Meine Damen und Herren! Für dieses Gesetz ist die Überschrift „Lastenausgleichsgesetz" völlig falsch; Sie sollten es Lastenvermehrungs Besetz heißen oder so ähnlich. Dieses Gesetz ist eine unerhörte und geradezu ungeheuerlich ungerechte Neubelastung und Mehrbelastung weitester Schichten der Bevölkerung, die bei den heutigen drückenden Steuerlasten schon kaum mehr wissen, wie sie ihren kleinen Betrieb, wie sie ihr Geschäft usw. noch halten und weiterführen können. Dieses Gesetz sucht Milliardenbeträge dort, wo sie nicht mehr gesucht werden dürfen und können: bei den wirtschaftlich Schwachen; diese bringen nach diesem Gesetzentwurf den weitaus größten Teilbetrag auf, der zum Lastenausgleichsfonds zur Verfügung gestellt wird.
— Da täuschen Sie sich aber sehr, Herr Stücklen!
Meine Damen und Herren, ich möchte Ihnen kurz eines mit aller Klarheit herausstellen: Sie haben d i e Kreise belastet, die Sie niemals hätten belasten dürfen, und Sie haben die Kreise geschont, die Sie in weitaus viel größerem Umfang hätten heranziehen können und müssen, nämlich die Kreise der Großaktionäre, die Kreise der Großindustriellen, die Kreise derer, die seit 1948, seit der Währungsreform, unerhörte und unverschämte Gewinne auf Kosten der breiten Volksschichten gemacht haben. D i e haben Sie fast nicht herangezogen, sondern den kleinen Mittelstand; den richten Sie noch vollends zugrunde mit diesem sogenannten Lastenausgleichsgesetz.
Ich habe Ihnen Vorschläge genug gemacht, wo Sie das Geld für einen wirklich umfangreichen Lastenausgleich hätten hernehmen können und müssen.
Wir haben Ihnen schon seit langem, schon bei der ersten Lesung herinnen in diesem Hause gesagt, daß Sie die Großaktionäre hätten heranziehen und ihnen die unerhörten Gewinne hätten nehmen müssen, die sie seit 1948 durch die sensationellen Kurssteigerungen der Aktien an den Börsen gemacht haben.
Das haben Sie alles nicht gemacht. Zuerst wollten Sie die Aktionäre gar nicht heranziehen; dann haben Sie sie mit dem Hälftewert der Aktien herangezogen. Und wie haben Sie sie herangezogen? Mit dem Hälftewert, den die Aktien im Sommer 1948 an der Börse notierten. Das heißt praktisch, daß Sie diese selben Aktien, die heute auf über 200 stehen, zum Lastenausgleich mit einem Kurse heranziehen, der sich ungefähr auf 5 bis 8 pro Aktie beläuft. Diese selben Aktien standen nämlich im Sommer 1948 auf 10 oder 15 das Stück. Mit der Hälfte davon, mit 50 %, also mit 5 bis 8 werden sie herangezogen, noch dazu verteilt auf dreißig Jahre. Die Kursmakler an den Börsen lachen ja bereits
über diese Pseudobelastung der Aktien. Die Börsen haben deswegen auch gar nicht oder so gut wie gar nicht reagiert, als Sie diese halbe Belastung der Aktien vor wenigen Tagen hier beschlossen haben. Die Großaktionäre werden die unerhörten Gewinne, die sie gemacht haben, beibehalten dürfen.
Dasselbe gilt für die riesigen Exportgewinne der Großindustrien. Auch hier werden dadurch, daß Sie den Stichtag vom Sommer 1948 statt jetzt vom Frühjahr 1952 genommen haben, alle die von diesen Herrschaften erzielten Riesengewinne weiterhin konserviert. Das, was die zum Lastenausgleich abgeben müssen, ist ein Butterbrot und nichts anderes. Das, was jedoch der Mittelstand abgeben muß, wird zu großen Teilen seine Existenz gefährden, zu weiteren Teilen sogar vernichten.
Und was bekommen die Heimatvertriebenen? Oder was bekommen die einheimischen Ausgebombten und Kriegsgeschädigten, von denen leider so wenig gesprochen wird? So gut wie nichts! Eine Phantasmagorie hat man ihnen vorgemacht. Auf dreißig Jahre hinaus sollen sie etwas bekommen, zur Zeit aber nichts oder so gut wie nichts.
Und was ist aus der Hausrathilfe geworden? Mit den Sätzen, die Sie ihnen als Hausrathilfe zugebilligt haben, können sich die Kriegsgeschädigten und Heimatvertriebenen, wie ich schon das letzte Mal hier herinnen ausgeführt habe, nicht einmal ein einziges Zimmer einrichten, geschweige denn sich wieder eine Existenz gründen.
Die Sätze, die Sie auf Grund dieses Pseudolastenausgleichsgesetzes geben, sind nicht viel mehr als eine Wohlfahrtsunterstützung, sind nichts anderes als ein paar Bettelpfennige, die man den Ärmsten der Armen hinwirft, damit sie weiterhin zusehen können, wie auf der anderen Seite Riesengewinne eingescheffelt werden.
Warum schweigt man denn beharrlich davon, daß es gerade die Millionen der Heimatvertriebenen und auch der einheimischen Kriegsgeschädigten waren, die durch ihre mühselige Arbeit und ihre Entbehrungen seit 1945 es der Großindustrie und den Großaktionären erst ermöglicht haben,
heute wiederum so unerhörte Gewinne für ihre Unternehmungen zu machen?
— Ich muß hier feststellen, Herr Präsident, daß ein fraktionsloser Redner heute 15 Minuten Redezeit bewilligt bekommen hat und daß es schon deshalb der Gerechtigkeit entspricht, daß ich ebenfalls 15 Minuten erhalte.