Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es hört sich großartig an, wenn hier gesagt wird: wen kümmert es eigentlich, wie die Heimatvertriebenen das Aufkommen aus der Vermögensabgabe verteilen wollen, wenn sie unter sich darüber einig sind? Sind Sie denn so sehr davon überzeugt, daß alle Heimatvertriebenen damit einverstanden sind, wenn für die Bemessung der Schäden eines Teils der Heimatvertriebenen ein anderer Maßstab angelegt wird als für die Bemessung der Schäden eines anderen Teils? Also derjenige, der das größere Messer handhabt, hat die Chance, auch das größte Stück aus dem Kuchen herauszuschneiden. Es scheint mir eine — ich hätte beinahe ein unparlamentarisches Wort gebraucht —
— Sicherlich, deswegen nehme ich mich ja zusammen, obwohl es gegenüber solchen Behauptungen schwierig ist, ein grobes oder drastisches Wort zu vermeiden. Es scheint mir also, wie gesagt, reichlich kühn zu sein, zu behaupten, die Heimatvertriebenen wären sich darüber einig.
— Ach so, in den Verbänden ist man sich darüber einig. Wir haben alle in der Form eines Rundschreibens eine Stellungnahme eines Verbandes bekommen,
— eines Landesverbandes des Bundes vertriebener Deutscher. Darin setzt man sich auch darüber auseinander, ob es richtig ist, wenn von der Spitze her Anerkennungs- oder Protesttelegramme bestellt werden. Wenn man sich in den Verbanden einig ist, dann bedeutet das noch nicht die Einigkeit der Heimatvertriebenen. Wenn wir uns heute haben erzählen lassen, daß alle Heimatvertriebenen ohne Ausnahme hinter den Verbänden stehen, so sind wir darauf nicht eingegangen, weil wir das der Kritik der Sachverständigen im Volke überlassen wollten.
Meine Damen und Herren, hier handelt es sich um einen Lastenausgleich, bei dem Schäden am Vermögen durch Vermögensabgabe aus erhaltengebliebenen Vermögen ausgeglichen werden sollen.
Es ist doch eine Selbstverständlichkeit, daß das eine und das andere mit dem gleichen Maßstab gemessen werden muß. Was ist das für eine Argumentation, zu sagen, wir wollen zwar nach der Seite der Vermögensabgabe einen kleinen oder einen kleineren Maßstab anlegen, damit wir uns die Leute, von denen wir es holen wollen, nicht verärgern; aber auf der Verteilungsseite — und zwar nur bei den Trägern einer Sorte von Schäden — wollen wir einen größeren Maßstab anlegen.
— Nein, Sie wissen doch ganz genau, daß Sie einen größeren Maßstab dabei anlegen und daß dadurch der Schaden an landwirtschaftlichem Vermögen erheblich größer in Erscheinung tritt als bei dem Maßstab, der auf der Abgabeseite angelegt wird. Sie wollen den Schaden bei landwirtschaftlichem Vermögen höher bewertet haben, als Sie das landwirtschaftliche Vermögen auf der Abgabeseite bewerten. Das ist doch ein unreales Verfahren. Wenn Sie den Bären waschen wollen, müssen Sie ihm auch den Pelz naß machen. So billig können Sie keine Freunde werben.
Die sozialdemokratische Fraktion wird diesen Antrag selbstverständlich ablehnen. Aber, meine Damen und Herren, es sollte doch im Schlußgalopp zur zweiten Lesung nicht übersehen werden, daß Sie hier ermutigt werden, in § 397 27 Änderungen — zum Teil sehr bedeutsame Änderungen — des sogenannten Schadenfeststellungsgesetzes zu beschließen. Vielleicht erinnern Sie sich, daß eine ganze Zeit lang, sozusagen zur Vertuschung der Tatsache, daß die Lastenausgleichsberatungen nicht energisch genug betrieben worden sind, der Welt eingeredet wurde, der Lastenausgleich eile gar nicht so sehr; zunächst müsse man doch das Feststellungsgesetz in Gang setzen. Wir alle wissen, daß wir mit der Beratung dieses Feststellungsgesetzes kostbare Zeit verloren haben, Zeit, die viel besser für die Verabschiedung und für die gründlichere Durchberatung des Lastenausgleichsgesetzes
verwendet worden wäre.
Dieses Gesetz ist zwar vorgezogen worden, so wie man einen Popanz vorzieht. Es denkt aber gar nicht daran, etwa schon zu funktionieren. Deshalb ist es heute logischerweise notwendig, daß das Gesetz noch in ganz wesentlichen Punkten abgeändert werden muß. Wollen Sie bitte daraus ersehen, daß man solche Geschichten auch aus Propagandabedürfnis nicht aus dem Zusammenhang herausreißen darf.
Auch die Behauptungen, man müsse zunächst einmal das Schadenfeststellunggesetz in Gang bringen, damit die Vorbereitungen für die Durchführung des Lastenausgleichsgesetzes schon in Angriff genommen werden können, sind nichts anderes als billige Augenauswischerei gewesen. Es war und ist ein zu billiger Trost für diejenigen, die sich mit Recht darüber beschwert haben, daß es bis zur Vorlage des Lastenausgleichsgesetzes, bis zu seiner Verabschiedung, so schrecklich lange gedauert hat. Warum es so lange gedauert hat, habe ich Ihnen zu Beginn der zweiten Lesung gesagt, das ist auch heute noch unsere Meinung. Daß das richtig ist, haben auch diese Beratungen
erwiesen, und dieses Hin und Her und nicht zuletzt das Winken mit der Novelle, haben das nur aufs neue bestätigt. Das wollte ich Ihnen in Erinnerung rufen. Vielleicht erinnern Sie sich noch einmal daran, mit welcher Feierlichkeit und mit welchem Pathos hier um das Feststellungsgesetz gekämpft worden ist!