vor allen Dingen den Flüchtlingen, den Heimatvertriebenen und den Bombengeschädigten Luftspiegelungen vorzumachen.
Meine Freunde, das würde sich sehr bald und sehr definitiv rächen,
und deshalb haben wir die Dinge, die wir hier
vorgelegt haben, gestern sehr ernsthaft überlegt.
Herr Seuffert: Sie haben bemängelt, daß die Entschließung heute nicht noch einmal ausdrücklich begründet worden ist. Sie ist gestern eingebracht worden. Herr Vizekanzler Blücher ist in diesem Hause erschienen und hat das besondere Bedauern des Bundeskanzlers und des Finanzministers darüber zum Ausdruck gebracht, daß beide Herren nicht persönlich die Mitteilung überbringen könnten, daß die Regierung ihr Siegel unter diese Entschließung setze. Meine Damen und Herren, man kann unter diesen Umständen nicht davon sprechen, daß wir es uns hiermit zu leicht gemacht hätten. Das werden wir auch in Zukunft nicht tun; denn das Programm, das wir hier ent-
worfen haben, ist uns allen eine bindende Verpflichtung.
Herr Seuffert: Sie haben Ihr e Rechnung aufgemacht, und Sie werden es uns nicht übelnehmen, wenn wir unsere Rechnung aufmachen, und Sie werden es Herrn Kollegen Kather nicht übelnehmen, wenn er seine Rechnung aufmacht. Die Vertreter der Flüchtlinge haben bei verschiedenen Gelegenheiten zum Ausdruck gebracht, daß in den ersten drei Jahren insgesamt ein Betrag von etwa einer Milliarde DM zur Seßhaftmachung, zum Wiederaufbau zur Verfügung gestellt werden müßten. Trotz äußerster Bemühungen haben wir es nicht fertiggebracht, diese Summe voll zu erreichen. Aber, Herr Kollege Seuffert, es ist eben ein Ausdruck der Tatsache, daß wir die letzten Reserven, die wir noch besitzen, zusammennehmen müssen, um hier zum Ziele zu kommen,
angesichts der großen anderen Belastungen, die wir in diesem Lande haben.
Ein Ausdruck dieser Tatsache ist es, daß sich in dem Entschließungsentwurf verschiedene Positionen befinden, die eben leider nicht jede allein, sondern nur alle zusammen den ganzen Betrag erbringen können. Herr Kollege Seuffert, ich kann Ihnen versichern, daß jede der Positionen wohl untermauert ist. Sie haben darauf hingewiesen, daß der Betrag von 200 Millionen DM, den wir als erste Position — nämlich „Überschuß aus dem Gesetz" — eingesetzt haben, heute noch nicht zur Verfügung stehe. Das ist eine unbezweifelbare Tatsache. Das Gesetz tritt erst in Kraft, wenn der Bundesrat seine Zustimmung gegeben hat. Aber, Herr Kollege Seuffert, wir hoffen auf die Mitwirkung und Mitarbeit aller in diesem Hause, daß das Gesetz in dieser Form auch vom Bundesrat verabschiedet wird
und daß es nicht an dem Widerspruch einiger scheitert.
In den Vorbesprechungen, die wir im Rahmen des Lastenausgleichs geführt haben, haben jedenfalls unsere Freunde immer zum Ausdruck gebracht, daß die zweite Position von 100 Millionen DM, nämlich das Ergebnis des Bonus, wahrscheinlich in dieser Höhe erreicht werden könne. Es ist angesichts der Milliardenbeträge, die im Lastenausgleich umgesetzt werden müssen, kein Betrag, der als zu groß angesehen werden könnte.
Wir haben als dritte Position — und Sie haben dieses ebenfalls bemängelt — die Erstreckung des § 7 d Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes vorgeschlagen. Herr Kollege Seuffert, gegen den § 7 d Abs. 2 sind mancherlei Bedenken erhoben worden, nicht nur von Ihnen und von dem Herrn Kollegen Bertram, sondern auch im Lande selbst. Ich will nicht anstehen, hier zu erklären, daß ich manchen Punkt dieser Kritik selbst geteilt habe. Der Paragraph ist nicht unanfechtbar gewesen, obwohl er uns außerordentlich Wertvolles eingebracht hat, nämlich die Wiederherstellung einer immerhin einigermaßen passablen, vor zwei Jahren noch nicht zu erwartenden deutschen Schiffahrt. Immerhin, es mag sein, daß man hier gegen diese Form der Aufbringung Einwände erheben kann. Wir stehen nicht an, mit Ihnen darüber zu diskutieren, wenn die Vorlage, die der Finanzminister zu diesem Punkt ausdrücklich zugesagt hat, vorliegt, in welcher anderen ähnlichen oder gleichartigen Form wir diesen Betrag von 150 Millionen aufbringen wollen. Aufgebracht, Herr Kollege Seuffert, auf diese oder jene Weise wir der!
Sie haben schließlich darauf hingewiesen, daß unsere 200 Millionen DM lombardfähige steuerbegünstigte Schatzscheine noch nicht untergebracht seien. Herr Kollege Seuffert, so leicht machen wir uns diese Sache nun doch nicht. Nicht nur in Ihrer Fraktion gibt es für diese Sache Experten, sondern auch bei uns. Wir haben uns sehr sorgfältig umgehört und haben in den Äußerungen der zuständigen Experten die Erklärung erhalten, daß, wenn die Bank deutscher Länder bereit sei, die Lombardzusage zu geben, dieser Betrag am Geldmarkt untergebracht werden könne. Ich kann Ihnen mitteilen, daß der Präsident der Bank deutscher Länder und der Vorsitzende ihres Verwaltungsrats ausdrücklich den Vertretern der Regierungsparteien und dem Bundeskanzler erklärt haben, daß sie bereit seien, diese Zusage zu geben.
Wenn es uns nur gelingt, dieses Programm innezuhalten — und, meine Damen und Herren, in dieser Zeit gibt es keine absolute Garantie, sondern nur die eine Garantie, daß wir uns alle gemeinsam bemühen werden, das durchzuführen, was wir uns vorgenommen haben,
— wollen Sie nicht an diesem Bemühen teilnehmen, Herr Paul? —, dann wird uns niemand in Abrede stellen können, daß wir ein großes, schwieriges Werk mit einigem Erfolg in Angriff genommen haben. Niemandem in dieser Welt ist es vergönnt, immer alles das zu erreichen, was er anstreben möchte. Es kommt eben nur darauf an, alle Kräfte soweit zusammenzufassen, daß das äußerste vernünftige Ziel gerade noch eben erreicht werden kann. Noch niemals sind die Probleme, die auf das deutsche Volk einstürmten, so schwer gewesen wie im gegenwärtigen Augenblick. Wir müssen dem Finanzminister, der ebenfalls seine Mitarbeit leisten will, sehr dankbar dafür sein, daß er sich mitten in diesen schwierigsten Verhandlungen, die man sich überhaupt vorstellen kann, noch bereit gefunden hat, hier Zusagen zu machen, die es wahrscheinlich ermöglichen werden, die Summe, die wir uns als Ziel gesetzt haben, zu erreichen.
Selbstverständlich unterliegt dieses Programm möglichen Abänderungen, wenn Sie mit Vorschlägen an uns herantreten sollten, die akzeptabel sind. Aber wir werden uns mit diesen Änderungsvorschlägen nur dann befassen können, wenn sicher ist, daß die Summe des Aufkommens in keiner Weise vermindert werden kann. Denn wir wollen das Programm durchführen.
Herr Kollege Seuffert, Sie haben darauf hingewiesen, daß für die Hausratentschädigung ein höherer Betrag als 500 Millionen, eine halbe Milliarde DM, ausgegeben werden sollte. Herr Kollege Seuffert, wenn die Mittel für höhere Hausratentschädigung zur Verfügung stehen, werden wir nicht zögern, entsprechende Beschlüsse zu fassen. Aber wir wollen nicht mehr Geld ausgeben, als wir zur Verfügung haben werden. Wir haben es in diesem Hause abgelehnt und werden es in Zukunft ablehnen, Versprechungen zu machen, an deren Erfüllung wir nicht glauben.
Herr Kollege Seuffert, selbstverständlich würden
wir sehr gern die Hausratentschädigung über den Betrag, der im Gesetz oder in Besprechungen in Aussicht genommen ist, erhöhen. Selbstverständlich! Aber wir glauben, daß wir die vorhandenen Mittel in ein vernünftiges Gleichgewicht zu andern Ausgaben bringen müssen. Was nützt den Betroffenen eine Hausratentschädigung, wenn sie keine Wohnung haben, was nützt es ihnen, wenn sie keinen Arbeitsplatz haben?
Deshalb sind wir der Meinung, daß für diese anderen produktiven Zwecke mindestens der gleiche Betrag zur Verfügung gestellt werden müßte
wie für die Hausrathilfe. Sie werden nicht in Abrede stellen können, daß, wenn es uns gelingt — was wir sicher hoffen —, dieses Programm durchzuführen, dann auch die Frage der Hausrathilfe nicht mehr von der Dringlichkeit sein wird, wie sie heute ohne Zweifel bei den Tausenden von Geschädigten, die noch in elenden Baracken ihr Leben fristen müssen, ist.
Herr Seuffert: Sie und ich und viele der anderen Freunde, die in den Ausschüssen an der schweren Arbeit mitgewirkt haben, wir haben es uns nicht leicht werden lassen. Wir haben es uns sogar sehr sauer werden lassen. Das sollten wir uns ruhig einmal laut erklären. Ich glaube, wenn wir das Ergebnis dieser schweren, harten Arbeit ansehen, dann wollen wir von den Regierungsparteien auch Ihnen dankbar sein für den Anteil, den Sie an dieser Arbeit geleistet haben.
Dieser Anteil ist nicht unbeträchtlich gewesen, , Herr Seuffert, und er wird auch in Zukunft, wie wir hoffen, nicht unbeträchtlich sein. Wir aber, die wir in diesem Lande die Regierung zu tragen und die Exekutive zu überwachen haben, versprechen bei dieser Gelegenheit noch einmal feierlich, daß wir alles, was in unseren Kräften steht, tun, um dem Programm, das wir uns vorgenommen haben, auch zum Siege zu verhelfen.