Herr Präsident! Meine Damen
und Herren! Man muß leider feststellen, daß diese
Lastenausgleichsdebatte an ihrem Schluß in eine
Atmosphäre der Beiläufigkeit, Schludrigkeit und
des Nur -schnell-Wegerledigens kommt, die mir
außerordentlich bedauerlich erscheint. Einer der
Gründe, die mich davon sprechen lassen, ist die
Tatsache, daß ein Antrag wie der Entschließungsantrag auf Drucksache Nr. 3373 überhaupt nicht
einer Begründung für wert befunden worden ist.
— Er ist vor diesem Hause nicht begründet worden.
Wenn Sie annehmen sollten, daß das, was gestern hier gesagt worden ist, oder etwa die auch sehr beiläufige Erklärung des Herrn Vizekanzlers eine Begründung für den Antrag und für das ist, was hier so an die Wand gemalt wird, so muß ich sagen, daß eben eine solche Meinung den Abschluß dieser Debatte über den Lastenausgleich mit dem Stigma des Nicht -mehr-Ernstnehmens, des beiläufig Nurschnell-Erledigens kennzeichnet.
— Ja, das ist eben das Komische, daß die Zeitungen
auf Grund eines solchen Antrags etwas Derartiges
schreiben und nach Ihrer Ansicht schreiben sollen.
Eine derartige Rechnung als eine Milchmädchenrechnung zu bezeichnen, wäre j a weiß Gott eine Beleidigung des ehrenwerten Berufsstandes der Milchmädchen.
Ich muß mich — wir können j a nachher das Fazit ziehen — mit diesem Antrag beschäftigen, wenn Sie es nicht für der Mühe wert halten. Wenn Sie gestern von Begründung gesprochen haben, so soll doch dieser Antrag in erster Linie die Begründung für Ablehnungen sehr konkreter und — wie das ganze Haus weiß, wie außer unserer Fraktion mindestens hundert Leute von Ihnen wissen und bekennen — notwendiger Anträge auf Bereitstellung von Wohnbaumitteln in dem erforderlichen Umfang sein, um das Wohnbauprogramm aufrechtzuerhalten. Dieses Papier soll ja die Begründung dafür sein, das nicht zu tun, was nach unserer Überzeugung und nach der Überzeugung von über hundert Leuten, die bei Ihnen Anträge unterschrieben und nicht eingereicht haben, zur Förderung des Wohnungsbaus notwendig ist.
— Was geschieht? Dieser Antrag beginnt mit den
Worten: „Für die produktive Eingliederung der Geschädigten". Wir haben im Laufe der Debatte schon
mit außerordentlicher Befriedigung festgestellt, welcher Wert auch von anderer Seite und auch von einer Seite, bei der man es vor Tische anders las, wie z. B. bei dem Herrn Kollegen Dr. Kather, neuerdings auf die wirkliche und die produktive Eingliederung der Geschädigten und insbesondere der Vertriebenen gelegt wird.
Zu unserer Befriedigung ist es jetzt Mode geworden, alle Forderungen, die man an den Lastenausgleich stellt, tunlichst mit der Kennmarke „Mittel für die produktive Eingliederung" zu versehen. Wir halten das für ein Zeichen der Einsicht, und wir weisen darauf hin, daß das ungefähr unsere Ansicht vom Lastenausgleich immer war. Ich möchte aber bei dieser Gelegenheit gegenüber einigen Berechnungen, die gestern über das Verhältnis der sozialen Leistungen und der Entschädigungsleistungen im Lastenausgleich aufgestellt worden sind, folgendes sagen.
Als echte soziale Leistungen können Sie ansehen und müssen Sie wohl ansehen die Rentenleistungen, wobei die Kriegsschadenrente eine Entschädigungsrente ist und deswegen keine reine soziale Leistung, sogar, wenn Sie es streng nehmen, überhaupt keine soziale Leistung, sondern eine Entschädigungsleistung.
Daß man etwa die Hausrathilfe als eine soziale Leistung bezeichnen könnte, das ist Ihnen gegenüber, Herr Kollege Schütz, gestern schon zurückgewiesen worden, und ich glaube, Sie haben sich in diesem Punkte auch schon berichtigt. Die Hausratentschädigung ist auf jeden Fall die einzige Entschädigungsleistung, die 75 % der Geschädigten überhaupt bekommen. Alles andere — von einigen Förderungsmaßnahmen und ähnlichem abgesehen — fließt in die Kasse der Entschädigungen. Denn was Sie an Aufbaudarlehen — das dürfen Sie doch nicht vergessen —, was Sie an Wohnraumhilfe im Kreditwege, was Sie an Arbeitsplatzdarlehen ausgeben, das geben Sie doch bloß darlehnsweise aus, und das fließt doch nachher in die Entschädigungskasse zurück. Also alles mit Ausnahme der Unterhaltsrenten ist hier Entschädigung.
Es handelt sich nur darum, wie inzwischen mit diesen Mitteln, die letzten Endes in die Entschädigungskasse fließen — daran war nie ein Zweifel —, die produktive Eingliederung durchgeführt werden kann.
Wenn Sie also hier mit der produktiven Eingliederung anfangen und hier einige Summen nennen, die für sie bereitzustellen sind, so heißt das zunächst und letzten Endes gar nichts anderes, als daß Sie, wenn Sie hier von Überschüssen und von Abgabeerhöhungen sprechen, sagen: die Mittel des Lastenausgleichs sind für die Zwecke des Lastenausgleichs zu verwenden.
Was aber dahintersteckt, ist folgendes. Sie setzen ohne weiteres voraus, daß in der Gesetzesvorlage nach den Ausschußbeschlüssen ein Überschuß von 200 Millionen DM für die produktive Eingliederung da ist. Ich will in diesem Augenblick nicht davon sprechen, daß diese Zahlen auf Kalkulationen hinsichtlich des Zuschusses der öffentlichen Hand beruhen in der Höhe, die wir Ihnen wiederholt hier vorgerechnet haben, und daß Sie bisher, glaube ich, noch keine Grundlage dafür gefunden haben, diesen Zuschuß der öffentlichen Hand wirklich einbeziehen zu können. Der Bundesrat hat sich bisher immer dagegen ausgesprochen, ihn zu be-
willigen. Die Einbeziehung der Vermögensteuer hängt in der Zukunft von einem Gesetz ab, das noch nicht verabschiedet ist und das eine Reihe von Fragen im Rahmen des Art. 107 des Grundgesetzes behandeln muß. Jetzt in der Gegenwart hängt sie von einer Verfassungsänderung ab. Sie können also schon deswegen noch nicht sagen, daß Sie diesen Überschuß von 200 Millionen DM nach dem Gesetz in der Ausschußfassung wirklich schon haben. Die Berechnung dieses Überschusses setzt allein voraus, daß in den ersten Jahren nicht mehr als 500 Millionen DM für die Hausrathilfe ausgegeben werden.
Über die Abwicklung der Hausrathilfe hat man in der letzten Zeit in der Presse sehr erstaunliche Zahlen gelesen und auch sonst gehört. Man hat lesen können, daß man neuerdings damit rechnet, diese Hausrathilfe erst in 12 oder 15 Jahren abzuwickeln. Derartige Berechnungen lassen auf eine solche Zeit kommen. Unserer Ansicht nach muß die Hausrathilfe weitaus schneller abgewickelt werden. Wenn Sie dem nachkommen, haben Sie von vornherein nicht diesen Überschuß von 200 Millionen DM aus der Ausschußfassung.
Sie beantragen nun im Wege einer Entschließung, daß außer diesen, wie gesagt, zu Unrecht als bereits vorhanden berechneten 200 Millionen DM für die produktive Eingliederung — deswegen zu Unrecht berechnet, ich wiederhole es noch einmal, weil man mit dieser Summe die Hausrathilfe tatsächlich erst in 10 bis 15 Jahren abwickeln kann und das untragbar ist — die durch die jetzt beschlossene Fassung erhöhten Abgaben für die produktive Eingliederung bereitgestellt werden sollen. Ich muß schon sagen, für was denn sonst? Ich will auch zugeben, daß die Erhöhung der Abgaben ungefähr auf diesen Betrag herauskommen könnte, obwohl sie nach unseren Anträgen weit höher gekommen wäre, nach unseren Anträgen, denen — wie soll ich es Ihrer Ansicht nach sagen, Herr Kollege Dr. Golitschek? — die Abgeordneten, die die Flüchtlingsinteressen hier in erster Linie vertreten wollten, um nicht von Flüchtlingsvertretern zu sprechen, in dritter Lesung zuzustimmen nicht mehr den Mut gefunden haben. Deswegen sind es eben nur 200 Millionen DM Abgabeerhöhung.
Nun komme ich zu b). Da heißt es: Es sind „bereitzustellen durch die im Lastenausgleichsgesetz vorgesehenen Vorauszahlungen von Abgaben rund 100 Millionen DM".
Meine Damen und Herren, Mittel durch vorzeitige Ablösung von Lastenausgleichsabgaben stellen nicht Sie durch Gesetze zur Verfügung, sondern die stellen die Abgabepflichtigen zur Verfügung, wenn sie zahlen und wenn sie zahlen mögen. Es ist absolut in die Luft gesprochen, wenn Sie sagen: Es sind durch vorzeitige Ablösung von Abgaben Mittel im Betrage von 100 Millionen DM bereitzustellen. Bitte schön, wer ist denn dazu verpflichtet?
Dann sagen Sie in c): „durch eine Erstreckung der Vergünstigungen des § 7 d Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes auf Darlehen, welche dem Lastenausgleichsfonds gewährt werden, rund 150 Millionen DM". Meine Damen und Herren, haben Sie sich das denn nicht zweimal überlegt? Wollen wir denn nicht mit diesen Siebener -Gruppen jetzt endlich einmal Schluß machen? Haben wir denn nicht genügend Erfahrung darin? Sehen Sie denn nicht, daß Sie auch hier wieder die Beträge, die sich durch solche Steuervergünstigungen ergeben, der Gesamtheit der Steuerzahler, den öffentlichen Haushalten, den Ländern wegnehmen? Und glauben Sie denn wirklich, der Lastenausgleich könne für Darlehen solche Bedingungen geben, wie sie von den Darlehensnehmern nach § 7 d und anderer Darlehen gegeben worden sind? Das ist doch kein Weg, mit dem wir Lastenausgleichsaufgaben finanzieren können! Wir halten den hier vorgezeichneten Weg für sehr bedenklich und wir hätten gerade zu diesem Punkt einige Erklärungen und Begründungen erwarten können, um überhaupt den Versuch einer Rechtfertigung solcher Dinge zu hören.
Dann kommt die Ziffer d). Danach sind bereitzustellen „durch Ausgabe von 5% igen steuerbegünstigten" — steuerbegünstigten natürlich wieder —„lombardfähigen Schatzscheinen der Lastenausgleichsbank rund 200 Millionen DM". Meine Damen und Herren, 200 Millionen DM beschafft man nicht durch Ausgabe von Schatzscheinen, sondern dadurch, daß die abgenommen werden! Auch hier ist uns nicht die Spur einer Begründung vorgetragen worden, nicht die Spur einer Erklärung gegeben worden, wie, durch wen, in welchem Umfange und unter welchen Bedingungen die Abnahme eines solchen Betrages gesichert sein soll.
„Weiterhin" — heißt es hier in diesem Antrag — „sind für die Beschleunigung der Umsiedlung im laufenden Jahr über die in § 350 des Lastenausgleichsgesetzes vorgesehenen 300 Millionen DM hinaus weitere 200 Millionen DM im Wege der Vorfinanzierung bereitzustellen." Meine Damen und Herren. seit wann sind denn die 300 Millionen DM in § 350 für die Umsiedlung? Die sind für den Wohnungsbau zugunsten der Flüchtlinge und Geschädigten ganz allgemein! Seit wann sind die plötzlich für die Umsiedlung?
Und wissen Sie denn nicht, daß wir diesem Hause einen Antrag vorgelegt haben, 1 Milliarde DM für die Umsiedlung zu beschaffen? Sie können uns doch angesichts unseres Antrages auf Zur -Verfügungstellung von 1 Milliarde DM für die Umsiedlung nicht damit abspeisen, daß Sie sagen: Es sind weitere 300 Millionen DM im Wege der Vorfinanzierung bereitzustellen! Wem, darf ich dann fragen, geben Sie denn diesen Auftrag, daß die Mittel im Wege der Vorfinanzierung bereitzustellen sind? Wem wollen Sie denn diesen Auftrag geben? Wer hat denn diesen Auftrag angenommen, und wann, unter welchen Bedingungen und wie soll das denn sein? Ist denn schon jemals in diesem Bundestag ein Antrag angenommen worden: Der Bundestag beschließt: es ist das und jenes im Wege der Vorfinanzierung bereitzustellen? An wen richtet sich denn so ein Auftrag? Welch einen Sinn soll ein solcher Antrag denn haben?
Dann heißt es im letzten Absatz dieses Antrags: Die Bundesregierung wird schließlich ersucht, noch in diesem Jahr zur weiteren Förderung des Wohnungsbaues im Jahre 1953 eine zweckgebundene Umsiedlungsanleihe in Höhe von mindestens 200 Millionen DM unter Bereit-
stellung von Haushaltsmitteln für die Zinsverbilligung aufzulegen.
Ja, das ist ja wieder ein ganz neuer Typ von Anleihen! Da haben wir steuerbegünstigte Anleihen, da haben wir Aufträge an irgend jemanden — wir wissen nicht, an wen —, Summen im Wege der Vorfinanzierung bereitzustellen, und da haben wir nun wieder eine Anleihe, die unter Aufwendung von Haushaltsmitteln zinsverbilligt werden soll. Ja, konnten Sie denn nicht noch ein paar vage Projekte hier einbauen? Konnten Sie denn nicht noch ein paar unbestimmte Möglichkeiten erwähnen? Sollen wir uns denn zu dem ganzen Salat hier auf einmal entschließen, oder was haben Sie gedacht?
Meine Damen und Herren, im Ernst gesprochen
— im Ernst gesprochen, obwohl ich den Antrag, ich muß es sagen, kaum ernst nehmen kann —, der Antrag soll, das wissen wir alle, ein Argument sein, um den sehr präzisen Anträgen, die nach der Überzeugung der Mehrheit dieses Hauses angenommen werden müssen, um mindestens das Wohnungsbauprogramm sicherzustellen, auszuweichen und mit Versprechungen und vagen Erwähnungen der Art, wie sie hier zusammengestellt sind, an dem Problem vorbeizugehen.
Wir werden diesem Antrag, wenn er zur Abstimmung gestellt wird, nicht zustimmen können. Sollte er 'dem Ausschuß überwiesen werden, können wir uns dort im einzelnen mit ihm beschäftigen. Die Tatsache, daß der Antrag hier nicht einmal begründet worden ist, ist bedauerlich und bedarf der Hervorhebung. Auf keinen Fall sind ein
derartiger Antrag und eine 'derartige Argumentierung ein Grund, das abzulehnen, was wir zu § 350 und an anderen Stellen des Gesetzes beantragt haben.