Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Kollege Kunze hat vorhin von „einfachen Argumenten" gesprochen. Leider gibt es kein einfacheres und primitiveres Argument als das, sich einfach auf die Zahl seiner Stimmzettel zu verlassen, überhaupt nicht zu diskutieren und Befehle entgegenzunehmen, daß Anträge überhaupt nicht angenommen werden dürfen. Wir haben auch in dieser Debatte außer dem Kollegen Dr. Kather niemanden aus der Regierungskoalition gehört und gesehen, der die Vorlage des Ausschusses ernstlich verteidigen und sich mit den Argumenten überhaupt auseinandersetzen will. Man
kann „einfache Argumente", und man kann andere Argumente bringen; aber um eines muß doch immer gebeten werden: daß in einfachen und klaren Worten gesagt wird, worum es sich handelt, und daß der Kern der Sache einfach und verständlich dargelegt wird.
Sie haben soeben wieder einmal ein Beispiel dafür erlebt, Herr Kollege Kunze, wie es einem ergeht, wenn man mit allen möglichen Beispielen, Erwägungen usw. am Kern der Sache so gern vorbeireden möchte.
Der Kern der Sache ist doch folgendes. Diese 250 Millionen DM, die Sie von den Ländern und von den Gemeinden fordern
— und vom Bund —, können Sie leicht aufbringen,
wenn Sie die Vermögensteuer erheben. Die bringt
genau denselben Betrag, mehr als die sogenannte
Vermögensteuer, die Sie jetzt erheben. Diese Vermögensteuer und die Zuschüsse den Gemeinden
und den öffentlichen Haushalten aus dem Leib zu
reißen, werden Sie allerdings nicht fertigbringen;
denn Sie brauchen dazu eine Verfassungsänderung,
schon wegen der Vermögensteuer. Ich wiederhole
es immer wieder, damit die Situation ganz klar ist.
— Das scheinen Sie nicht zu wissen; denn mit einer Blindheit, die wirklich erstaunlich ist, machen Sie einfach keine Anstrengungen, diesen Lastenausgleich auf eine wirkliche Grundlage zu stellen. Sie wollen j a nur ein Alibi haben,
um jemand anderem dann die Verantwortung zuschieben zu können.
Ich will Ihnen einmal etwas sagen. Sie reden hier immer von Novellen. Aber das gehört ja schon nicht mehr in die Novellen-, das gehört in die Romanliteratur,
diese Fortsetzungsromane, die Romane von Fortsetzungen! Ich möchte Ihnen sagen, so schnell wie Sie können wir auch Novellen einbringen!
Was werden Sie aber sagen, wenn wir nach Verabschiedung dieses Gesetzes, damit die Diskussion nicht abreißt, unsere Novellen einbringen? Haben Sie eigentlich schon einmal an die Novellen gedacht, die die nächste Regierung an diesem Gesetz anbringen wird? Haben Sie denn gar kein Gefühl für die Notwendigkeit, einem Gesetz für 30 Jahre mit einer derartigen Aktion eine tragfähige Mehrheit zu geben?
Ich freue mich außerordentlich, daß es mit dem Kollegen Dr. Kather auf den Punkt gekommen ist, daß unsere Argumente ihn überzeugen.
Dem war nicht immer so, Herr Dr. Kather. Ich möchte es in diesem Punkt noch einmal probieren. Sie werden das hoffentlich nicht als ein Zeichen von Voreingenommenheit gegen Sie ansehen.
Ich habe eben den Kern dieser Sache berührt. Diese 250 Millionen DM, die Sie von den öffentlichen Haushalten und zu einem großen Teil von
den Gemeinden und von den Fürsorgeleistungen nehmen wollen, können Sie auf eine ganz andere Weise — und für diese Weise -haben wir gestern beide gestimmt, Herr Dr. Kather — durchaus holen, ohne dadurch die Bilanz des Lastenausgleichs zu schädigen; Sie können aber auch gleichzeitig auf diese Art und Weise die Voraussetzungen für diese Bilanz schaffen,
die tatsächlich, soweit diese Bilanz z. B. an der Zustimmung des Bundesrats hängt, Herr Dr. Kather, sonst nicht gegeben sind.
Herr Dr. Kather, Sie haben so argumentiert: Die ursprüngliche Vorlage, die Regierungsvorlage, hat die Leute, die Unterhaltshilfe beziehen, zum großen Teil auf die Fürsorge verweisen wollen; diese Fürsorgeleistungen werden den Gemeinden erspart, und diese ziehen wir mit den 250 Millionen DM wieder ein, nicht wahr.
Herr Kollege Dr. Kather, ich verstehe nicht, wie diese Argumentation bei Ihnen zustandekommt. Erstens einmal würden Sie ja damit die Konstruktion und die Absicht des Regierungsentwurfs als an und für sich richtig und jetzt nur auf eine andere Weise durchgeführt anerkennen, und vor allen Dingen sind Sie es doch, Herr Kollege Dr. Kather, der Sie von allem Anfang an den naturrechtlich gegebenen Rechtsanspruch der Geschädigten auf diese Leistungen aufs Papier geschrieben haben. Wenn nach Ihrer Auffassung vom Naturrecht her ein solcher Rechtsanspruch besteht, können Sie doch nicht annehmen und nicht vortragen und nicht akzeptieren, daß die Erfüllung dieses Rechtsanspruchs als ersparte Fürsorgeleistung zu werten ist.
Sie sprachen von einer Forderung der Vertriebenen, Herr Kollege Dr. Kather. Es handelt sich darum, ob diese 250 Millionen DM in der Bilanz des Lastenausgleichs durch eine Vermögensteuer oder durch die öffentlichen Haushalte, durch die Gemeinden und durch die Fürsorgeleistungen aufgebracht werden sollen. Ich glaube wirklich nicht, daß Sie sagen kannen, es sei eine Forderung der Vertriebenen, diese 250 Millionen DM auf diese Weise aufzubringen, nämlich durch Belastung der Länder und Gemeinden, und nicht auf die andere Weise, nämlich durch die Vermögensteuer.
Ich weiß, Herr Dr. Kather, Sie haben auch für die Vermögensteuer gestimmt; aber es geht nun einmal nicht, beides zugleich können wir nicht
haben.
— Weil wir dazu zweifellos nicht die verfassungsändernde Mehrheit kriegen werden.
Wir müssen doch, weiß Gott, auch im Bundesrat zu einer Grundlage kommen.
Ich glaube, Herr Dr. Kather, daß ich Ihnen, gar nicht voreingenommen, die Argumente noch einmal vorgetragen habe. Lassen Sie sie bitte auf sich wirken. Nun wollen wir bei der namentlichen Abstimmung einmal sehen, wo die Kommunalpolitiker und wo die Fürsorgeleute in diesem Hause sind.