Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir sind hier bei einem Kapitel des Lastenausgleichs, das für die beiden wichtigsten Geschädigtengruppen, die Vertriebenen und die Kriegssachgeschädigten, nach unserer Meinung eine gleichmäßig wichtige Bedeutung hat. Weil wir dieser Meinung sind und weil wir aus den Verhandlungen innerhalb des 18. Ausschusses des Deutschen Bundestages, der sich vor wenigen Wochen über die Fragen der Wohnungsbaufinanzierung für das Geschäftsjahr 1952 mit den Vertretern der Bundesregierung eingehend unterhalten hat, wissen, daß runde 700 Millionen an der Sicherung dieses Wohnungsbauprogramms fehlen, deshalb sind wir auch der Auffassung, daß es unerträglich wäre, wenn im Jahre 1952 die aus dem Soforthilfefonds, aus den Umstellungsgrundschulden und nach diesem Gesetz zur Verfügung stehenden rund 550 Millionen jene Verkürzung gegenüber den Dotierungen, die in den vergangenen Jahren erfreulicherweise aus Soforthilfemitteln gewährt worden sind, erfahren würden, die hier im Gesetzentwurf mit 300 Millionen DM ihren Niederschlag gefunden hat.
Wir halten es für ein zwingendes Bedürfnis, wenn man die Forderungen des Ersten Wohnungsbaugesetzes und die Erwartungen der Vertriebenen und Kriegssachgeschädigten nicht in der elementarsten Weise vernachlässigen will, daß man die an dieser Stelle eingesetzten 300 Millionen auf 600 Millionen DM erhöht. Dementsprechend lautet unser Antrag.
Wir haben in den letzten Jahren zweifellos erfreuliche. Leistungen insonderheit für den Wohnungsbau der Vertriebenen und Sachgeschädigten erbringen können. Wir haben im Baujahr 1951 nach den vorliegenden Berichten des Bundeswohnungsbauministeriums mehr als die Hälfte, wenn nicht nahezu zwei Drittel aller erstellten Wohnungen für Geschädigte im Sinne des Lastenausgleichsgesetzes zur Verfügung gestellt. Dafür sind im Baujahr 1951 bis zu 1000 Millionen DM aus Soforthilfemitteln und Umstellungsgrundschulden bereitgestellt worden. Wenn nun diese tausend Millionen vielleicht, wie man uns sagen kann, eine einmalige Leistung waren gegenüber der anderen Konstruktion des Soforthilfegesetzes, dann meinen wir, daß es andererseits in der Zwischenzeit keine Erleichterung in der finanziellen Situation gegeben hat, die es zuließe, auf weniger als rund ein Drittel der Mittel zurückzugehen, die überhaupt zur Verfügung gestellt worden sind.
Sie haben nach unserer Auffassung bereits bei den Erörterungen, die wir zur Frage der Hausrathilfe gemacht haben, zu einem Teil den Willen bekundet — insbesondere der Herr Kollege Nöll von der Nahmer —, daß man nicht jene kollektiven Hilfen geben könne, die wir für erforderlich halten, wenn die Grundlagen des Lastenausgleichsgesetzes solche sein sollen, daß die Masse der Geschädigten, die nichts anderes verloren haben als Heim und Hausrat, aber mit Heim und Hausrat auch die Existenz verloren haben, wieder eine echte Lebensgrundlage erhält. Sie, meine Damen und Herren, geben mit den 300 Millionen DM weniger, als nach den Berechnungen des Bundesfinanzministeriums aus den Umstellungsgrundschulden aufkommen; das sollen jetzt rund 445 Millionen DM sein. Sie geben also schon weniger als diese Summe.
Wir, die wir uns im Wohnungsbauausschuß mit der Frage der Deckung der Lücke zu beschäftigen haben, die angesichts der Baukostensteigerung nur aus öffentlichen Mitteln erfolgen kann, sind der Meinung, daß eben ein möglichst großer Anteil aus dem Lastenausgleich zur Verfügung gestellt werden muß, wenn wir die erste Voraussetzung für alle Menschen, die Heim und Hof und Existenz verloren haben, die Schaffung eines Wohnraums, sichern wollen. Denn ohne diesen Wohnraum werden auch alle weiteren Versuche, den Menschen wieder eine Existenz zu verschaffen, scheitern müssen. 75 % der Millionen von Vertriebenen brauchen eine Wohnung, um damit in der Nähe jener Produktionsstätten, wo sie Aussicht haben, produktive Beschäftigung zu erlangen, wieder ansässig gemacht zu werden. Nach den Verlautbarungen des Bundeswohnungsbauministeriums fehlen heute noch trotz der zweifellos großen Bauleistungen in den vergangenen Jahren rund 31/2 Millionen Wohnungen. Sie fehlen restlos für Vertriebene und Geschädigte. Zu diesen 31/2 Millionen kommt in absehbarer Zeit — und das ist kein Problem, das wir heute zu lösen haben — noch ein Neubedarf von rund 1,11 Millionen hinzu, den wir dann auch zu decken haben.
Wenn Sie hier also Abstriche vornehmen, die von erheblicher Bedeutung gegenüber dem sind, was bisher nach dem Soforthilfegesetz geleistet worden ist, dann geschieht das zu Lasten jener Menschen, die zwar kein Vermögen verloren haben, die auch keine Entschädigung zu erwarten haben, mit der sie sich irgend etwas selbst wieder schaffen können, die aber dennoch auf diejenige Hilfe warten müssen, die wir ihnen nur aus den Mitteln des Lastenausgleichs gewähren können. Wir meinen, der Lastenausgleich ist keine Aufgabe, um die Ansprüche derjenigen zu restaurieren, die ein Vermögen verloren haben. Sie sollen entschädigt werden; aber sie können nach unserer Auffassung erst in jenem Augenblick entschädigt werden, in dem die vordringlichen Ansprüche der Millionen befriedigt sind, die aus eigener Kraft und ohne die Hilfe der öffentlichen Hand, die im übrigen dafür zur Verfügung steht, sich nicht selbst wieder eine Existenz begründen können. Darum glaube ich, daß wir es bei dieser vielleicht letzten Station der materiellen Ordnung des Lastenausgleichs nicht versäumen dürfen, an Sie den dringenden Appell zu richten, sich darauf zu besinnen, welche wirtschaftspolitischen und sozialen Verpflichtungen die Bundesrepublik hat, auch um der Sicherung der parlamentarischen Demokratie willen.
Wenn wir mit diesem Gesetz und an dieser Stelle die Interessen der Lastenausgleichsberechtigten hinsichtlich des Wohnraums vernachlässigen, weil ein Teil dieses Hauses glaubt, die individuellen Ansprüche der einigen -zigtausend Berechtigten
auf Gewährung von Entschädigungen, mit denen sie sich wieder eine echte unternehmerische Existenz zu begründen vermögen, müßten im Vordergrund stehen, dann legen Sie mit dieser Entscheidung nach unserer Auffassung eine Axt an den Lebensbaum der parlamentarischen Demokratie. Dann vernichten Sie die Hoffnungen in den Hirnen von Millionen Menschen, die sieben Jahre lang gewartet haben, die heute noch in Elendsquartieren, in Bunkern, Kellern und Barackenlagern hausen. Dann vernichten Sie für sie jede Aussicht, aus diesen unerträglichen Verhältnissen jemals wieder herauszukommen, und dann, glaube ich, vernichten Sie politische Werte, die auch Ihnen anvertraut worden sind, als bei der Wahlentscheidung des Jahres 1949 Ihre Wähler in Sie das Vertrauen gesetzt haben, Sie würden auch die berechtigten Interessen derjenigen Menschen, die kein Vermögen, die keinen Besitz verloren haben, bei der Beratung dieses wichtigen Gesetzes nicht vernachlässigen. Wir glaube", daß Sie mit dieser Vernichtung von Hoffnungen mehr als nur Ihren eigenen Wahlkredit zerstören.
Deshalb möchte ich meine Ausführungen mit dem Appell an Sie beenden, sich wie damals, als in diesem Hause im März 1950 das Erste Wohnungsbaugesetz von uns einmütig beschlossen worden ist, auch heute darüber Klarheit zu verschaffen — und dieser Klarheit gemäß Ihren Willen zu formen —, daß Ihnen, wenn Sie an dieser Stelle versagen, alle schönen Deklamationen nichts nützen, die Sie über das Problem Nummer eins, die Sicherung des Wohnungsbaues, in den vergangenen Jahren der deutschen Wählerschaft, der deutschen Bevölkerung dargeboten haben.
Ich möchte Sie, insonderheit die Damen und Herren des 18. Ausschusses, bitten, sich in dieser Frage mit uns und mit allen jenen Gutwilligen zu vereinen, die von den Notwendigkeiten der Hilfe für die große Zahl derjenigen Geschädigten, die zu den vermögensmäßig Nichtgeschädigten gehören, überzeugt sind, und für die Annahme unseres Antrags zu stimmen, daß aus Mitteln des Lastenausgleichsfonds 600 Millionen DM jährlich zur Verfügung zu stellen sind.