Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Nöll von der Nahmer hat vorhin sehr richtig die Hausratentschädigung als den zweiten Schwerpunkt des Gesetzes bezeichnet. Es will uns aber scheinen, daß es jetzt bei der Beratung nicht darum geht, auf künftige Maßnahmen hinzuweisen, die möglich sind, die aber vielleicht — wie so oft — wieder nicht erfüllt werden. Das gilt für die steuerliche Gleichberechtigung, so verdient sie ist; das gilt für den immer wiederkehrenden Hinweis auf eine künftige Novelle und für den Hinweis des Abgeordneten Preusker, der es sich leicht macht und von einer Steuerbefreiung bei nicht entnommenem Gewinn redet. Erst muß der Vertriebene einmal einen Gewinn h ab en, ehe er ihn entnehmen kann. Ich möchte mich hier in aller Entschiedenheit gegen die Sätze wenden, die in der Ausschußfassung des Gesetzes angegeben sind.
Meine Damen und Herren, die Hausratentschädigung ist für die meisten Heimatvertriebenen die einzige Entschädigung, mit der sie überhaupt rechnen können. Sie wird auf der einen Seite von gewissen Kreisen der Bevölkerung bekämpft und abgelehnt, und sie wird auf der andern Seite von den Vertriebenen dringend ersehnt. Gestern haben die Mitglieder dieses Hohen Hauses ein Schreiben der „Notgemeinschaft der Bodenständigen und Steuerzahler" zugestellt erhalten. Ich möchte mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten einige Sätze aus diesem Schreiben zitieren, das sich u. a. mit der Hausrathilfe befaßt. Hier heißt es:
Wir lehnen es ab, für Mitschuldige an dem Unglück als Bodenständige nun deren verursachten selbst zugefügten Schaden zu zahlen und diesen Leuten neue Vermögen zu schaffen, wenn sie schon allerorts bei uns eine auskömmliche Existenz gefunden haben, oder gar an ehedem vermögenslose Zugewanderte nun Hausratshilfe aus unseren sauer verdienten Steuergeldern leisten, wo der einheimische
Vermögenslose selbst nichts bekommt, und was zu handgreiflichen Ungerechtigkeiten alles sonst noch über uns ergehen soll. — Wir Bodenständige gefährden keinesfalls den sozialen Frieden, wie die Zugewanderten uns fälschlich bezichtigen. Aber wenn s i e etwa denselben gefährden wollen, was unschwer aus ihren Tiraden ersichtlich ist, so werden sie nicht nur damit ihr eigenes Grab schaufeln, sondern uns fest entschlossen finden, den sozialen Frieden im Notfall auch durch unsere Macht zu erhalten, denn „Lastenausgleich" in dem vorliegenden Entwurf ist ja nur legalisierter Raub an Stammesgleichen, wie nie zuvor in der Weltgeschichte vorgekommen.
Meine Damen und Herren, das hat ein gewisser Edelmann unterzeichnet. Er heißt nur so; er ist keiner!
Ich möchte mit diesem Auszug aus diesem Schreiben einmal die Tragik des Problems kennzeichnen. Während man im Regierungsentwurf die Entschädigung der Vermögen unbegrenzt nach oben vornimmt, speist man die Heimatvertriebenen hier mit Beträgen ab, die zu denken geben, und viele der Heimatvertriebenen werden glauben, daß aus dieser Gesetzesvorlage ein ähnlicher Geist spricht wie aus dem Schreiben der „Notgemeinschaft der Bodenständigen und Steuerzahler".
Meine Damen und Herren, ich habe in meinem Änderungsantrag zu § 318 Abs. 1 beantragt, die Beträge von 800 DM auf 1200 DM bzw. von 1200 auf 1500 und von 1400 auf 1600 DM zu erhöhen, und zwar angesichts der Erkenntnis, daß wirklich nur sehr, sehr wenig Mittel zur Verfügung stehen. Es könnten mehr sein, wenn die Regierungskoalition nicht so beharrlich auf ihrem Standpunkt verblieben wäre. Ich erinnere daran, wie vorgestern hier um die Aktienpakete der Besitzenden gerungen wurde, wie hier mit einem Temperament ohnegleichen in stundenlanger Debatte darum gekämpft wurde, den Aktienbesitzern um Gottes willen nicht weh zu tun, und man es dann bei einer fünfundzwanzigprozentigen Besteuerung beließ. Da wundert es mich nicht mehr, daß man bei dieser Haltung den Vertriebenen zumutet, mit diesen lächerlichen Beträgen auszukommen. Wir müssen es hier in diesem Rahmen sagen: Wenn man heute einer Familie, die beispielsweise über 6 Kinder verfügt, zumutet, sich mit einem Betrag von 1600 DM — 1600 DM! — abspeisen zu lassen, dann muß man sich darüber klar sein, daß sie damit nicht einmal in der Lage sein wird, auch nur für jedes Familienmitglied — —
— Es stimmt sehr wohl, Herr Zwischenrufer! 800 DM, 200 DM für die Ehefrau und 100 DM für jedes weitere Kind.
— Ich habe es sehr wohl gelesen, Herr Matzner!
Soll ich es noch einmal vorrechnen? Es geht darum, daß nach Abs. 2 Entschädigungsberechtigte mit einem jährlichen Einkommen bis 4000 RM 800 DM Grundentschädigung bekommen. Hinzu treten die Zuschläge für die Ehefrau in Höhe von 200 DM und für die Kinder in Höhe von 100 DM. Für das dritte und jedes weitere Kind — —
— Ich habe dann 100 DM unterschlagen.
Für all diese Beträge, die hier für die Geschädigten ausgesetzt sind, können sie sich nicht ein Bettgestell mit einer primitiven Matratze und einem Federbett kaufen. Man überlege einmal, daß hier für ein Ehepaar als Grundbetrag 1000 DM ausgesetzt ist. Und dann berechnen Sie, was Sie bei den heutigen wahnsinnigen Preisen für diesen lächerlichen Betrag kaufen können. Die Regierungskoalition hätte Möglichkeiten über Möglichkeiten gehabt, die wahrhaft Reichen zu schröpfen. Sie hat am laufenden Band die Möglichkeiten außer acht gelassen, gewissen Besitz heranzuziehen. Die Vertriebenen werden es niemals verstehen können, daß sie mit ein paar lächerlichen hundert Mark abgespeist werden, die sie vielleicht, wenn sie Glück haben, im Laufe der nächsten 10 oder 14 Jahre erhalten.