Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In Anbetracht der kurzen Redezeit nur folgende Bemerkungen: Diejenigen, die nach diesem Gesetz etwas abgeben sollen, erklären, daß die Funktionsfähigkeit der deutschen Wirtschaft ernstlich in Frage gestellt sei, wenn der derzeitige Entwurf hinsichtlich der Abgabenhöhe wesentlich geändert würde. Die Millionenzahl der Geschädigten dagegen erklärt, daß von einem Lastenausgleich nicht gesprochen werden könne, daß man vor allen Dingen von einer wirksamen Eingliederung überhaupt nicht reden könne. Ich hoffe, daß der vorliegende Gesetzentwurf in der dritten Lesung — die entsprechenden Anträge dazu liegen vor — noch einige Änderungen erfahren wird, die sich vor allen Dingen auf die Aufkommensseite günstig auswirken müssen.
Ich glaube, man kann weiter sagen, daß es einer der größten bisher gemachten Fehler war, daß das Lastenausgleichsgesetz nicht gleichzeitig mit dem Währungsgesetz verkündet wurde, wozu die entsprechenden Entwürfe und Möglichkeiten damals bestanden. Es besteht beinahe der Eindruck, daß die Alliierten es damals nicht wollten, um einen zweckmäßigen Grund für eine dauernde Spaltung im deutschen Volk zu erhalten und offenzulassen.
Im einzelnen folgendes: Die erhöhten Jahresabgabesätze wurden in der zweiten Lesung abgelehnt. Ich hoffe, daß sich das durch die entsprechenden Anträge in der dritten Lesung noch ändern wird. Es gibt ja die Möglichkeit, daß derjenige, der den erhöhten Betrag nicht aufbringen kann, freigestellt wird; es gibt aber auf der andern Seite — auch das muß einmal gesagt werden — in Deutschland ganz erheblich viel Geld, und die ständig steigende Zahl deutscher und amerikanischer Luxusautomobile beweist das durchaus.
Wir sind darüber hinaus der Auffassung, daß Versprechungen, auf die sich Herr Kunze in seinem Bericht bezieht, die der Wirtschaftsrat irgendwann einmal gemacht haben soll, für den Deutschen Bundestag keinerlei verbindliche Wirkungen haben. Darüber hinaus, wie Landwirtschaften mit einem Betrag von 15 000 DM begründet werden sollen, ist bisher noch nicht gesagt worden, und wir hoffen, daß in der nun anstehenden Lesung die 15 000-
Mark-Grenze dahin geändert wird, daß auch höhere Beträge für die so besonders dringliche Seßhaftmachung ostvertriebener Landwirte bereitgestellt werden können.
Zu § 315 sagte die Sozialdemokratie, daß eine Heranziehung der öffentlichen Hand im vorgesehenen Umfang nichts anderes als eine Abwälzung des Lastenausgleichs auf den Steuerzahler sei. Das mag in gewissem Umfang zutreffen; aber es träfe nicht zu, wenn einmal bei der öffentlichen Hand angefangen würde, gewisse Auswüchse des Apparats einzudämmen. Ich erinnere mich an eine Rede, die Herr Professor Höpker-Aschoff hier vor etwa einem Jahr in diesem Hause gehalten hat, worin er uns nachwies — und er ist sicher ein guter Fachkenner —, daß allein eine Umstellung unserer Finanzverwaltung einen Einsparungsbetrag erbringen könnte, der wesentlich höher als der von
der öffentlichen Hand im Augenblick geforderte Betrag liegt.
Man hat es Herrn Dr. Kather zum Vorwurf gemacht, daß die Versammlung auf dem Bonner Marktplatz unter dem Motto stand: „Ohne Lastenausgleich kein Verteidigungsbeitrag". Diese These ist in ihrem Kern sicherlich richtig; denn wenn jemand etwas verteidigen soll, dann muß er erst einmal etwas haben, was wert ist, von ihm verteidigt zu werden.
— Herr Dr. Becker, ich habe auch ein Vaterland; aber es gehört etwas mehr dazu, wenn man für die Verteidigung von irgend etwas schießen soll, als eine Pseudofreiheit à la Generalvertrag zu verteidigen und ansonsten nur einen Strohsack zu haben, eine löcherige Baracke und eine abgetragene umgefärbte Wehrmachtuniform! Das ist bei zahlreichen Vertriebenen leider Gottes heute noch der Fall.
Sicher, ein Lastenausgleich, eine Vertriebeneneingliederung ohne eine entsprechende Sicherung wären wertlos. Aber 11,25 Milliarden sollen wir für Verteidigungszwecke ausgeben. 6,4 Milliarden sollen davon für die luxuriösen Bedürfnisse der Besatzungsmächte und künftigen „Verbündeten" verwendet werden. Diesen sei aber eines gesagt: Wenn sie hier in Deutschland stationiert sind, dann verteidigen sie nicht uns — wir haben sowieso das denkbar geringste Zutrauen zu ihnen —, sondern sich selbst, und sie haben dafür selbst zu bezahlen. Wenn wir die Milliarden, die für die Alliierten vorgesehen sind — ich spreche nicht von den Milliarden aus den 11,25 Milliarden, die für den deutschen Anteil vorgesehen sind —, die Milliarden, die für die überflüssigen Ausgaben der Alliierten vorgesehen sind, zur Erhöhung des Lastenausgleichsstocks verwenden würden, dann kämen wir auf einen Betrag, mit dem sich sicherlich sehr viel anfangen ließe. Man könnte zumindest in den ersten Jahren bei der so dringend notwendigen wirtschaftlichen Eingliederung der Vertriebenen das leisten, was die Vertriebenen erwarten. Und daß diese Gelder aufgebracht werden können, dafür hat ja Herr Finanzminister Schäffer gutgesagt.
— Bitte?
— Es ist keine Demagogie, Herr Gerstenmaier, wenn ich hier erkläre, daß es für die gesamte Verteidigung des Westens wesentlicher ist, daß die Vertriebenen, die hier eingegliedert werden sollen, wissen, warum und wofür sie hier sich für irgendeine Verteidigung einsetzen sollen. Dafür sehen sie aber, daß alliierte Unteroffiziere in riesenhaften Villen wohnen, die der deutsche Steuerzahler bezahlen kann, der deswegen nicht die Möglichkeit hat, die nun einmal erforderliche Wirtschaftshilfe denen zu geben, die die eigene Kraft nicht dazu haben, sich hier eine neue Existenz aufzubauen.
Die vorliegende Fassung des Gesetzes über den Lastenausgleich verdient diesen Namen unseres Erachtens
— ich bin gleich fertig — nicht ganz. Meine Damen und Herren, nicht durch Novellen, sondern
nur durch sofortige Maßnahmen kann einer drohenden Radikalisierung gesteuert werden. 1932 waren es die Arbeitslosen, die das Gefüge des Staates ins Wanken gebracht haben, und wir wollen nicht hoffen, daß die Vertriebenen, denen fünf Jahre lang Versprechungen am laufenden Band gemacht worden sind, in eine ähnliche Lage gedrückt werden, in der die Arbeitslosen von 1932 gewirkt haben. Bisher haben sich die Vertriebenen gegenüber den Sirenenklängen des Kommunismus noch als absolut immun erwiesen. Dies sollte man auch dem Ausland sagen — und da möchte ich noch mit einem Satz auf das kommen, was Herr Minister Lukaschek eben angesprochen hat —, wenn es darum geht, vom Ausland eine Hilfe für die Eingliederung unserer Vertriebenen zu erbitten, in diesem Falle vom westlichen Ausland, das — hier wird so viel über den Kreml im Zusammenhang mit den Vertriebenen geredet — für die Vertreibung und für die Existenz der Oder-Neiße-Linie — meine Damen und Herren, erinnern Sie sich! — zumindest genau so verantwortlich ist.