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ID0121104100

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 211. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1952 9255 211. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 14. Mai 1952 Geschäftliche Mitteilungen . . . . 9256B, 9262C Eintritt des Abg. Moosdorf in den Bundestag 9256C Begrüßung des Abg. Bazille nach seiner Genesung 9256C Austritt des Abg. Wittmann aus der Fraktion der DP/DPB 9256C Einspruch des Abg. Loritz gegen den ihm in der 210. Sitzung erteilten Ordnungsruf (Umdruck Nr. 520) 9256C, 9258B Beschlußfassung 9258C Ausscheiden des Abg. Dr. Schäfer aus der deutschen Delegation zur Beratenden Versammlung des Europarats und Zuwahl des Abg. Dr. Freiherrn von Rechenberg 9256D, 9262C Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz zur Änderung des Zollgesetzes und der Verbrauchsteuergesetze 9256D Gesetz über die Aufhebung einiger Polizeiverordnungen auf dem Gebiet des Verkehrs mit Arzneimitteln 9256D Gesetz über die Inanspruchnahme eines Teils der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer durch den Bund im Rechnungsjahr 1952 9257A Bericht des Bundesministers der Justiz über die Angelegenheit des tschechoslowakischen Staatsangehörigen Frantisek Kroupa (Nr. 3368 der Drucksachen) 9257A Bericht des Bundeskanzlers über den Ausbau der Bundesstraßen 51 und 54 (Nr. 3357 der Drucksachen) 9257A Bericht des Bundeskanzlers über das Freiburger Flugplatzprojekt (Nr. 3358 der Drucksachen) 9257A Zwischenbericht des Bundeskanzlers über die Tätigkeit von Deutschen bei den Besatzungsmächten (Nr. 3359 der Drucksachen) 9257A Ergänzende Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit zur Anfrage Nr. 231 der Fraktion der SPD betr. Möglichkeiten der Einberufung einer europäischen Regionalkonferenz der Internationalen Arbeitsorganisation (Nrn. 2826, 2895, 3046, 3366 der Drucksachen) 9257A Kleine Anfrage Nr. 260 der Fraktion der CDU/CSU betr. Maßnahmen gegen Besatzungsnotstände in Bad Oeynhausen (Nrn. 3299, 3367 der Drucksachen) . . . . 9257B Kleine Anfrage Nr. 263 der Abg. Dr. Dr. Nöll von der Nahmer u. Gen. betr. Wertpapierbereinigung (Nrn. 3309, 3361 der Drucksachen) 9257B Zur Tagesordnung 9257B Antrag der Gruppe der KPD auf Aufsetzung eines Antrags auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses betr. Überprüfung der Vorgänge in Essen am 11. Mai 1952 auf die Tagesordnung . 9257C Renner (KPD) 9257C Unterbrechung der Sitzung . . . 9258B Widerspruch gegen Aufsetzung 9258B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufnahme eines Kredits durch den Bund im Rahmen der von den Vereinigten Staaten gewährten Wirtschaftshilfe (Nr. 3333 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) (Nr. 3345 der Drucksachen) 9258C Dr. Semler (CSU), Berichterstatter . 9258C Wehner (SPD) ' 9259C Abstimmungen 9259C, 9260A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über die einstweilige Gewährung einer Teuerungszulage zur Abgeltung von Preiserhöhungen bei Grundnahrungsmitteln (Teuerungszulagengesetz) (Teuerungszulagenänderungsgesetz — TZAndG —) (Nr. 3217 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (21. Ausschuß) (Nr. 3337 der Drucksachen) 9260A Meyer (Hagen) (SPD), Berichterstatter 9260B Abstimmungen 9261B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Änderung der Gemeinsamen Geschäftsordnung des Bundestages und des Bundesrates für den Ausschuß nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) (Nr. 3354 der Drucksachen) 9261C Ritzel (SPD), Berichterstatter . . . 9261C Beschlußfassung 9262B Unterbrechung der Sitzung . . . 9262C Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über einen Allgemeinen Lastenausgleich (Nr. 1800, z u 1800, 3300, z u 3300 der Drucksachen, Umdruck Nr. 490); Zusammenstellung der Beschlüsse in zweiter Beratung (Umdruck Nr. 515; Änderungsanträge Umdrucke Nrn. 516 bis 519, 521 bis 534) 9262D Zur Geschäftsordnung: Schütz (CSU) 9262D Unterbrechungen der Sitzung . . 9262D Allgemeine Beratung: Ollenhauer (SPD) 9263A Kriedemann (SPD) 9265D, 9292B Kunze (SPD) 9269A Schütz (CSU) .9271B Dr. Kather (CDU) 9273D Dr. Keller (Fraktionslos) 9275D Rische (KPD) 9277C Dr. Atzenroth (FDP) 9280A Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 9281A Dr. Lukaschek, Bundesminister für Vertriebene 9283A von Thadden (Fraktionslos) 9284C Dr. Reismann (FU) 9285D Loritz (Fraktionslos) 9288C Farke (DP) 9290B Dr. Ott (DP-Gast) 9291B Weiterberatung vertagt 9292C Ausschluß des Abg. Renner für 20 Sitzungstage 9292C Nächste Sitzung 9292D Die Sitzung wird um 9 Uhr 5 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Herbert Kriedemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie haben soeben in ernsten und gewichtigen Worten gehört,

    (Zuruf von der FDP: Anpöbeleien!)

    in welchen großen Zusammenhang wir den Lastenausgleich hineingestellt sehen, welche zentrale Bedeutung wir ihm zuerkennen.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Wir auch! — Weitere Zurufe von der Mitte.)

    Meine Damen und Herren, die ernste Arbeit im Ausschuß, auf die wir uns berufen können, schützt uns gegen den Vorwurf, hier bloß große Worte als Ersatz für Taten zu gebrauchen. Wir haben nämlich über der grundsätzlichen Bedeutung niemals die praktischen Einzelheiten vergessen, auf die es schließlich hier ankommt und deren vernünftige Regelung im Gesetz zum Schluß die großen Worte rechtfertigt.


    (Kriedemann)

    Nachdem wir uns in jahrelanger Arbeit mit dem Problem vertraut gemacht hatten, war es uns leicht, die Tatsachen und die Notwendigkeiten schon zu einer Zeit sprechen zu lassen, in der andere in diesem Hause noch an ihren Wünschen klebten und nicht wußten, wie sie diese Wünsche nun mit einem Gesetzentwurf in Einklang bringen konnten. Ich spreche wahrlich niemandem das ernste und ehrliche Bemühen ab, wenn ich sage, daß sich Mehrheit und Minderheit im Ausschuß in allen entscheidenden Fragen als Vertreter sehr verschiedener Standpunkte und Interessen gegenüberstanden. Ich habe den Eindruck, meine Damen und Herren, daß auf Ihrer Seite die Ausschuß- arbeit vielleicht zu sehr oder zu lange denjenigen überlassen wurde, die sich als Sachverständige oder als Interessenvertreter fühlten, weil sie so oft über den Lastenausgleich geredet hatten oder so besonders genau über die vielen Wünsche unterrichtet waren, die sich mit diesem Problem entwickelt haben. Mir scheint, daß darunter die allgemein politischen, aber auch die allgemein wirtschaftspolitischen Gesichtspunkte sehr erheblich gelitten haben; denn es geht hier eben nicht um die Erfüllung von Wünschen, um das Einlösen von Versprechungen ohne jede reale Basis, sondern es geht auch hier — und vielleicht nirgendwo so sehr wie hier — um eine politische Entscheidung.

    (Zuruf rechts: Und um die Möglichkeit!)

    Meine Damen und Herren, gerade aus der letzten Überlegung werden Sie begreifen, daß wir die dritte Lesung benutzen, um Ihnen noch einmal unsere entscheidenden Anträge zur Abstimmung vorzulegen, werden Sie begreifen, daß wir an das Plenum appellieren, nachdem wir uns im Ausschuß einer — entschuldigen Sie das — oft unbelehrbaren Mehrheit gegenüber gesehen haben,

    (Lachen bei den Regierungsparteien)

    einer Mehrheit, von der wir nicht glauben, daß es ihr an Einsicht gefehlt hat, wohl aber an Beweglichkeit und Entscheidungsfreiheit.

    (Zuruf von der Mitte: Auch bei Ihnen!) Dem Plenum wollen wir die letzte Entscheidung in dieser Frage überlassen, und hier wollen wir, gerade weil wir im Lastenausgleich sehr viel mehr sehen als bloß so ein Gesetz, das nun endlich auch einmal erledigt werden muß, die letzten Chancen wahrnehmen, um zu einer Entscheidung zu kommen, die für uns alle tragbar ist.

    Das, um was es wirklich geht, ist durch viele Monate hindurch hinter Schlagworten und Prinzipienerklärungen versteckt geblieben, mindestens für den Außenstehenden. Man kann einem erheblichen Teil derjenigen, die hier über den Lastenausgleich geredet haben, den Vorwurf nicht ersparen, daß sie dieses Versteckspielen über Gebühr hinausgezogen und zu einer Zeit noch mit Redensarten und leeren Versprechungen gearbeitet haben, als sie auf Grund der Beratungen und an Hand der uns zur Verfügung stehenden Unterlagen schon wissen mußten, daß sie da etwas Unerreichbares, etwas Unreales und in vielen Fällen sogar etwas Unreelles wollten.

    (Abg. Dr. Wuermeling: Beweisen! — Abg. Schütz: Unreell?!)

    — Ja, natürlich, wird alles noch kommen, gewiß doch!
    Man hat den Leuten einzureden versucht, daß es hier um große weltanschauliche Gegensätze ginge. Man hat vorn kollektivistischen Lastenausgleich gesprochen und ihm die sehr viel vornehmere
    Form des individuellen Lastenausgleichs gegenübergestellt. Man hat unseren Vorstellungen — mit dem Ausdruck sozialer Lastenausgleich von uns selbst gekennzeichnet — den quotalen Lastenausgleich gegenübergestellt, der zugleich auch ein Lastenausgleich der Gerechtigkeit zu sein für sich in Anspruch genommen hat, wie j a überhaupt die Begriffe Recht und Gerechtigkeit in diesem Zusammenhang ganz besonders strapaziert worden sind, — bis zur Karikatur hin zur Begründung eines Antrags, mit dessen Annahme für fünfzigtausend aus dem Millionenheer der Geschädigten rund eine Milliarde an Entschädigung und an Zinsen gesichert worden ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Wir, meine Damen und Herren, haben nach dieser Sorte von Gerechtigkeit nie gesucht. Es kam uns auf die Gerechtigkeit an, die ein Volk erhöht, und nicht auf eine Gerechtigkeit, die einige wenige Leute zufriedenstellt und die man viel besser mit Rechthaberei bezeichnet.

    (Beifall bei der SPD.)

    Für uns war der Lastenausgleich — der soziale Lastenausgleich — kein starres Prinzip. Wir stellten das bei aller Eindeutigkeit, mit der wir unseren Standpunkt umschrieben, unter Beweis, als wir dem Vorschlag zustimmten, auf die sogenannte Sockelrente nun eine quotale Spitze aufzusetzen. Es kam uns in erster Linie darauf an, all denen, die zu alt oder zu krank sind, um noch einmal von vorne anfangen zu können, das Minimum an Lebenssicherheit zu geben, das sie mit der Vertreibung oder mit der Ausbombung verloren haben. Wir konnten nicht anerkennen, daß dieses Minimum unter ganz anderen Gesichtspunkten bemessen werden sollte, unter den Gesichtspunkten, die z. B. dem, Entwurf der Bundesregierung zugrunde lagen, wo ja — das wurde in der zweiten Lesung mehrfach dargestellt — auf der letzten Seite mit einer durch nichts zu übertreffenden Deutlichkeit klargemacht wurde, was quo-taler Lastenausgleich heißt, wo das, was heute jeder bekommt, weil es eben das Existenzminimum ist, nur noch derjenige erhalten sollte, der zu den Begüterten der oberen Kategorie gehörte, nur noch derjenige, der über 150 000 Mark Vermögen verloren hatte. Unser Anliegen ist schließlich nach heftigen Auseinandersetzungen im Ausschuß von der Mehrheit akzeptiert worden, wobei es mir völlig egal ist, ob das aus spät gewachsener Einsicht oder aus der Erkenntnis der Unmöglichkeit, diesen Regierungsentwurf in der Öffentlichkeit zu vertreten, geschehen ist. Als wir für alle alten und arbeitsunfähigen Geschädigten diese Mindestrente wieder gesichert hatten, haben wir ohne weiteres zugestimmt, daß bei denen, die ein größeres Vermögen verloren haben, eine quotale Spitze aufgestockt werden konnte.
    Ebenso haben wir niemals der Hauptentschädigung im Prinzip widersprochen. Die Behauptung, daß in unseren Forderungen nach dem unbedingten Vorrang der sogenannten sozialen Leistungen ein Beweis für unsere grundsätzliche Gegnerschaft gegen das Eigentum zu erkennen sei, haben wir niemals anders bewertet als eine Agitationsrede irgendwelcher Leute, denen zur Verteidiung ihrer eigenen Standpunkte Gescheiteres nicht einfällt.

    (Beifall bei der SPD.)

    Wir haben immer nur eine Tatsache nicht übersehen, eine Tatsache, die sonst leider sehr weitgehend übersehen worden ist, daß es nämlich unter den Geschädigten aller Kategorien einschließlich


    (Kriedemann)

    der Vertriebenen nun einmal eine sehr große Mehrheit gibt, die Vermögen im eigentlichen Sinne nicht verloren hat und der deshalb mit den Rechtsansprüchen nicht geholfen werden kann, auf denen diejenigen so nachdrücklich herumreiten, die Vermögen verloren haben und die glauben, daß das Recht um so größer ist, je größer einmal das Vermögen war.

    (Sehr wahr! bei der SPD.)

    Wir wollen nur keinen Rechtsanspruch anerkennen, der mit seinen Folgewirkungen notwendigerweise die Rechte kränkt, die mit jedem Menschen neu geboren werden.
    Lassen Sie mich an einem Beispiel klarmachen, auf was es mir hier ankommt, am Beispiel der. Renten, am Beispiel der Hilfe, die der Lastenausgleich auf Grund unseres Antrags entgegen den Bestimmungen des Regierungsentwurfs nun für alle Alten und Kranken vorsieht, am Beispiel dieser Sockelrente. Als das damals beschlossen wurde, hat man daraus die Konsequenz gezogen, die dadurch gegenüber der Bilanz des Regierungsentwurfs entstehenden Mehrkosten aus öffentlichen Mitteln einzukassieren. Man motivierte diese Abwälzung des Lastenausgleichs auf die Steuerzahler mit der Notwendigkeit, endlich einmal die Grundsätze des Fürsorgerechts wiederherzustellen, die mit der Einrichtung dieser Rente durch das Soforthilfegesetz verlassen worden seien.
    Meine Damen und Herren, als wir in Frankfurt das Soforthilfegesetz berieten, kam keiner auf die Idee, daß wir hier dem Bund — pardon, den gab es damals noch gar nicht —, den Ländern oder den Gemeinden irgendwelche Gelder ersparen wollten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir haben es damals in den Mittelpunkt und sogar an den Anfang unserer Beratungen gestellt, zunächst einmal denen mit einem Rechtsanspruch zu helfen, die auf den Fürsorgeämtern herumsaßen, auf Wohlfahrtsunterstützung angewiesen waren und durch keine andere Ursache in diese trostlose Lage gekommen waren als durch die Vertreibung aus ihrer Heimat.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Es war damals keine Rede davon, die Gemeinden zu entlasten. Es ging uns allen damals nur darum, diese Menschen von dem seelischen Druck zu entlasten, dem sie dadurch ausgesetzt waren, daß sie sich auf diese Weise am Leben zu erhalten versuchen mußten.
    Wenn nun hier von einem Sprecher der Koalitionsparteien unter ausdrücklichem Bezug auf diese Rente gesagt worden ist, daß es in diesem Gesetz überhaupt schon übertriebene soziale Leistungen gebe — und das kann j a doch nur auf dieses kleine Restchen von sozialem Lastenausgleich gemünzt sein, das den alten Leuten zugute kommt —, dann, meine Damen und Herren — das ist nicht nur eine Frage der Weltanschauung oder eine Frage der Grundsätze, sondern eine Frage der innersten menschlichen Gesinnung —, ist das eine Gesinnung, mit der wir uns nicht identifizieren möchten.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wenn Sie nun diese Rente im Gesetz stehen haben, sie aber zu einem erheblichen Teil wenigstens aus öffentlichen Mitteln rückfinanzieren wollen, dann machen Sie die Leute doch praktisch zu Wohlfahrtsempfängern. Darin kommt eben die schlechte Gesinnung zum Ausdruck, die wir um jeden Preis aus dem Lastenausgleich herausschaffen möchten, nicht weil wir es so wollen, weil wir uns das nun einmal so vorgenommen haben, sondern weil das geradezu mit der letzten Deutlichkeit darüber entscheidet, ob das nun ein Lastenausgleich ist, den wir wirklich als eine Grundlage unserer neuen deutschen Ordnung, den wir wirklich als ein Stück sozialen Grundgesetzes proklamieren und den wir alle vertreten können, oder nicht. Und weil ein negativer Beweis in diesem Zusammenhang ganz besonders unerträglich ist, darum, meine Damen und Herren, kämpfen wir hier mit solcher Leidenschaft und werden das anläßlich der Behandlung unserer Anträge noch einmal näher ausführen.
    Ich bin mir sicher, daß man auch in der dritten Lesung noch wieder oft an die großen und von uns allen respektierten Begriffe appellieren wird. Lassen Sie uns doch nicht in den Verdacht kommen und möge sich doch niemand in den Verdacht bringen, daß es hier so eine Art Shylock-Gerechtigkeit gibt, bei der jemand, der einen Schein hat, nun darauf besteht, daß ihm dieser Anspruch auch erfüllt werde, egal um welchen Preis. Überlegen Sie bitte ganz genau, ob Sie mit der sogenannten Hauptentschädigung in der Form, wie sie bis jetzt in diesem Gesetz steht, nicht solche Scheine in großen Massen ausstellen werden. Es kann doch gar kein Zweifel daran sein, daß der Schaden sich um so leichter nachweisen lassen wird, je größer er ist. Es gibt ja heute schon Leute, die ein Geschäft damit zu machen versuchen, daß sie sich als Besitzer eines alten Güteradreßbuches annoncieren und gegen eine kleine Gebühr bereit sind, daraus einen Auszug zu machen. Und da steht dann ja einiges drin, soweit es sich um ein Vermögen handelt, das in die größere Kategorie hineingehört. Diese Sorte von Schäden wird zuerst festgestellt werden. Diese Sorte von Schäden, der Sie ja mit Ihrer Vorstellung von Hauptentschädigung schon mit diesem Gesetz einen ausgesprochenen Rechtsanspruch einräumen wollen, wird mit allem Nachdruck präsentiert werden.
    In der Erfüllung dieser Ansprüche — auch wenn es sich nur um eine teilweise Erfüllung dieser Ansprüche handeln kann — liegt die Gefährdung all der anderen Vorhaben, die von uns im allgemeinen als unbedingt vordringlich anerkannt werden. Gerade weil ich davon überzeugt bin, daß es in diesem Hause eine Mehrheit gibt, der es auf die Eingliederung der arbeitsfähigen Menschen und damit auf die Steigerung unseres Sozialprodukts durch produktive Arbeit sehr viel mehr ankommt als auf alles andere, darum mache ich Sie an dieser Stelle und in diesem Zusammenhang noch einmal auf die Gefahr aufmerksam, die Sie hoffentlich alle sehen wollen und der wir leicht begegnen können, ohne daß wir irgendeinen Rechtsanspruch, gegründet auf ein früheres Vermögen, kränken, indem wir eben die Eingliederungsmaßnahmen unabhängig von der Untersuchung über den früheren Vermögensschaden durchführen, indem wir eingliedern nach Maßgabe der sozialen Dringlichkeit und der volkswirtschaftlichen Zweckmäßigkeit und indem wir die Frage der Auseinanderrechnung über Vermögensschäden zu einem Zeitpunkt vornehmen, in dem wir es wirklich mit gutem Gewissen tun können, in dem Augenblick nämlich, in dem uns die wirklich reellen Unterlagen über das, was da ist, und das, was damit getan werden soll, zur Verfügung stehen. Dann, meine Damen und Herren, werden wir Rechtsansprüche nicht nur proklamieren, sondern auch honorieren können, und darauf kommt es bei den


    (Kriedemann)

    Rechtsansprüchen doch vielleicht am meisten an. Aber darüber soll, wie gesagt, geredet werden, wenn wir unsere Anträge hier noch einmal zu vertreten haben; ich will das jetzt nicht vorwegnehmen.
    Nun noch einmal: seien Sie sich bitte darüber klar, in welcher Gefahr wir stehen, wenn hier so beschlossen wird, wie es die Mehrheit in der zweiten Lesung getan hat. Denken Sie bitte an die Auswirkungen dieser Sorte von einkassierbarem Recht auf alle anderen Hilfeleistungen, die ausnahmslos für diejenigen interessant sind, die, weil sie zu den 75 % der nicht Vermögen Besitzenden gehören, eben auf Hausratentschädigung, auf Eingliederung und nicht zuletzt auf den Wohnungsbau angewiesen sind. Sagen Sie nicht, das liege an der Bilanz, man könne nicht anders! Wir haben es heute noch in der Hand, und heute und morgen muß versucht werden — und hoffentlich mit Ihrer aller Mitarbeit versucht werden —, das einigermaßen hinzubringen.
    Ich möchte auch noch eine allgemeine Bemerkung zur Abgabeseite machen. Auch hier hat es zwei Standpunkte gegeben, die sich in allen entscheidenden Fragen bis zum letzten Augenblick unversöhnt gegenübergestanden haben. Auf der einen Seite waren das die Interessen des privaten Vermögens. Sie sind — das kann nicht bestritten werden — mit aller Zähigkeit vertreten worden, und ich mache niemandem daraus einen Vorwurf.

    (Zuruf von der Mitte: Ach nee!)

    Auf der andern Seite waren aber auch die öffentlichen Interessen zu vertreten, und ich hoffe, Sie werden mir zugeben, daß wir sie mit der gleichen Zähigkeit zu vertreten versucht haben. Ich hoffe darüber hinaus, daß Sie auch uns daraus keinen Vorwurf machen, denn schließlich ist auch das öffentliche Interesse eine Vertretung wert. Insbesondere im Parlament sollte man sich eigentlich keinerlei Vorwürfen aussetzen, Vorwürfen recht unangenehmer Färbung, wenn man darauf hinweist, daß es auch so etwas wie öffentliche Haushalte gibt, wenn man darauf hinweist, aus welchen Quellen denn die Steuern in ihrer Masse stammen, und wenn man darauf hinweist, daß die Mehrheit unseres Volkes auf alle die Leistungen angewiesen ist, die aus den öffentlichen Haushalten finanziert werden. Nicht nur unter den Geschädigten, sondern auch unter den anderen Kreisen unseres Volkes ist eben die große Mehrheit mangels eines eigenen Vermögens darauf angewiesen, die notwendigen Hilfen aus dem öffentlichen Vermögen zu empfangen. Wir haben manchmal — ich denke z. B. an die Diskussion über die Formen und die Durchführung der Wohnraumhilfe oder über die Freistellung bestimmter Vermögensträger von der Vermögensabgabe — eine Feindschaft gegen, sagen wir einmal, die Wohnungsbaugenossenschaften gehört, eine Feindschaft gegen das Gemeineigentum, die schon nicht mehr ernst zu nehmen war und in der sich keineswegs die Sorge auftat, daß hier vielleicht die Grundlagen unserer abendländischen Kultur in Gefahr seien, sondern in der eine geradezu spießbürgerliche Enge der Gesichtspunkte zum Ausdruck kam. Es wäre ausgezeichnet und ein sehr wertvoller Beitrag zur auch ideellen Neuordnung unserer Verhältnisse in Deutschland, wenn auch das in der dritten Lesung korrigiert werden könnte.
    Schließlich — ich brauche hier nicht das zu wiederholen, was Herr Ollenhauer eben ausgeführt hat — kommt es doch darauf an, die Basis zu verbreitern, auf der unser neues deutsches Haus gebaut werden wird. Wir hätten es uns als Opposition sehr leicht machen können, mehr zu fordern. Das Verfahren der Abgabe und die Höhe der Sätze, die sich auch unserer Meinung nach im großen und ganzen aus der Lage der Dinge zwangsläufig ergeben, sind vorzüglich geeignet für eine populär verständliche Demonstration. Sie werden uns keinen einzigen Fall nachweisen, in dem wir uns derart primitiver Argumente bedient hätten, in dem wir auf eine so billige Weise versucht hätten, für unseren Standpunkt oder nur für uns und gegen andere Auffassungen Stimmung zu machen. Wir haben uns dabei von Marktplatzschreiern aller Sorten sehr sorgfältig abgegrenzt, was auch nicht jeder von sich sagen kann.

    (Sehr gut! bei der SPD. — Zurufe von der Mitte.)

    — Nein, meine Herren, ich kann mich nicht erinnern, daß einer von uns einmal auf Marktplätzen solche Geschichten verbreitet hätte!

    (Beifall bei der SPD. — Zurufe von der Mitte und rechts.)

    Nicht verzichten können wir aber darauf, die Opfer im Gesetz festzulegen, die zugemutet werden können, und sei es im einzelnen Fall auch nur aus psychologischen Gründen. So hoffen wir jetzt, meine Damen und Herren, auf eine günstigere Entscheidung über unsere Anträge, soweit diese sich — um es mal ganz dürr zu sagen — nicht mit irgendwelchen Grundsätzen des Einkommensteuerrechts usw. befassen, sondern einfach mit dem Problem: soll man und kann man und wieviel kann man von der sogenannten Vermögensabgabe abwälzen.
    Wir müssen schließlich glaubhaft machen können, daß es sich hier wirklich um einen Lastenausgleich handelt, der zweifellos nicht der Idealvorstellung entspricht, die man sich irgendwo in einem Wolkenkuckucksheim oder in einer finanzwissenschaftlichen Studierstube als Lastenausgleich so typenrein ausdenken kann, daß es sich dann aber wenigstens um einen Lastenausgleich handelt, wie er unter unseren Verhältnissen möglich ist. Es wird ohnehin sehr schwer sein, das glaubhaft und verständlich zu machen. Wenn weiter so verfahren wird, wie mit unseren Änderungsanträgen in puncto Vermögensteuer, in puncto Einkommensteuer usw. usw. verfahren worden ist, dann werden Sie das niemandem glaubhaft machen können, und niemand wird im Ernst und mit gutem Gewissen denen widerstreiten können, die dann sagen, daß es sich im Grunde doch nur um eine Farce handelt.
    Meine Damen und Herren! Es ist unserer Meinung nach der Sinn der dritten Lesung, die bisher gefaßten Beschlüssen sorgsam zu überprüfen.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Es ist der Sinn der dritten Lesung, das, was inzwischen neu an Gesichtspunkten aufgetaucht sein mag, noch einmal auf die Waage der Verantwortung zu legen. Der Umstand, daß die dritte Beratung heute hier zweimal vertagt worden ist, weil noch Beratungen im Gange waren, gibt uns eine kleine Hoffnung darauf und rechtfertigt noch einmal unser Bemühen, diese dritte Lesung so ausführlich wie nur irgendwie möglich zu machen, die entscheidenden Punkte nochmals so deutlich und hell wie möglich zu beleuchten in der Hoffnung, daß wir dann zu einer Entscheidung kommen, die sich deckt mit den großen Worten, mit den Zielen, Behauptungen und Grundsatzerklärungen, die in


    (Kriedemann)

    reichem Maße von allen Seiten vorgetragen worden sind und die nun endlich mit einem Gesetz Buchstabe an Buchstabe und Zahl an Zahl honoriert werden müssen. Diesem Zweck dienen unsere Anträge, und ich bitte Sie, unbeschadet der Begründung im einzelnen, sie sich mit allem Ernst :loch einmal anzusehen.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Kunze.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Johannes Kunze


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr froh, daß Herr Kollege Ollenhauer als erster an dieser Stelle gestanden und unter Beweis gestellt hat, daß die Opposition in allem Opposition zu machen bereit ist, indem er bestimmte Dinge der gesamten Politik unter Kritik stellt und dabei bewußt Tatbestände verschweigt, die das Ergebnis dieser Politik sind.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Sie haben, Herr Kollege Ollenhauer, die soziale Marktwirtschaft angegriffen. Sie haben dabei nicht gesagt, daß durch diese Politik 3 1/2 Millionen Arbeitsplätze geschaffen worden sind,

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und Sie haben — verzeihen Sie, wenn ich Ihnen das ganz persönlich sage — mir zum großen Schmerz etwas getan, was sich nicht gehört. Sie haben in dem Wissen, daß der Herr Bundeskanzler krank war, seine Abwesenheit hier mit Bedauern als eine politisch begründete Abwesenheit festgestellt. So sollten wir nicht verfahren.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Nun erlauben Sie mir, daß ich mich im Namen meiner Freunde grundsätzlich mit den Gedanken auseinandersetze und die Linien aufzeige, die uns bei den Beratungen bis zur letzten Stunde bewegt haben. Wir haben Ihnen am Anfang der Beratung der zweiten Lesung erklärt, daß wir die Anträge der Opposition mit der gleichen Sorgfalt prüfen würden wie die unserer eigenen Freunde:

    (Zurufe links.)

    Wenn wir das Ergebnis dieser Prüfungen jetzt im Zuge der dritten Lesung Punkt für Punkt aufzeigen, dann werden Sie sehen, daß wir zu ganz bestimmten Entscheidungen gekommen sind, die beweisen, daß es uns und unseren Freunden ernst ist um die Lösung dieses von Ihnen ganz richtig gekennzeichneten, für die Demokratie entscheidenden und sozial wichtigen Gesetzes über den Lastenausgleich.
    Wir sind mit Ihnen der Meinung, daß ohne soziale Befriedung die Bereitschaft eines Volkes, um seine Existenz zu kämpfen und in die Verteidigung der freien Welt einzutreten, nicht erwartet werden kann. Wir sind aber ebenso der Überzeugung, daß wir auf dem Weg, den wir gegangen sind, genau den Dienst tun, der von uns gefordert wird, und daß Ihre Erklärung: „Wir stehen auf der Seite der Vertriebenen" eine Erklärung ist, die zum mindesten an die Grenze der Geschmacklosigkeit reicht.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Denn wir haben gemeinsam in 15monatiger Arbeit bewiesen, daß es uns allen, Ihnen und uns, großer Ernst ist, das berechtigte Anliegen der Vertriebenen und der Kriegssachgeschädigten in den Grenzen des Möglichen zu erkennen und zu befriedigen.

    (Zuruf links: Aber nur am Anfang!)

    Ich darf Ihnen eine einzige Zahl nennen, während im übrigen mein Kollege Schütz zu dieser Frage Stellung nehmen wird. Sie haben sich jetzt durch Ihre Anträge in bezug auf den Punkt Hauptentschädigung entscheidend zur Regierungsvorlage bekannt. Diese Regierungsvorlage nimmt in ihrer Auswirkung für die Hauptentschädigung einen Betrag von 10 Milliarden in Anspruch. Was meine politischen Freunde darüber hinaus getan haben, nimmt 650 Millionen in Anspruch, also 6 1/2 % mehr!
    Man kann sich durchaus darüber unterhalten,
    ob diese Frage so in der idealsten Weise gelöst ist.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Aber man kann sich nicht darüber unterhalten, daß wir gemeinsam auf dem Boden gestanden haben, die soziale Befriedung müsse der Anfang sein. Vergessen Sie doch bitte nicht — Sie und auch der Herr Kollege Kriedemann haben sich da in einer für mich unverständlichen Weise geäußert —: Wir waren uns doch schon in der ersten Lesung darin eins, daß der Vorschlag der Bundesregierung für die Lösung der Kriegsschadenrente nicht der richtige war. Bitte, verschweigen Sie das nicht. Ich will es darum laut und deutlich sagen, damit nicht hinterher die Propaganda ins Volk hinausgeht, daß Sie alleinige Hüter sozialer Belange seien und wir alleinige Verteidiger und Verfechter kapitalistischer Interessengruppen.

    (Sehr richtig! und Beifall bei den Regierungsparteien. — Zurufe von der SPD.)

    Wir werden Ihnen und der Öffentlichkeit zu gegebener Stunde einmal die Ergebnisse der Beratungen vor Augen führen, damit die Offentlichkeit erkennt, daß wir in den entscheidenden sozialen Fragen völlig übereingestimmt haben und daß die Ausschußvorlage in diesen Punkten das Ergebnis gemeinsamer Beratungen und gemeinsamer Verantwortung gewesen ist. Aber es ist sehr gefährlich, wenn Sie hingehen und Methoden anwenden, die zum Teil klassenkämpferischen Geist atmen.

    (Beifall in der Mitte. — Lachen bei der SPD. — Abg. Mellies: Ihre Anträge waren Klassenkampf!)

    Bei der Beratung der Gesetzesvorlage über den Lastenausgleich sollte man so nicht prozedieren, und ich habe nicht die Absicht, hier in der gleichen Form zu polemisieren.

    (Zuruf von der SPD: Klassenkampf von oben! — Weitere Zurufe von der SPD.)

    Worauf kommt es uns hier an? In der Erkenntnis, daß Eigentum verpflichtet, sind wir in der Belastung des Eigentums bis an die Grenzen des von uns Vertretbaren gegangen.

    (Oh-Rufe bei der SPD.)

    Sie, Herr Kollege Kriedemann, haben selber erklärt — und Sie haben das auch in den Ausschußberatungen mit uns so beschlossen —, daß unter den gegenwärtigen gesamtwirtschaftlichen Verhältnissen wesentlich anderes nicht hätte gemacht werden können.

    (Hört! Hört! in der Mitte.)

    Darüber waren wir uns doch eins. Wir sollten doch
    hier mit einem letzten Ernst in der Verantwortung
    miteinander stehen, auch da, wo wir einmal Gegensätze haben. Man sollte doch jetzt nicht so tun,
    als ob wir kapitalschonend handelten und uns den
    Verpflichtungen gegenüber den Vertriebenen und
    Kriegssachgeschädigten entziehen wollten. Wir


    (Kunze)

    haben auf der Entschädigungsseite, über die mein Kollege Schütz gleich sprechen wird, die entscheidenden Dinge gemeinsam geordnet. Wenn Sie jetzt hingehen und die Regierungsvorlage verteidigen, dann ist das für uns immerhin ein beachtlicher Erfolg, weil Sie am Anfang der Beratungen meilenweit davon entfernt waren.

    (Abg. Kriedemann: Na, dann kommen Sie doch auf den Pfad der Tugend zurück, Herr Kollege Kunze!)

    Ein zweites: Wir glauben, daß unsere Haltung in bezug auf die Berücksichtigung der Kriegsschäden, die in § 38 des Gesetzes ihren Niederschlag gefunden hat, wesentlich mehr den Interessen der Kriegssachgeschädigten gerecht wird als die Anträge, die Sie dazu gestellt haben.

    (Abg. Seuffert: Welcher Kriegssachgeschädigten? — Abg. Kriedemann: Aber nur die, die Vermögen haben!)

    — Es wird keinen Menschen geben, der ernsthaft beansprucht, Entschädigung für etwas zu bekommen, was er nie verloren hat, weil er es nie besessen hat.

    (Sehr richtig! in der Mitte.)

    Aber darüber waren wir uns eins.
    Wir wissen genau, daß das Problem der Eingliederung derjenigen Menschen, denen das Schicksal die Existenzgrundlage genommen hat, die wichtigste und zentralste Frage ist. So wollen Sie gütigst auch die Regierungspolitik und die von uns vertretene soziale Marktwirtschaft mit in den Kreis Ihrer Überlegungen einbeziehen, wenn Sie jetzt fragen: Was habt ihr getan? Was wir getan haben, werden wir vor dem deutschen Volk und vor der Weltöffentlichkeit zu verantworten wissen.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Wenn Sie, Herr Kollege Ollenhauer, davon sprechen, daß es sich hier um eine der entscheidenden Grundlagen der Demokratie handelt, dann antworte ich: Ja. Diese Demokratie darf aber nicht dazu führen, den Eigentumsbegriff in einer untragbaren Weise zu nivellieren. Ich bin auch, das sage ich ganz offen, kein Freund davon, Millionen-Vermögen mit Millionen wiederherzustellen. Aber unbeschadet der Konzeption des § 269 kann man doch nun wirklich nicht sagen, daß, wenn jemand von einem Vermögen von soundsoviel Millionen 2 °/o bekommt, das ein kapitalistisches Unternehmen sei, das wir auf Kosten der sozialen Belange machen müßten, zumal Sie genau wissen, daß diese Dinge alle nach Dringlichkeitsstufen zum Zuge kommen. Wir haben mit Ihnen gemeinsam für die ersten Jahre die Eingliederung in der Form der Darlehen vorgesehen, um dann erst in den späteren Jahren Zug um Zug zu der Herstellung des Eigentums in den Grenzen des Möglichen und Notwendigen zu kommen.
    Noch ein Wort zur Frage der Behandlung der öffentlichen Hand. Sie wird uns j a zweifellos beschäftigen, wenn wir zur Beratung Ihrer Anträge kommen. Herr Kollege Kriedemann, ich bin in der Lage, Ihnen morgen eine Unterlage des Statistischen Bundesamts auf den Tisch zu legen und den Nachweis zu erbringen, daß die öffentliche Hand, Bund, Länder und Gemeinden, die von uns vorgesehenen 250 Millionen DM echt erspart hat.

    (Abg. Mellies: Das ist doch gar nicht das Problem!)

    — Verzeihen Sie, der Lastenausgleich ist nicht dazu da, die öffentliche Hand zu entlasten. Der Lastenausgleich ist dazu da, die öffentliche Hand genau so zu belasten, wie sie bisher nach fürsorgerechtlichen Bestimmungen belastet war,

    (Abg. Seuffert: Nein!)

    und im übrigen die Geschädigten zu ihrem Recht
    kommen zu lassen. Es ist eine durchaus falsche
    Politik, wenn man uns immer wieder vorwirft, —

    (Abg. Mellies: Sie haben von der Bedeutung des Vermögens der öffentlichen Hand nie etwas begriffen!)

    — Ich glaube, Herr Kollege Mellies, daß ich davon auch etwas verstehe.

    (Sehr gut! bei der CDU.)

    Wenn Sie bedenken wollen, daß wir in der Frage der Abwälzung auf den kleinen Mann doch nicht so simplifizieren sollten, kann ich Ihnen an zwei Beispielen beweisen, daß solche Simplifikationsmethoden falsch sind.
    Erstens: Die Steuergesetzgebung, und zwar in erster Linie die Lohn- und Einkommensteuergesetzgebung, die die Regierungsparteien und die von ihr getragene Regierung dem Hause vorgelegt haben und die von uns verabschiedet worden ist, ist eine echte soziale Lösung dieser Frage.

    (Widerspruch und Lachen bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Unerhört!)

    Bitte sehen Sie sich doch einfach die Einkommensteuerentwicklung an, gehen Sie auf 1926 zurück und bis zum heutigen Tage, dann werden Sie sehen, daß wir diese Einkommensteuerpolitik verantworten können.

    (Zurufe von der SPD.)

    Zum zweiten, meine Damen und Herren: Wenn Sie den § 15 genau studieren, dann sehen Sie, daß wir nach sorgfältigen Beratungen mit den zuständigen Sachverständigen des Bundesrats jede Notwendigkeit einer Erhöhung der Tarife für die Allgemeinheit der Verbraucher vermieden haben; denn wir haben, insoweit die allgemeinen Verbraucher, sei es von Energie, sei es von Wasser, sei es von sonstigen Dingen, die in Frage kommen, die Befreiung eingeführt und haben nur gesagt: insoweit die Wirtschaft Abnehmer ist, soll die Wirtschaft die Belastung tragen. Das zieht sich doch wie ein roter Faden und meiner Meinung nach in klarer Logik durch dieses Gesetz auf seiner Abgabenseite hindurch. Wir fragen nach dem Zweck des Vermögens und seiner Verwendung und prüfen von da aus die Belastung in ihrer sachlichen Notwendigkeit, in der sachlichen Begrenzungsnotwendigkeit und in der wirtschaftlichen Tragbarkeit. Während Sie — man nennt Sie j a im Scherz hier im Hause die Partei der Oberbürgermeister
    — sich von rein kommunalpolitischen Interessen leiten lassen, haben wir den Mut zu sagen: wir vertreten diese kommunalpolitischen Interessen genau so wie Sie, aber wir glauben, daß wir sie in der zwingenden Logik dieses Gesetzes besser vertreten.
    Und ein Letztes, meine Damen und Herren. Es gehört zur simplen Weisheit eines Nationalökonomen, daß es drei Faktoren gibt: den Faktor Boden, den Faktor Kapital und den Faktor Arbeit. Sollen wir hingehen und den notwendigen Faktor Kapital fortgesetzt weiter zerstören? Wir machen keinen Versuch mit, diesen Faktor auf dem Wege der Sozialisierungspolitik zu zerstören,

    (Zuruf von der KPD: Furchtbar!)

    um des Volkes willen.
    Sollen wir den Faktor Boden dadurch gefähr-


    (Kunze)

    den, daß wir der Landwirtschaft Belastungen auferlegen, von denen wir wissen, daß sie nicht tragbar sind?

    (Abg. _Seuffert: Seit wann ist das Kapital in der Landwirtschaft? — Abg. Heiland: Aber den Arbeiter können Sie belasten!)

    — Der Arbeiter wird nicht belastet!

    (Zuruf von der SPD: Natürlich wird er belastet!)

    Was der Arbeiter an Belastung bekommt, ist mit Ihren Fraktionskollegen im Ausschuß genau beschlossen worden. -

    (Zustimmung und Beifall bei den Regierungsparteien.)

    Es ist sehr leicht, Herr Kollege Heiland, solche Sätze ins Plenum zu schleudern, wenn man von keinerlei Sachkenntnis getrübt ist

    (Beifall bei den Regierungsparteien)

    und die Protokolle dieses Ausschusses nicht genügend studiert hat.

    (Abg. Ollenhauer: Herr Kunze in der Oberlehrerrolle!)

    Denn Sie wissen, daß wir den kleinen Leuten aus sozialen Gründen mit den Freigrenzen das gegeben haben, was sie mit Recht fordern.

    (Zuruf von der SPD: Aber Sie belasten sie über die Steuern!)

    Aber wir haben zugleich daran gedacht, daß der Arbeiter oder der kleine Mann, der aus dem Osten, aus der Heimat vertrieben wurde und der dort sein kleines Häuschen hatte, nun auch an uns fragend herantritt: „Wenn ihr den schont, was macht ihr mit mir?", und wir haben uns redlich bemüht, das Gleichgewicht der beiden Seiten in den Grenzen des Möglichen herzustellen.
    Darf ich zum Schluß noch einen entscheidenden Grundsatz proklamieren, den meine Freunde und ich zu vertreten gewillt sind. Wir haben die Auffassung, daß es von entscheidender Wichtigkeit ist, dieses Gesetz so schnell wie möglich zu verabschieden und in Kraft zu setzen, damit der Anfang gemacht wird zur Lösung einer Frage, die ganz sicher — das wird auch von Ihnen nicht bestritten werden —

    (Sehr gut! bei der CDU)

    auf einmal nicht in hundertprozentiger Richtigkeit gelöst werden kann in einer Zeit, in der das Tempo der Entwicklung derart ist, daß man fast Angst und Schrecken kriegen kann, wenn man heute eine Gesetzesvorlage im Ausschuß verabschiedet, ob sie nach einem Vierteljahr überhaupt noch möglich ist. Wir sind der Meinung, wir wollen jetzt den Anfang machen, und glauben, das, was wir an Grundsätzen proklamiert und was wir an Abgaben auf der Abgabeseite festgestellt haben, ist das, was — bis auf gewisse Ihnen noch zugehende Änderungsvorschläge — die Grenzen dessen erreicht, was die deutsche Wirtschaft im Interesse des arbeitenden Volkes, um das Ziel der Eingliederung zu erreichen, zu tragen imstande ist.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)