Meine Damen und Herren! Dieser Paragraph ist eine der Kernbestimmungen des ganzen Gesetzes. Von der Annahme oder Ablehnung einer vernünftigen Regelung, die den Aktienbesitz hereinnimmt und zur Abgabe heranzieht, wird es weitgehend abhängen, was das Volk zu diesem Gesetz zu sagen hat. Ich kann nicht verstehen, wie hier von der Gegenseite, von den Regierungsparteien her
immer und immer wieder so getan wird, als handele es sich beim vorliegenden Gesetzentwurf um eine unerträgliche Belastung des Aktienbesitzes. Das ist keineswegs der Fall.
Herr Zwischenrufer, der Sie mir zurufen, ich verstünde das nicht: Ich habe vor ungefähr einer halben Stunde mit einem Ihrer Abgeordneten von rechts, von den Regierungsparteien, noch einmal darüber gesprochen. Er ist der Auffassung, daß für einen großen Teil der Aktien die Belastung, die entstehen würde, wenn Sie den vorliegenden Antrag auf Heranziehung der Aktien annähmen, jährlich rund 1 DM pro Aktie beträgt.
Ich habe auf Grund der Ziffern bezüglich ganz bestimmter Aktiengesellschaften aus allen Teilen Deutschlands — gut fundierten Unternehmungen, glänzend fundierten Unternehmungen und solchen, die starke Ausbombungsschäden erlitten haben, also durchaus ein Querschnitt durch die ganzen Aktien — ausgerechnet, daß bei dem weitaus größeren Teil der Aktien diese Belastung pro Jahr nicht etwa 1 DM betragen würde, sondern sogar noch erheblich weniger, nämlich rundherum um 50 Pf. und noch weniger pro Aktie.
Ich biete Ihnen an, meine Herren von den Regierungsparteien, setzen Sie sich doch zusammen, rechnen Sie es sich an Hand des Kurszettels bei den meisten Aktiengesellschaften selbst einmal aus! Ich bin gern bereit, bei dieser Besprechung mit Ihnen mitzurechnen.
— Da winken Sie ab, weil Sie von Demokratie keine Ahnung haben — Demokratie ist Diskussion! —, weil Sie nicht wollen, daß wir einmal mit dem Rechenstift für die einzelnen Aktiengesellschaften, vom Kurszettel vorn angefangen bis zum Schluß, genau
durchrechnen, was dabei an Belastung für diese Aktionäre herauskommt. Wenn Sie das nämlich wirklich durchrechneten, dann würden Sie bestätigt finden, was ich Ihnen eben sagte: Belastungen von 1 DM pro Jahr und sogar noch weit darunter gehend pro Aktie. Das ist so lächerlich gering,
daß man um diese Belastung eine Diskussion
eigentlich gar nicht hätte zu führen brauchen.
Ich habe schon zur zweiten Lesung ausgeführt, daß der Stichtag für die Bewertung der Aktien nicht etwa heute ist, sondern im Jahre 1948 liegt. Damals sind die Aktien — alle Aktien, nicht etwa bloß die meisten — auf einem Kurswert von 10 Mark, 15 Mark, 20 Mark höchstens gestanden. Das war schon das allerhöchste. Diese Kurse werden eingesetzt und nicht etwa die Summen, die die Aktien heute wert sind. Diese Aktien, die damals auf 15 und 17 DM standen, stehen heute auf 170 und auf 240 DM. Ich habe Ihnen dafür schon bei der zweiten Lesung Beispiele gesagt. Man könnte diese Beispiele noch weit vermehren.
Auch wenn Sie den Antrag der SPD annehmen, ist das noch gar nichts an Belastung, eine ganz geringfügige Belastung!)
Es ist sehr schade, daß keine große Fraktion meinen Antrag aufgegriffen hat, nämlich eine eigene Aktiensteuer für die Zwecke des Lastenausgleichs einzuführen,
eine Aktiensteuer, die die ungeheuren Mehrgewinne heranzieht, die von seiten der Großaktionäre bis heute gemacht worden sind. Um nur die Beispiele wieder zu nehmen, die ich Ihnen in der letzten Lesung vorgetragen habe:
Aktien von rund 17 DM Wert im Jahre 1948 sind
heute schon auf 170 oder 240 DM gesteigert. D i e
Gewinne gehörten erfaßt. Der Antrag der SPD zur
Erfassung der Aktien ist ein lächerlich kleiner —
Waisenknabenantrag, möchte ich ihn fast nennen,
gegenüber dem, das wirklich beantragt werden sollte und hätte beantragt werden können, wenn es Ihnen, meine Herren, wirklich darum zu tun gewesen wäre, die Großaktionäre wirksam heranzuziehen.
Zum Schluß noch zu einigen juristischen Einwänden — pseudojuristischen, sage ich!
Von seiten der Regierungskoalition wird immer und immer wieder der Einwand der Doppelbesteuerung erhoben. Doppelbesteuerung ist ja juristisch etwas ganz anderes; eine Doppelbesteuerung liegt hier überhaupt nicht vor. Es handelt sich hier um zwei völlig verschiedene Vermögensträger: auf der einen Seite die Aktiengesellschaft, die juristische Person der Aktiengesellschaft, deren Vermögen zum Lastenausgleich gemäß den Bestimmungen des Gesetzes herangezogen wird, und auf der anderen Seite um Einzelpersonen, die irgendwie eine Aktie im Besitz haben und die sie genau so versteuern müßten, als wenn sie ein anderes Wertpapier, eine Schuldverschreibung oder sonst etwas im Besitz hätten.
Meine Damen und Herren, wir sind gern bereit, —
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— Die Wähler der WAV!
Wir wären gern, bereit, bei einer Berücksichtigung des sogenannten Familienbesitzes mitzumachen durch Einfügung einer Härteklausel, wobei die Definition „Familienbesitz" aber nicht so weit ausgedehnt werden dürfte, daß man die entferntesten Verwandten und geschiedenen Ehefrauen und Urenkel noch heranzieht.
Nein, so geht das nicht. Man hätte dort, wo der Aktienbesitzer mit dem tatsächlichen Inhaber der betreffenden Aktiengesellschaft identisch ist, meinetwegen noch für dessen Ehefrau, für dessen allernächste Verwandte durchaus eine gewisse vernünftige Sonderregelung einbauen können. So aber, wie Sie es wollen, geht es nicht, daß Sie uns mit dem fadenscheinigen Einwand der Doppelbesteuerung entgegentreten,
wo es sich in den allermeisten der in Frage kommenden Fälle um keine Doppelbesteuerung handelt.
Meine Damen und Herren, dieser Paragraph ist mit das Kernstück bei dem ganzen Lastenausgleichsgesetz. Hier wird sich zeigen, wes Geistes Kind
Sie sind. Hier wird sich zeigen, ob Sie Kind eines christlichen Geistes sind oder Kind eines ganz anderen Geistes,
der eine Sonderregelung will zugunsten des großen Mammons, zugunsten des großen Geldsacks der Großaktionäre.