Rede von
Rudolf
Kohl
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben bereits bei der zweiten Lesung mit — wenigstens von Ihrem Standpunkt aus — absolut verständlicher Leidenschaft versucht, zu verhindern, daß die Besitzer von
Aktien für den Lastenausgleich mit herangezogen werden. Der Herr Kollege Kunze war heute früh so liebenswürdig und sagte, daß dieses Gesetz nach der Abgabenseite hin die Grenze des Erträglichen bereits erreicht habe und darüber hinaus weitere Abgaben nicht mehr durchgeführt werden könnten. Wir haben bei der zweiten Lesung bereits beantragt, den Abs. 4 des § 19 zu streichen, nach dem die Aktien und die Kuxe, also die Bergwerksaktien, von der Belastung für den Lastenausgleich freibleiben sollten. Wir haben darauf hingewiesen, daß dieses Verlangen absolut unverständlich ist angesichts der Tatsache, daß gewaltige Mittel für den Lastenausgleich aufgebracht werden müssen und daß gerade hier bei den Aktien und Kuxen die Möglichkeit besteht, an Währungsgewinne heranzukommen; denn es ist unbestritten, daß die Aktien und die Kuxe die Währung sehr gesund überstanden haben. Man soll dabei nicht verkennen, daß beispielsweise sehr ernst zu nehmende Wirtschaftszeitungen, die sich noch in der letzten Zeit mit diesen Themen beschäftigt haben, die immerhin sehr nennenswerte Feststellung getroffen haben, daß der Umstellungsgewinn der Aktienbesitzer insgesamt ca. 9 1/2 Milliarden betragen hat.
Wir haben gestern hier in diesem Hause Zahlen über die Gesamthöhe der Leistungen gehört, die nach diesem Gesetz für die Hausratentschädigung, die Hauptentschädigung und die Eingliederungshilfe aufgebracht werden müssen. Die Erfassung dieser Währungsgewinne der Aktienbesitzer, die 91/2 Milliarden betragen, würde also ausreichen, um alle diese Ansprüche ausreichend zu befriedigen. Die Gewinne, die die Aktionäre gemacht haben, erstrecken sich ja nicht nur auf die Währungsumstellungsgewinne, sondern ganz zwangsläufig in gleicher Weise auf die Kursgewinne. Der Kursindex — und ich beziehe mich hier ebenfalls auf maßgebliche Wirtschaftszeitungen — ist seit dem Währungsstichtag im Durchschnitt um ca. 400 % gestiegen, eine Steigerung, die gerade bei der Rüstungsindustrie oder denen, die hoffen, mit Rüstungsaufträgen bedacht zu werden, noch um ein Entscheidendes höher liegt. Man kann nicht einfach sagen, daß das Spekulationsgewinne seien. Vielmehr sind das tatsächlich vorhandene Gewinne der Aktiengesellschaften, die sich auch in den ungeheuren Investitionen ausdrücken, die von diesen Aktiengesellschaften in ihren Werken durchgeführt worden sind. Die Kurssteigerungen sind also ein tatsächlicher Vermögenszuwachs, der viele Milliarden beträgt und der nach unserer Auffassung für den Lastenausgleich mit herangezogen werden sollte.
Aber, meine Damen und Herren, die Reaktion auf die zweite Lesung des Lastenausgleichsgesetzes und auf die Annahme des Antrags, die Aktien zur Hälfte mit für den Lastenausgleich heranzuziehen, war mehr als interessant. Der „Industriekurier", der heute schon einmal zitiert worden ist, bringt unter der Überschrift „Wie wollen Sie das vertreten?" ein kleines Lügenmanöver, indem er bei seiner Betrachtungsweise bewußt die Besitzer der großen Aktienpakete ignoriert und dem Volk draußen erzählen will, daß es sich hierbei zum überwiegenden Teil, zu ca. 80 %, um die Heranziehung der Kleinaktionäre handele. Er bringt dann zum Schluß — wir lesen das sehr oft, Josef Goebbels würde vor Neid erblassen —
die herrliche Formulierung, daß die Aktien, wenn
sie nicht aus der Erfassung herausgenommen würden, den Weg des Staatssozialismus östlicher Observanz gingen. Nun, meine Damen und Herren, nichts ist zu dumm und zu dämlich, als daß es nicht von Unternehmerzeitungen in derartiger Form ausgenutzt wird.
— Beruhigen Sie sich! Solche Pressereptilien wie der „Industriekurier" dürften in einer wirklichen Demokratie, wie Sie sie vertreten wollen, keinen Platz mehr haben.
Nehmen Sie etwas anderes. Ich verweise hier auf einen Satz in der zweiten Lesung und zitiere aus dem amtlichen Stenogramm. Dort wird beispielsweise auf die gewaltige Verdienstchance hingewiesen, und man stellt dort fest, daß die Familie Haniel 60 % der Aktien der Gutehoffnungshütte in Händen hat, die ein Paket im Nominalwert von 36 Millionen DM in der Hand hat, praktisch aber nicht von 36 Millionen, sondern doch von 600 oder 700 Millionen DM.
Ich glaube, im Zusammenhang mit dieser Betrachtung soll man den Antrag der CDU-Fraktion auf Umdruck Nr. 526 sehen und ebenso einen Artikel in der „Stuttgarter Zeitung", der unter der Überschrift „Kalte Sozialisierung" errechnet, daß die Inanspruchnahme der Aktien in Familienbesitz ebenfalls zu einer Enteignung östlicher Observanz führen würde. Meine Damen und Herren, wir sagen Ihnen in aller Deutlichkeit: Wenn Sie den Beschluß der zweiten Lesung revidieren und den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion ablehnen, werden Ihnen die Anspruchsberechtigten, die auf bescheidene Ansprüche aus diesem Lastenausgleich hoffen, sehr, sehr dankbar sein! Sie zeigen damit Ihr wahres Gesicht, nämlich 'die Absicht, die Reichen, die Aktienbesitzer und die Währungsgewinnler aus dem Lastenausgleich herauszulassen und — wie Sie es vorhin durch Ihre Abstimmung bewiesen hab en — diejenigen Kreise mit heranzuziehen, die zum Teil Ansprüche an den Lastenausgleich haben, ihre Ansprüche aber nun selbst bezahlen müssen.
Wir stimmen deshalb für den Antrag der sozialdemokratischen Fraktion.