Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Ich bedauere zunächst lebhaft, daß bei dieser Erörterung das Wort vom Klassenkampf gefallen ist.
— Meine Herren, denken wir doch noch einmal an die Zeiten zurück, als die Flieger über unsere Heimat flogen! Da ist auch nicht gefragt worden, ob das Haus des Millionärs, das Haus des kleinen Bürgers oder das Haus des ganz Armen getroffen wurde.
Dieses Gesetz ist kein Gesetz des Klassenkampfes. Wenn man die Entschädigungszahlungen nach § 269 ruhig und objektiv prüft — und das habe ich eben, durch meine Zwischenrufe, den von mir sehr geschätzten Kollegen Ohlig doch zu tun gebeten! —, dann ist eines nicht zu leugnen: Die Entschädigungen fangen an bei den kleinen Vermögen mit 75 v. H. Die Entschädigungen liegen also höher, als den Abgabepflichtigen nach Abzug der Vermögensabgabe von 50 v. H. verbleibt. Bei Vermögen von über 50 000 sinkt die Entschädigung bereits auf 8 %. Es geht wirklich nicht an, bei § 269 von „Millionenentschädigungen" usw. zu sprechen.
Wie sieht's denn aus? Bei einem so seltenen hohen Einzelvermögen von 2 Millionen werden sage und schreibe noch 84 335 DM gezahlt, meine Herren, in D-Mark, die etwas ganz anderes darstellt als die R-Mark noch 1938. Man muß die Dinge einmal ganz real und nüchtern sehen!
Aber ich wundere mich, daß Herr Kollege Ohlig nicht auf unseren Koalitionsantrag zu § 278 eingegangen ist. Wenn Sie sich diesen Antrag ansehen, dann stellen Sie fest, daß wir den gegebenen finanziellen Verhältnissen durchaus Rechnung tragen werden; denn wir beantragen ja selbst, die Höhe der Aufbaudarlehen auf 50 000 DM zu begrenzen. Wir müssen uns doch auch einmal Sinn und Zweck der Entschädigung klarmachen! Wir wollen mit ihr wieder die Möglichkeit geben, daß der Aufbauwillige ein gewisses Eigenvermögen bekommt, mit dem er auch etwas anfangen kann. Jeder, der die Verhältnisse in den letzten Jahren kritisch geprüft hat, wird mit uns darin übereinstimmen, daß Beträge von 50 000, 60 000 und 70 000 DM gerade für mittlere und größere Betriebe nötig sind, um ihnen eine gewisse finanzielle Grundlage zu geben. Es ist kein Geheimnis, daß die Aufbaukredite, die bis jetzt zur Verfügung gestellt wurden und nicht Eigenmittel waren, meistens für die erstrebten Zwecke nicht ausreichten und die Betriebe mit diesen unzureichenden Mitteln nicht richtig zur Entwicklung kommen konnten. Berücksichtigt man alle diese Zusammenhänge, dann kann man wirklich nicht von irgendwelchen klassenkämpferischen Tendenzen im Zusammenhang mit § 269 sprechen.
Es ist auch nicht so, wie Kollege Ohlig gesagt hat, daß wir hier, wo es um prinzipielle Fragen des Eigentums geht, auf römisch-rechtliche Vorstellungen zurückgreifen müßten. Nein, meine Damen und Herren. Ich darf noch einmal unterstreichen, was Herr Kollege Kather bei der zweiten Lesung wirkungsvoll und überzeugend dargelegt hat. Wir können nicht auf der einen Seite die Vermögen und Einkommen mit höchsten progessiven Sätzen rücksichtslos besteuern, auf der anderen Seite aber, wenn es um eine Entschädigung geht, sagen: Das, was über eine untere Grenze hinausgeht, findet bei der Entschädigung keine Berücksichtigung mehr! Wir sind uns, meine Damen und Herren von der Linken, ganz klar über die Konsequenzen, die es haben würde, wenn man, wie Sie wollen, bei 150 000 DM einfach einen Schlußstrich ziehen würde. Dann kommt unweigerlich in absehbarer Zeit die Schlußfolgerung, die wir auf Grund unserer ganzen Einstellung nicht mitmachen können, daß jedes Vermögen über 150 000 DM — ich möchte mal sagen —: sozusagen schutzlos ist.
Wir sind durchaus bereit, den finanziellen Gegebenheiten Rechnung zu tragen. Das zeigt der einmütig von allen drei Koalitionsparteien gestellte Antrag zu § 278. Wir sind durchaus bereit, vernünftigen Erwägungen und Notwendigkeiten zu entsprechen. Wir wehren uns aber ganz entschieden dagegen, daß uns hier, wo es um das Schicksal und die Möglichkeit des Aufbaues einer Existenz von Millionen Menschen geht, ohne jeden Grund klassenkämpferische Tendenzen vorgeworfen werden. Wir jedenfalls sind keine Klassenkämpfer. Wir sind der Ansicht, daß es hier darum geht — --
— Nein, das bin ich jedenfalls nicht, und meine Freunde sind es auch nicht. Den Klassenkampf lehnen wir ab. Ein Gesetz, bei dem es darum geht, Not und Elend zu mildern, das ohne Rücksicht auf
Stand und Konfession unser Volk getroffen hat, kann nicht mit solchen Ideen und Tendenzen verabschiedet werden.