Rede von
Fritz
Ohlig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es tut mir leid, daß ich zu dem § 269 noch einige Ausführungen machen muß. In der zweiten Lesung ist von allen Diskussionsrednern nicht bestritten worden, daß dieser Paragraph einer der wichtigsten ist. Deshalb war vorauszusehen, daß auch wir in der dritten Lesung unseren Änderungsantrag erneut einbringen würden.
Bei der Begründung in der dritten Lesung möchte ich mich auf wenige wichtige Gesichtspunkte beschränken. Durch die Beseitigung der Höchstbegrenzung und durch die prozentualen Zuschläge zu den Grundbeträgen wird eine sogenannte individuelle Spitze-Feststellung unvermeidlich. Das bedingt eine ungeheure Steigerung der Verwaltungskosten und eine Verlangsamung in der Durchführung des Gesetzes. Auch das ist in der zweiten Lesung von keinem Diskussionsredner bestritten worden. Ich will es hier offenlassen, ob die Mehrausgaben für die Verwaltung 2C0 oder 300 Millionen DM betragen. Sicher ist, daß die Verwaltungskosten steigen werden. Dabei ist für uns als sozialdemokratische Fraktion etwas peinlich, daß sich gestern der Herr Bundesfinanzminister bei der Beratung des Teuerungszulagengesetzes zu dem Lastenausgleich verpflichtet fühlte, darauf hinzuweisen, daß der ordentliche Etat 4C0 Millionen DM und der außerordentliche Etat
800 Millionen DM Defizit aufweisen, daß er aber heute bei diesem wichtigen Punkt, bei dem es sich um die Möglichkeit von Einsparungen handelt, schweigt und daß er in der ganzen Beratung der zweiten und dritten Lesung — gegen seine eigene bessere Einsicht — keinerlei Ausführungen gemacht hat.
Wir bedauern eine solche Haltung, weil wir einfach
vermuten müssen, daß aus diesen individuellen
Feststellungen und der Absicht der Regierungskoalition auf quotale Entschädigung der Bundesfinanzminister einfach verpflichtet worden ist,
gegen seine eigene bessere Einsicht zu schweigen.
Das Entscheidende ist, daß diese Mehrausgaben für die Verwaltung im großen und ganzen nur für 52 000 Personen gemacht werden müssen.
Sie begründen Ihre Haltung mit den Rechtsgrundsätzen zum Schutz des Privateigentums und der Gleichheit aller Staatsbürger. Diese Auffassung kann ich nicht teilen. Für 60 % aller Geschädigten — auch das ist von keinem Diskussionsredner bestritten worden — besteht die einzige Entschädigung in der Hausrathilfe. Der verlorene Hausrat war für diese 60 % ihr Privateigentum. Für diese Gruppe ist mit guten Gründen eine Höchstbegrenzung und auch eine Pauschalentschädigung festgesetzt worden. Wir bleiben deshalb nur konsequent, wenn wir diese Pauschalierung auch für die reine Vermögensentschädigung fordern.
Sie aber durchbrechen dieses Prinzip zugunsten einer kleinen Schicht von 52 000 Personen.
Ich habe schon erwähnt, Sie begründen diese Haltung mit juristischen Begriffen. In der Präambel dieses Gesetzes steht aber - drin, daß dieses Gesetz auf den Grundlagen der sozialen Gerechtigkeit und nicht auf Rechtsprinzipien zum Schutz des Privateigentums, die aus dem römischen Recht hergeleitet worden sind, aufgebaut werden soll.
Wir müssen deshalb an den Schadensgruppen festhalten, und dabei betonen wir noch einmal, daß wir nicht gegen eine Hauptentschädigung sind, sondern nur für eine Begrenzung der Schadenshöhe auf 150 000 Mark.
Ich kann es mir nicht verkneifen, auch ein Wort zu dem Herrn Kollegen K a t h e r zu sagen. Er hat gestern ja seine Schwenkung begründet und in seinen Ausführungen immer argumentiert, daß die quotale Entschädigung in Massenversammlungen der Geschädigten diskutiert worden sei und daß er in diesen Massenversammlungen Zustimmung erhalten habe. In Dutzenden von Versammlungen, die ich abgehalten habe, hat sich bis jetzt nur ein einziger gemeldet, der einen Schaden von über 150 000 Mark erlitten hat.
Vielleicht hatte er sich im Redner geirrt und sich zufällig in meine Versammlung verlaufen; das ist möglich. Ich möchte aber betonen, daß diese 52 000 Personen, die Sie im § 269 begünstigen, doch alle ihre gesellschaftlichen Beziehungen von früher längst ausgenutzt haben und zum allergrößten Teil bereits wieder eingegliedert sind.
Ich bezweifle auch, daß diese Anträge in solchen Massenversammlungen vom Herrn Kollegen Kather diskutiert worden sind. Ich vermute vielmehr — und wir haben in den letzten zwei Tagen ein beredtes Beispiel dafür erlebt —, daß diese Anträge, zu denen er sich schuldig bekannt hat, in Besprechungen von kleinen Interessentengruppen „ausgekathert" worden sind.
Wir haben die Vermutung, und der Verlauf der letzten zwei Tage spricht mehr für uns als für Sie, die Sie das nicht bestreiten können.
Ferner ist bemängelt worden, daß wir hinter den Schadensgruppen keine Grundbeträge genannt hätten; die Geschädigten seien daran interessiert, zu erfahren, was sie eigentlich bekämen. Das ist nur dem Anschein nach richtig. Es fehlt zur Zeit noch jede Ubersicht über die Einnahmen und über den notwendigen Bedarf. Ich möchte Ihnen einige praktische Beispiele hier mitteilen, die Sie selber alle nachrechnen und überprüfen können. Sie machen in Ihrer Tabelle zu § 269 aus den ersten vier Schadensgruppen nur drei, und dabei stellen Sie die ersten beiden Schadensgruppen in der Entschädigung wesentlich schlechter als der Regierungsentwurf. Der Regierungsentwurf sah für die erste Schadensgruppe von 501 bis 1000 RM, also für die sogenannten Bagateilschäden, eine Entschädigung von 1000 DM vor, und Sie geben nach Ihrem quotalen Prinzip einem Geschädigten mit 1000 RM Verlust ganze 375 Mark.
— Wieso? Weil Sie von 501 bis 1800 RM nur 75 % von den ersten 500 Mark geben, das sind 375 Mark.
— Herr Kollege Schütz, ich kann noch sehr gut rechnen, und Sie können das selber nachprüfen. Bei einem Schaden von 1000 Mark geben Sie 75 % zwischen 501 und 1000 Mark, das sind 375 Mark. Sie stellen also den Geschädigten in der ersten Gruppe um 625 Mark schlechter als der Regierungsentwurf. In der zweiten Gruppe stellen Sie den Geschädigten bei einem Verlust von 2000 RM um 205 Mark schlechter, und Sie haben in allen übrigen Gruppen zumindest bei den ersten Anfangsbeträgen der Grundbeträge viel geringere Summen eingesetzt, als sie der Regierungsentwurf geben wollte.
Interessant ist, daß nach Ihrer quotalen Tabelle eine ständige Aufbesserung erst bei einem Vermögen ab 20 000 Mark erfolgt. Damit ist ganz deutlich geworden, daß Sie die quotale Entschädigung zugunsten der größeren Vermögen auf Kosten der kleineren vorgenommen haben.
Das kann nicht bestritten werden.
— Herr Kollege Nöll von der Nahmer, ich kann mich mit Ihnen in der höheren Mathematik nicht herumstreiten, weil Sie den doppelten Doktor haben und ich nur Volksschulmann bin, aber rechnen kann ich noch.
Sie können das ja jederzeit nachprüfen. Das Argument von der Gleichheit aller Staatsbürger beginnt für Sie erst bei den höheren Vermögensgruppen interessant zu werden.
Nun hat vorgestern der Kollege Kunz e in seiner Antwort auf die Erklärung unseres Kollegen Ollenhauer bedauert, daß in dieser Erklärung ein klassenkämpferischer Geist zu spüren sei.
— Ja, immer langsam. Nun, Herr Kollege Kunze, Sie haben im Unkeler Kreis entscheidend mitgearbeitet, und auch der Unkeler Kreis hat eine Schadenshöchstbegrenzung von 150 000 Mark in seinen Richtlinien vorgesehen. Er hat sich also des gleichen klassenkämpferischen Fehltritts, nämlich an der Vernichtung und Zerstörung großer Vermögen, schuldig gemacht. Wenn Ihnen heute, Herr Kollege Kunze, Ihr Sündenfall von damals
leid tut, dann kann ich Ihnen dafür keine Absolution erteilen.
Aber, wer weiß, vielleicht bekommen Sie diese Absolution von jenen 52 000 Personen, die Sie begünstigt haben.
Wenn Sie deshalb das Eintreten für die kleinen Leute mit „klassenkämpferischer Gesinnung" abzutun pflegen, dann müssen wir sagen, daß das Eintreten für den Schutz der großen Vermögen eine Begünstigung klassenegoistischer Besitzinteressen ist.
Wir haben für unseren Antrag namentliche Abstimmung beantragt.