Rede von
Oskar
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren, dieser Umfall entspricht dieser Aufgabe, dieser Rolle. Nachdem Herr Dr. Kather hat feststellen können, daß insbesondere die Ansprüche derjenigen Gruppe der Geschädigten, zu der er sich selbst rechnet, die Gruppe also der großen Vermögen — und Herr Dr. Kather hat seinen entsprechenden Anteil ja rechtzeitig genug, noch während des Krieges, nach dem Westen verlagern können —,
im Gesetz völlig anerkannt worden sind, hat er diesen Umfall vollzogen und ist er in die Politik der Regierungskoalition eingeschwenkt. Das lag von vornherein in seiner Absicht.
Ich glaube, es war notwendig, eine solche Feststellung zu treffen und insbesondere den Geschädigten gegenüber die besondere Rolle des Abgeordneten Dr. Kather noch einmal sichtbar werden zu lassen.
Ich möchte nun noch auf Abs. 2 des § 269 zu sprechen kommen. Darin wird festgelegt, daß, sobald hinreichende Unterlagen über die Höhe der verfügbaren Mittel und über den Umfang der zu berücksichtigenden Schäden vorliegen, spätestens bis zum 31. März 1957, bestimmt werden soll, ob und in welchem Umfang die Grundbeträge erhöht werden. Die Musik zu dieser Bestimmung hat Finanzminister Schäffer gestern gemacht. Ich habe bereits gestern Gelegenheit genommen, klarzustellen, welche Bedeutung dem Eingreifen
des Finanzministers Schäffer zukommt. Ich
möchte es heute noch einmal unterstreichen. Herr Schäffer hat gestern mit seiner Erklärung nicht mehr und nicht weniger getan als angekündigt, daß ausschließlich nach den Gesichtspunkten — wie er formuliert — seines Haushalts und der Haushaltslage in Erwägung gezogen werden soll, ob überhaupt und dann in welchem Umfang Mittel für diese Zwecke zur Verfügung gestellt werden sollen und können. Er spielte mit einem Defizit von 1,4 Milliarden DM. Ich habe gestern darauf hingewiesen und möchte es heute wiederholen: die Möglichkeit, die erforderlichen Milliarden für den Lastenausgleich zur Verfügung zu stellen, auch aus den Mitteln des Etats, sind absolut gegeben. Herr Schäffer und Herr Dr. Adenauer brauchten nur die Milliarden für die Aufrüstung
dem Lastenausgleich zur Verfügung zu stellen.
-- Sie schreien auf, meine Damen und Herren, ich verstehe das absolut; denn das ist die wundeste Stelle, an der Sie getroffen werden können,
weil nämlich hier Ihr Gesicht so eindeutig und brutal gegenüber unserem Volke sichtbar wird und offenbar wird, daß Sie bereit sind, für diese Remilitarisierung, für die Aufrüstung die Milliarden und aber Milliarden aus unserm Volk herauszuholen,
den Geschädigten aber nicht die erforderlichen Mittel geben wollen.
Ich glaube, daß die Ankündigung des Finanzministers Schäffer in Zusammenhang mit Abs. 2 dieses Paragraphen nichts anderes bedeutet, als daß am 31. März 1957 festgestellt wird — es wird wahrscheinlich schon viel früher sein —, daß die erforderlichen Mittel für diesen § 269, d. h. für die Hauptentschädigung nicht zur Verfügung stehen werden.
— Der Leiter des Ausgleichsamts, Herr Kollege Nöll von der Nahmer, entscheidet in eigener Zuständigkeit über die Anträge. In diesem Paragraphen ist festgelegt worden, Herr Kollege Nöll von der Nahmer, daß der Leiter des Ausgleichsamts mit der Begründung, es seien keine Mittel verfügbar, diese Anträge ablehnen kann. Ich glaube also, Sie haben schon den richtigen Dreh gefunden, um
auf der einen Seite den Anschein zu erwecken, als ob Sie etwas geben wollten, und auf der andern Seite alle Sicherungen zu schaffen, daß Sie nichts zu geben brauchen.
Das ist also das wirkliche Gesicht. Der § 269, der die Frage der Hauptentschädigung behandelt, ist j a nur ein Teil dessen, worauf von den Geschädigten auf Grund der erlittenen Verluste Anspruch erhoben wird. Wir werden über andere Fragen später noch zu sprechen haben.
Unsere Anträge auf Begrenzung der Entschädigung wurden in der zweiten Lesung abgelehnt..
Lassen Sie mich noch einige Bemerkungen zu dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion machen. Ich bin damit einverstanden — ich habe es bereits in der zweiten Lesung gesagt, als der Antrag zur Debatte stand —, weil der Antrag in der Frage der Schadensgruppen eine engere Festlegung der Grenzen vorsieht, also ein Fortschritt gegenüber der Ausschußvorlage ist. Ich möchte allerdings zu einer Frage noch eine Bemerkung machen, nämlich zu der Schadensgruppe XV. Wir haben vorhin von dem Kollegen Ohlig gehört, daß nach der Auffassung der sozialdemokratischen Fraktion die Höchstgrenze der Schadensfestlegung bei 150 000 Mark liegen soll. Es wäre zweckmäßiger gewesen, wenn im Hinblick auf die Frage der Aufbringung der Mittel in dem Antrag der sozialdemokratischen Fraktion auch die Festsetzung der Grundbeträge erfolgt wäre, weil sich daraus bestimmte Konsequenzen im Kampf um die Aufbringung der Mittel ergeben müssen. Das ist nicht geschehen. Der Antrag der sozialdemokratischen Fraktion verlegt die Festsetzung der Höhe der zu gewährenden Entschädigungen auf ein Gesetz, das erlassen werden soll, nachdem die Unterlagen über die verfügbaren Mittel zur Verfügung stehen. Ich sagte schon, wir würden es für zweckmäßiger halten, wenn diese Frage, so wie wir es in unserm Antrag getan haben, mit hineingearbeitet worden wäre. Aber wir werden, nachdem die sozialdemokratische Fraktion die Festsetzung der Schadensregelung auf 150 000 Mark begrenzt, diesem Antrag unsere Zustimmung geben.
Ich möchte abschließend folgendes bemerken. Die Geschädigten werden sich auch durch das Manöver, das gestern hier in Szene gesetzt worden ist und nur in leeren Versprechungen besteht — wir werden dazu heute noch einiges zu sagen haben —, nicht irreführen lassen. Sie erkennen draußen dieses Gesetz, soweit es sich auch um die Forderungen im Zusammenhang mit der Frage der Schadensfeststellung und des Grundbetrags handelt, als das, was es ist, daß man seitens der Regierung und der sie unterstützenden Parteien — im Interesse der Politik, die Dr. Adenauer jetzt mit dem Generalvertrag sanktionieren und in deren Zug er die Mittel für die Aufrüstung zur Verfügung stellen will — gar nicht daran denkt, den Geschädigten irgendwie ernsthaft zu helfen. Daraus werden diese ihre Schlußfolgerungen ziehen. Diese Schlußfolgerung kann nur sein — und die Forderung wird bereits gestellt —, gemeinsam den Kampf gegen die Regierung Adenauer und gegen den Generalvertrag zu führen. Dann nämlich wird auch die Frage des Lastenausgleichs einer positiven Regelung entgegengeführt werden.