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ID0121105900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 211. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1952 9255 211. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1952 Geschäftliche Mitteilungen . . . . 9256B, 9262C Eintritt des Abg. Moosdorf in den Bundestag 9256C Begrüßung des Abg. Bazille nach seiner Genesung 9256C Austritt des Abg. Wittmann aus der Fraktion der DP/DPB 9256C Einspruch des Abg. Loritz gegen den ihm in der 210. Sitzung erteilten Ordnungsruf (Umdruck Nr. 520) 9256C, 9258B Beschlußfassung 9258C Ausscheiden des Abg. Dr. Schäfer aus der deutschen Delegation zur Beratenden Versammlung des Europarats und Zuwahl des Abg. Dr. Freiherrn von Rechenberg 9256D, 9262C Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz zur Änderung des Zollgesetzes und der Verbrauchsteuergesetze 9256D Gesetz über die Aufhebung einiger Polizeiverordnungen auf dem Gebiet des Verkehrs mit Arzneimitteln 9256D Gesetz über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952 9257A Bericht des Bundesministers der Justiz über die Angelegenheit des tschechoslowakischen Staatsangehörigen Frantisek Kroupa (Nr. 3368 der Drucksachen) 9257A Bericht des Bundeskanzlers über den Ausbau der Bundesstraßen 51 und 54 (Nr. 3357 der Drucksachen) 9257A Bericht des Bundeskanzlers über das Freiburger Flugplatzprojekt (Nr. 3358 der Drucksachen) 9257A Zwischenbericht des Bundeskanzlers über die Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten (Nr. 3359 der Drucksachen) 9257A Ergänzende Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit zur Anfrage Nr. 231 der Fraktion der SPD betr. Möglichkeiten der Einberufung einer europäischen Regionalkonferenz der Internationalen Arbeitsorganisation (Nrn. 2826, 2895, 3046, 3366 der Drucksachen) 9257A Kleine Anfrage Nr. 260 der Fraktion der CDU/CSU betr. Maßnahmen gegen Besatzungsnotstände in Bad Oeynhausen (Nrn. 3299, 3367 der Drucksachen) . . . . 9257B Kleine Anfrage Nr. 263 der Abg. Dr. Dr. Nöll von der Nahmer u. Gen. betr. Wertpapierbereinigung (Nrn. 3309, 3361 der Drucksachen) 9257B Zur Tagesordnung 9257B Antrag der Gruppe der KPD auf Aufsetzung eines Antrags auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses betr. Überprüfung der Vorgänge in Essen am 11. Mai 1952 auf die Tagesordnung . 9257C Renner (KPD) 9257C Unterbrechung der Sitzung . . . 9258B Widerspruch gegen Aufsetzung 9258B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufnahme eines Kredits durch den Bund im Rahmen der von den Vereinigten Staaten gewährten Wirtschaftshilfe (Nr. 3333 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) (Nr. 3345 der Drucksachen) 9258C Dr. Semler (CSU), Berichterstatter . 9258C Wehner (SPD) ' 9259C Abstimmungen 9259C, 9260A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die einstweilige Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln (Teuerungszulagengesetz) (Teuerungszulagenänderungsgesetz — TZAndG —) (Nr. 3217 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (21. Ausschuß) (Nr. 3337 der Drucksachen) 9260A Meyer (Hagen) (SPD), Berichterstatter 9260B Abstimmungen 9261B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Änderung der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) (Nr. 3354 der Drucksachen) 9261C Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 9261C Beschlußfassung 9262B Unterbrechung der Sitzung . . . 9262C Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über einen Allgemeinen Lastenausgleich (Nr. 1800, z u 1800, 3300, z u 3300 der Drucksachen, Umdruck Nr. 490); Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung (Umdruck Nr. 515; Änderungsanträge Umdrucke Nrn. 516 bis 519, 521 bis 534) 9262D Zur Geschäftsordnung: Schütz (CSU) 9262D Unterbrechungen der Sitzung . . 9262D Allgemeine Beratung: Ollenhauer (SPD) 9263A Kriedemann (SPD) 9265D, 9292B Kunze (SPD) 9269A Schütz (CSU) .9271B Dr. Kather (CDU) 9273D Dr. Keller (Fraktionslos) 9275D Rische (KPD) 9277C Dr. Atzenroth (FDP) 9280A Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 9281A Dr. Lukaschek, Bundesminister für Vertriebene 9283A von Thadden (Fraktionslos) 9284C Dr. Reismann (FU) 9285D Loritz (Fraktionslos) 9288C Farke (DP) 9290B Dr. Ott (DP-Gast) 9291B Weiterberatung vertagt 9292C Ausschluß des Abg. Renner für 20 Sitzungstage 9292C Nächste Sitzung 9292D Die Sitzung wird um 9 Uhr 5 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schon einmal stand das Parlament unseres deutschen Volkes vor einer Lage, die der heutigen ähnlich ist — der Präsident des damaligen Reichstages sitzt ja noch unter uns —, als im Hochsommer 1925 von dem Deutschen Reichstag die Aufwertungsgesetzgebung beschlossen werden mußte. Während der schweren Ausschußverhandlungen habe ich manchmal nächtlicherweile die Protokolle gelesen. Auch die damaligen Kollegen, wenn ich so sagen darf, hatten oft die Sorge, ob die damaligen Probleme überhaupt lösbar seien. Oft scheinen gute, berühmte Männer, auch der Bürokratie, an der Aufgabe zu verzweifeln. Das Gesetz ist dann schließlich doch zustande gekommen. Aber die gestellte Aufgabe ist damals leider nur sehr unvollkommen gelöst worden. Viele enttäuschte Sparer verloren den Glauben an die Demokratie und an die Weimarer Verfassung. Die Söhne dieser enteigneten Familien sind dann in die braunen Bataillone gegangen und haben mitgeholfen, den 30. Januar 1933 herbeizuführen. Ein gnädiges Geschick möge uns vor einer Wiederholung einer solchen Entwicklung bewahren!
    In dieser Stunde müssen wir ruhig und sachlich das Pro und das Kontra der Vorlage prüfen, so wie sie jetzt für die dritte Lesung vorliegt und voraussichtlich Gesetz werden wird. Es ist leicht, draußen unsere Arbeit zu kritisieren. Es ist leicht, scheinbar selbstverständliche Forderungen zu erheben, die leider anderen, die zustimmen müssen, nicht selbstverständlich sind. Ich gebe Herrn Kollegen Kriedemann recht: es ist schon ein Unterschied, ob man ein solches Problem in der Stille der Studierstube löst oder hier steht und sich im Vordergrund aller Erwägungen immer die Frage erhebt: Wie bekomme ich eine Mehrheit, welche Ideen haben Aussicht, daß andere mitziehen? Das ist die Schwierigkeit, die auch von unseren Mitbürgern draußen gesehen werden muß. Wir müssen uns alle darüber klar sein — und ich glaube, meine Freunde haben es auch im Ausschuß bewiesen —, daß wir eben Kompromisse schließen und uns zusammenfinden müssen, um eine tragbare Basis für das Gesetz zu bekommen.
    In meiner Fraktion sind viele Kollegen in Sorge, ob dieses Gesetz durchzuführen und ob es volkswirtschaftlich und vom Standpunkt der Geschädigten aus einigermaßen vertretbar ist. Die Einwendungen gegen das Gesetz — um damit anzufangen — liegen auf der Hand. Zunächst die lange
    Laufzeit von 30 Jahren! Ich gehe noch einmal in die Vergangenheit, in das Jahr 1925, zurück. Die damals ausgegebene Altbesitzanleihe des Reiches lief auch 30 Jahre. In drei Jahren — 1955 — hätte sie abgelaufen sein sollen. Was ist aus dieser Altbesitzanleihe geworden, aus jenem Versuch, das riesenhafte Unrecht der Inflation etwas zu mäßigen! Bei einer solch langen Laufzeit weiß niemand, wie sich der Tauschwert der Währung entwickeln wird. Für die Auswirkung des Gesetzes ist es sehr wesentlich, ob der Tauschwert bleibt, wie er heute ist, ob er sich womöglich steigert oder ob er weiter sinkt. Dadurch kann das Gesetz in seinen Auswirkungen vollständig geändert werden. Ein weiterer großer Einwand ist die Unzulänglichkeit der Entschädigungsleistungen, die wir ja hier oft diskutiert haben und die uns besonders kraß beim Hausrat entgegentritt, also gerade der Entschädigung, die für die Masse der Betroffenen die entscheidende ist. In einer großen Anzahl von Punkten fühlt sich das dem Menschen angeborene Rechtsgefühl verletzt. Wie soll man es draußen verteidigen, wenn der Hauseigentümer seine Hypothekenschuld nicht mit seinen Geldverlusten bei der Währungsreform kompensieren kann, während umgekehrt bei der Kreditgewinnabgabe diese Saldierungsmöglichkeiten in großem Umfang gewährt werden. Ein weiteres Problem, das uns ja gerade auch in der zweiten Lesung viel Sorge gemacht hat, ist der § 38, die Saldierung der Verluste mit erhalten gebliebenem Vermögen. Der Mann draußen, der vielleicht ein Vielfaches des geretteten Vermögens im Bombenhagel oder als Ostflüchtling verloren hat, versteht es nicht recht, wenn er nun von dem Rest seines Vermögens noch eine Abgabe leisten muß und nur in bescheidenem Umfang Abgabeerleichterungen bekommt, die aber nachher wieder auf seine Entschädigung angerechnet werden. Wir wissen, daß dieser Regelung ein bestimmtes System zugrunde liegt, das schon die Regierungsvorlage enthielt und das wir auch während der Ausschußberatungen nicht mehr einfach ändern konnten. Diese Regelung belastet das ganze Gesetz und steht auf der negativen Seite.
    Aber neben diesen negativen Punkten, die klar herausgestellt werden müssen, stehen doch unzweifelhaft positive. Denjenigen, die abgeben müssen, kann man klar und deutlich nachweisen, daß gegenüber der Abgabenregelung im Soforthilfegesetz eine gerechtere Bemessung der Abgaben erfolgt ist, insbesondere dadurch, daß der Schuldenabzug zugelassen wird. Als zweiter Pluspunkt ist zu erwähnen, was schon Herr Kollege Atzenroth angedeutet hat: jetzt kommt wenigstens eine Heranziehung der Währungsgewinne! Die Tatsache, daß bei der Währungsreform 1948 große Gewinne gemacht worden sind, belastet das Rechtsgefühl jedes einzelnen von uns. Hier wird nun, wenn auch in einem durch die volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten eingeschränkten Umfang, zugegriffen.
    Nun zur Entschädigungsseite. Gering sind die Hausratentschädigungen; aber sie sind doch sehr viel besser, als sie bisher waren. Das ist immerhin etwas, was erreicht worden ist.
    Wir schätzen es hoch ein, daß wir jetzt wenigstens einen klaren Rechtsanspruch auf die Hauptentschädigung haben, diese Hauptentschädigung, die sicherlich nicht, wie es, glaube ich, hier angedeutet worden ist, als Ausfluß einer kapitalistischen Haltung bezeichnet werden kann. Ach, meine Damen und Herren, lesen Sie doch die Prozentsätze der Entschädigung im § 269! Vielleicht wäre es


    (Dr. Dr. Nöll von der Nahmer)

    besser gewesen, man hätte im § 269 nicht gesagt, wieviel Prozent noch entschädigt werden, sondern hätte umgekehrt gesagt, daß die großen Vermögen zu 98 % enteignet bleiben und nicht entschädigt werden.

    (Sehr richtig! rechts.)

    So sehen doch die Zahlen praktisch aus. Aber es ist wenigstens der Wille dokumentiert, den Rechtsanspruch zu gewähren und im Rahmen des Möglichen hier zu entschädigen.
    Wir halten es endlich für begrüßenswert, daß sich gerade auf dem Gebiete des Wohnungsbaus demjenigen, der sein Haus verloren hat, wieder eine gewisse Aussicht eröffnet, daß er auch Darlehen bekommt und auch wieder zu einem Eigenheim gelangen kann. Die entsprechenden Bestimmungen sind ja gerade in der zweiten Lesung eingeführt. An Stelle der bisherigen Ruinen soll wieder neues Hauseigentum entstehen.
    Wenn man so das Pro und Kontra abwägt, kommt man leider noch nicht zu einem zuverlässigen Ergebnis, weil wir noch mit einer Reihe von Unbekannten rechnen müssen, die für die Auswirkung und die Beurteilung des Gesetzes von schlechthin entscheidender Bedeutung sind. Da ist einmal das Problem der Vorfinanzierung. Es ist dazu schon von anderer Seite gesprochen worden; ich brauche hierzu nichts mehr zu sagen. Es ist ausschlaggebend, ob eine Vorfinanzierung in einem volkswirtschaftlich vertretbaren Ausmaß gelingt oder ob wir auf die unzulänglichen Mittel gerade jetzt in den entscheidenden Anfangsjahren angewiesen bleiben. Leider war es nicht mehr möglich, etwa beabsichtigte Novellen zu § 7 d des Einkommensteuergesetzes schon jetzt hier vorzulegen.
    Dann soll man eines nicht unterschätzen. Man soll früher gesagt haben, in Preußen seien die Gesetze schlecht, aber die Verwaltung gut, und das sei praktisch das Wesentlichere. Ich komme auch auf Grund meiner parlamentarischen Erfahrungen immer mehr zu der Überzeugung, daß die Auswirkung der Gesetze weitgehend von der Verwaltung abhängt, die die Gesetze durchführt. Diesen Punkt soll man nicht gering schätzen. Einer meiner Fraktionskollegen, der besonders sorgfältig arbeitet, hat sich die Mühe gemacht, festzustellen, daß in dem Buch, das dieses Gesetz darstellt, nicht weniger als 51 Rechtsverordnungen vorbehalten sind.

    (Hört! Hört!)

    Ich freue mich für unseren juristischen Nachwuchs, der später in den Ministerien sitzen und der jedenfalls ein großes Betätigungsfeld finden wird.

    (Abg. Seuffert: Wieviel Novellen haben Sie sich dazu vorbehalten?)

    — Das ist eine andere Frage, Herr Kollege Seuffert!

    (Abg. Mayer [Stuttgart] : Auf die kommt es dann auch nicht mehr an, Herr Kollege!)

    Es ist weiter entscheidend, ob es gelingen wird, die Veranlagung der neuen Abgaben möglichst rasch durchzuziehen. Hier sind Sorgen am Platze. Wir wissen, daß unsere Finanzämter jetzt schon überlastet sind. Die neuen Abgaben müssen so rasch wie möglich veranlagt werden, damit die Gelder dann auch eingehen. Wir haben hier die Bitte an die Bundesfinanzverwaltung, zusammen mit den Länderfinanzverwaltungen alles zu tun, was möglich ist, um die Finanzämter in die Lage zu versetzen, diese Aufgaben durchzuführen.
    Endlich ein Wort der Sorge an die vierzig oder fünfzig Männer in Deutschland, die als Länderminister praktisch die Mehrheit des Bundesrats darstellen und die nun nach der Verfassung innerhalb von zwei Wochen zu diesem von uns beschlossenen Gesetz Stellung nehmen müssen.

    (Zuruf rechts: Zustimmen müssen!)

    — Sie müssen zustimmen, jawohl. Wir können hier nur den Appell an diese Männer richten — die ja doch auch, wie wir, meistens Parlamentarier sind — und sie bitten, sich der Tatsache bewußt zu sein, daß es hier um grundsätzliche politische Fragen des ganzen deutschen Volkes geht. Niemand nimmt diesen Männern übel und niemand verwehrt ihnen ihr gutes Recht, wenn sie die unmittelbaren Landesinteressen im Bundesrat wahrnehmen und vertreten. Dafür ist der Bundesrat da. Aber wir haben Sorgen, wenn der Bundesrat seine bisherige Politik weiter fortsetzt und über die Wahrnehmung der unmittelbaren Länderaufgaben hinaus immer mehr und mehr Einfluß auf die allgemeine Bundespolitik ausübt. Auf der einen Seite stehen etwa fünfzig Länderminister und auf der anderen die 402 gewählten Abgeordneten ,des Volkes. Die Machtbefugnisse scheinen doch wohl in der Praxis nicht ganz klar ausbalanciert zu sein! Wir haben nur die Bitte und den Wunsch an die verantwortlichen Länderminister, daß sie bei den Bundesratsverhandlungen alles tun, um dieses Gesetz so rasch wie möglich — —

    (Abg. Seuffert: Schieben Sie doch nicht immer auf andere die Verantwortung!)

    — Ja, Herr Kollege Seuffert, — —

    (Abg. Seuffert: Tun Sie doch etwas dafür!)

    — Das heißt nicht, daß wir die Verantwortung abschieben wollen. Sie können doch nicht leugnen, daß diese Männer nach der Verfassung zu diesem Gesetz Stellung nehmen und zustimmen müssen

    (Abg. Seuffert: Wirklich?)

    und daß wir ohne die Mitarbeit dieser Männer gar nichts erreichen können.

    (Abg. Seuffert: Das hätten Sie schon lange überlegen sollen!)

    Wenn dieses Gesetz in Kraft treten wird — und hoffentlich sehr bald —, werden wir auch für unsere deutsche Volkswirtschaft ganz allgemein von diesem Gesetz weitere Auftriebskräfte erwarten können und dürfen. Je mehr wir die Geschädigten wieder eingliedern, je mehr neue Unternehmungen entstehen, je mehr auch das Gefühl wächst, daß hier versucht worden ist 'zu helfen, und je mehr das bedrückende Gefühl schwindet, daß keinerlei berechtigte Wünsche erfüllt sind, desto mehr können wir hoffen, daß die Produktivität und die Arbeitskraft unseres Volkes vermehrt werden und daß wir damit auch durch dieses Gesetz, so unvollkommen es ist, wieder einen Schritt vorwärtskommen.
    Wir haben eine Erbschaft übernommen, über deren Schwere wir uns täglich mehr klarwerden müssen. Die über uns hereingebrochene Katastrophe ist nicht rasch zu überwinden. Das wird Zeit erfordern und eine ungeheure, ständig steigende Kraftanstrengung nötig machen. Aber ich glaube mit meinen Freunden, daß dieses Gesetz trotz aller Mängel bei einem Vergleich der negativen und positiven Punkte doch positiv zu bewerten ist und daß es auf die Dauer auch eine gute Auswirkung innerhalb unserer gesamten Volkswirtschaft und in unserem gesamten Volkskörper zeitigen wird.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)




Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Vertriebene.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus beginnt mit der dritten Beratung des Lastenausgleichsgesetzes. Alle Parteien sind sich der ganz großen Tragweite dieses Gesetzes für die Bundesrepublik und für die Vertriebenen bewußt. Darüber brauche ich kein Wort zu sagen. Ich will vom Standpunkt der Vertriebenen, aber auch vom Standpunkt der Bundesrepublik sprechen. Wir Vertriebenen sind hier und haben aus dem Osten, aus Ostdeutschland, alle unsere Traditionen mitgebracht. Da möchte ich vorausschicken, daß die höchste Tradition und das höchste Lob für die Bewohner Ostdeutschlands war, daß sie durch sieben Jahrhunderte Deutschland decken konnten, so daß Deutschland und besonders der Westen ihre Kultur in Ruhe aufbauen konnten. Wenn wir nun hierher gekommen sind, dann ist für uns die einzige Möglichkeit des Lebens, daß die Bundesrepublik von uns mit aufgebaut wird. Denn ohne den Aufbau der Bundesrepublik und der deutschen Wirtschaft gibt es auch kein Leben für die Vertriebenen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Dazu gehört auch die Übernahme all der Traditionspflichten, die wir von Hause mitgebracht haben, einschließlich der Verteidigungspflicht.
    Ich möchte weiter ein Wort zu dem Junktim sagen, das hier herumgaukelt. Es gibt für uns kein Junktim der Art, daß etwa die Vorwegnahme des Lastenausgleichs eine Bedingung für die Annahme einer Verteidigungspflicht wäre. Es ist nur ein sachliches Junktim vorhanden. Denn wenn die Heimatvertriebenen nicht in sozialer Beziehung wieder dazu in die Lage versetzt werden — wenn sie nichts zu essen haben —, dann ist praktisch an eine Verteidigung in genügendem Umfang nicht zu denken. Insoweit besteht ein Junktim, nicht aber in einem andern Sinne.
    Die große Frage ist nun: Ist dieses Gesetz so, wie es vorliegt, geeignet, eine Befriedigung zu bringen? Es ist von mir bekannt, daß ich stets darauf hingewiesen habe, daß es nicht befriedigend sei. Ich glaube, es gibt keine Seite dieses Hauses, die nicht in irgendeiner, dieser oder jener Beziehung auch sagt: Es ist nicht befriedigend! — Aber die Zeit, in der wir leben, erlaubt uns nicht, aus diesem, Unbefriedigtsein die radikale Forderung zu ziehen. Wir müssen prüfen, welche Lösung die befriedigendere ist und ob nicht die jetzt vorliegende Lösung überhaupt für uns eine Notwendigkeit bedeutet, sie anzunehmen.
    Unbefriedigend ist, wie Sie wissen, zunächst einmal das nicht genügende Aufkommen, daß insbesondere nicht genug übrig bleibt, um das Wichtigste dieses Lastenausgleichsgesetzes, nämlich den Existenzaufbau für die Vertriebenen, zu ermöglichen. Denn die optimal bei dieser Situation bleibenden 650 Millionen DM sind eben ganz ungenügend. Wir brauchten anderthalb Milliarden DM.
    Aber eines ist das Große an diesem Gesetz: daß von keiner Seite dieses Hauses und auch von keiner Seite der Bevölkerung die Notwendigkeit des Lastenausgleichs bestritten wird. Das ist vor zwei Jahren noch nicht so klar ausgesprochen worden, und das müssen wir hier hervorheben. Bei dem Streit, der geführt wird, handelt es sich doch nur um die Grenzen dessen, was wirtschaftlich als Belastung möglich ist. Diese Grenzen heute mit ganz klarer Sicht zu zeichnen, ist sehr, sehr schwer, wahrscheinlich unmöglich. Deshalb kann man( daraus nur die Folgerung ziehen, daß wir erst aus der Erfahrung sehen müssen, inwieweit man die Belastung heraufsetzen kann. Es ist doch wirklich ein allererster Versuch, der in dieser Beziehung in der Welt gemacht wird. Gewiß, ich kenne Finnland und ich kenne die finnischen Lösungen. Ich verhehle nicht, daß wir mit ganz großer Ehrfurcht und mit ganz großen Gewissenserforschungen an diese Dinge herangegangen sind.

    (Na, na! bei der SPD.)

    Aber vergessen Sie hierbei nicht: als Finnland diese Gesetze schuf, schuf es sie in dem großen nationalen Schock und in einer Zeit, in der dort ein staatlicher Zusammenhang vorhanden war, und gerade diesen hatten wir in den Jahren 1945 bis 1949 eben nicht. Alles andere will ich nicht nennen, auch nicht, daß in Finnland eine etwas glückselige Inflation zu Hilfe kam.

    (Abg. Schütz: Dort leben 40 Menschen auf einem Quadratkilometer, bei uns 200!)

    — Die Bodenfrage, alles das will ich nicht anführen. Lassen Sie mich nur sagen, daß die finnische Delegation, die kürzlich hier war, uns gegenüber ihre absolute Anerkennung geäußert und den Hut vor der großen Leistung gezogen hat, die die Bundesrepublik bisher fertiggebracht hat.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Die Finnen sind also viel, viel ehrlicher und viel, viel anerkennender als wir. Aber um so mehr müssen wir für die Zukunft daraus lernen.
    Wenn wir also das Negative des Entwurfs betrachten, so stoßen wir darauf, daß zu wenig für die produktive Eingliederung und für den Hausrat getan wird, daß eine zu lange Laufzeit vorgesehen, daß der allgemeine Unsicherheitsfaktor darin enthalten ist und daß nur für einen ganz geringen Bruchteil des verlorenen Vermögens Ersatz geleistet wird; denn es ist wirklich nur ein ganz geringer Bruchteil, der außerdem erst nach Jahren zur Auszahlung kommt.
    Wenn ich mir demgegenüber nun aber das Positive des Entwurfs ansehe, so sehe ich erstens einmal die Sicherung der Unterhaltshilfe über die gegenwärtigen Sätze hinaus, zweitens die Aufstockung der Entschädigungsrente, drittens die Verstärkung der Hausrathilfe, ferner die Verrechnung von Existenzaufbaudarlehen auf die Hauptentschädigung, dann den Zahlungsbeginn für die Sparguthaben und auch den Härtefonds für die Sowjetzonenflüchtlinge. Sie wissen, meine Damen und Herren, die Sowjetzone mit diesem Problem liegt uns außerordentlich am Herzen. Die ständig träufelnde Wunde der grünen Grenze und das Hereinkommen von im Augenblick gegenüber unseren Heimatvertriebenen noch schwerer Leidenden, ist für uns ein ganz großes Problem. Wir haben auch beim Lastenausgleich sehr darüber debattiert, ob wir eine ähnliche Regelung für die Sowjetzonenflüchtlinge einsetzen müßten oder könnten. Das hat sich jedoch auf Grund der politischen und der sonstigen Dinge, die dazwischengekommen sind, nicht machen lassen.
    Nun, meine Damen und Herren, komme ich zu dem Ziele, Sie herzlich zu bitten: Nehmen Sie dieses Gesetz mit möglichster Beschleunigung an; dann ist eine Grundlage für das Weitere geschaffen. Die Bundesregierung hat von Novellen gesprochen. Ich nehme das Wort vollinhaltlich auf, und ich kann es, weil sich alle Fraktionen — besonders die der Koalitionsparteien — darüber klar waren, daß hier


    (Bundesminister Dr. Lukaschek)

    mit Novellen gearbeitet werden muß. Herr Seuffert , Sie sagten, es ginge schon ins Romanhafte. Sehr verehrter Herr Seuffert, ich liebe einen Roman noch mehr als eine Novelle, insbesondere wenn er den Titel „Soll und Haben" aus schlesischer Erinnerung trägt.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es muß der ernsthafte Wille vorhanden sein, und er ist vorhanden, wie ich aus allen Gesprächen weiß.
    Hier lassen Sie mich bitte eine ganz, ganz herzliche Bitte an die Opposition richten! Ich stehe nicht an, zu erklären, daß ich alle Veranlassung habe, für die hilfreiche Unterstützung der Sozialdemokratischen Partei in allen Angelegenheiten der Vertriebenen zu danken.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Das erkenne ich gern an, und ich werde es immer gern öffentlich anerkennen! Aber nun bitte ich Sie: Bringen Sie auch einmal Opfer um der Sache willen; denn es ist eine Sache, die einer ganz großen Mehrheit bedarf, nämlich dieses Riesengesetz dem deutschen Volke vorzulegen. Denken Sie an die Autorität, die der Bundestag dann — Sie haben ja die Gefahren, die beim Bundesrat und beim Verfassungsgericht drohen, in zweiter Lesung genügend vorgeführt — gegenüber dem Bundesrat hat; ich glaube, dann kann der Bundesrat das Gesetz trotz mancher Erwägungen nicht ablehnen. Es i s t notwendig, daß dieses Gesetz möglichst bald angenommen wird, denn wenn wir es durch Monate hindurch treiben lassen, wissen wir nicht, was daraus wird. Wir brauchen aber huh_ und einen Abschluß, und wir brauchen das Gesetz schon, um die notwendige Vorfinanzierung zu sichern. Eine Vorfinanzierung bekommen wir doch überhaupt nicht, wenn nur Hoffnungen bestehen; die bekommen wir im Inland erst, wenn eine ganz sichere Basis für die Ermächtigung zu der Anleihe von 5 Milliarden DM gegeben ist.

    (Sehr richtig! bei den Regierungsparteien.) Vom Ausland ist überhaupt erst zu sprechen, wenn eine Sicherung da ist.

    Unter diesen Umständen ist es sehr, sehr viel besser, heute nicht das Minus zu sehen, sondern das Plus zu sehen und anzunehmen. Ich möchte noch einmal darauf hinweisen: Dieses Gesetz und der Wille des Bundestags und des Volkes, überhaupt einen Lastenausgleich zu gewähren, ist das Große. Man sollte es nicht an den Grenzen, an dem Minus, scheitern lassen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wenn wir in einem sozialen Umbruch sind — und der Lastenausgleich ist ein Teil des großen sozialen Umbruchs, den das deutsche Volk, und zwar in Gemeinsamkeit mit den Heimatvertriebenen, die dabei führend sein müssen, durchmacht —, dann gilt der Satz: Für die Besitzenden Verzicht und Opfer und für die, die fordern, Verantwortungsbewußtsein und Geduld. Ich weiß, daß das schwerste Geduld ist. Dabei kommt nicht die Geduld des Daumendrehens in Frage, sondern die sittlich gespannte Geduld, auf den Augenblick zu warten, in dem wir das Größere leisten können. Der Augenblick wird kommen, und er wird auch mit der Unterstützung der ganzen Welt kommen, wenn die Welt sieht, daß wir bis an die Grenze des Möglichen gegangen sind.
    Deshalb bitte ich als Vertriebenenminister den Bundestag aus ganzem Herzen, diesem Gesetz trotz aller Mängel, die keiner leugnet, die Zustimmung zu geben, weil es der Anfang für ein Weiterarbeiten ist.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)