Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Bestimmung des § 315, daß an der Aufbringung der Mittel für den Lastenausgleich die öffentlichen Haushalte mit 250 Millionen DM für die ersten Jahre nach Inkrafttreten dieses Gesetzes beteiligt werden sollen, wird im Gesetz selbst damit begründet, daß den Gemeindeverbänden und den Ländern durch die Einführung der Unterhaltshilfe eine finanzielle Entlastung entstehe. Nun haben wir gestern bei der Debatte über die Unterhaltshilfe - ohne auf Widerspruch in Ihren eigenen Reihen zu stoßen, meine Damen und Herren von der Koalition — hier festgestellt, daß die Unterhaltshilfssätze nach dem neuen Gesetz in ihrer Höhe mit den Sätzen der Soforthilfe, die auch bisher für denselben Personenkreis gezahlt worden sind, gleich sind. Nach Ihrer eigenen Erklärung treten also in den Gemeinden die Ersparnisse, von denen Sie reden, nicht ein, jedenfalls nicht in der Höhe, daß der Betrag von 250 Millionen DM auch nur annähernd gerechtfertigt ist. Der Ausgangspunkt zu diesem § 315 ist also falsch. Nach wie vor werden die Gemeinden für ein Gros dieser Berechtigten nach diesem neuen Gesetz zusätzlich Wohlfahrtsunterstützung zahlen müssen, ganz zu schweigen von den anderen Belastungen der Gemeinden und der Länder aus diesem Gesetz, von denen ja mein Vorredner, der Kollege Heiland, schon gesprochen hat.
Von der 1 Milliarde Belastung der öffentlichen Haushalte, von der er sprach, fallen 670 Millionen auf die öffentlichen Haushalte der Länder und der Gemeinden. Diese Feststellung entnehme ich einem Material, das der Deutsche Städtetag - keine kommunistische Einrichtung! — am 23. April dieses Jahres herausgegeben hat. Darin heißt es:
Die Länder beanstanden in dieser Bilanz — die, von der wir hier reden —insbesondere den Beitrag der öffentlichen Hand mit 250 Millionen DM und die Wegnahme der Vermögensteuer der Länder, die diesen bisher wesentlich mehr als das erwartete künftige Aufkommen, nämlich rund 200 Millionen DM gebracht hat. Verbleibt die Vermögensteuer bei den Ländern und zahlt die öffentliche Hand auch keine Beiträge, so verschlechtert sich die Bilanz um 380 Millionen DM. Auf der Ausgabeseite sind die Teuerungszuschläge noch nicht berücksichtigt, die mindestens 160 Millionen DM ausmachen werden und die nach den Plänen des Bundestags gegen den Widerspruch des Bundesfinanzministers auch noch die öffentliche Hand aufbringen soll. Es fehlen also dann 540 Millionen DM. Auch bei Berücksichtigung gewisser Änderungen, die der Bundesrat noch vorschlägt, und in Würdigung des Umstandes, daß in der Einnahmeseite wahrscheinlich gewisse „stille Reserven" gegenüber der Schätzung des Bundesfinanzministers stecken, verbleibt, wenn den Wünschen der Länder entsprochen wird, ein Fehlbetrag von 250 bis 300 Millionen DM, der nur gedeckt werden könnte, wenn die Aufwendungen für die Hausratshilfe auf eine längere Zeit verteilt werden und deshalb in den Anlaufjahren nicht eine so hohe Belastung, wie in der Bilanz vorgesehen, verursachen.
Der Ausweg, den Sie hier ins Auge gefaßt haben,
bedeutet also eine Hinauszögerung der Auszahlung
der Hausratshilfe. Das ist der Ausweg, den die
Mehrheit in diesem Hause sieht und zu gehen bereit ist.
Nun, wir haben uns noch vor kurzem hier über die derzeitige finanzielle Lage der Gemeinden unterhalten müssen. Ich weise im Zusammenhang mit diesem Problem auf die Tatsache hin, daß es im Parlamentarischen Rat wir Kommunisten allein waren, die die Forderung gestellt haben, daß die finanzielle Sicherung der Gemeinden durch das Grundgesetz gewährleistet wird. Alle damaligen Mitglieder des Parlamentarischen Rates haben sich über diese Notwendigkeit hinweggesetzt. Den Grund dafür werde ich am Ende meiner Ausführungen nennen.
Wie ist nun die Lage in den Gemeinden? Zu den Beträgen, die heute hier von dem Herrn Kollegen Heiland genannt worden sind, kommen u. a. noch die Belastungen aus dem Gesetz nach Art. 131 hinzu, die die Gemeinden zu tragen haben; es kommt die Verschlechterung der finanziellen Lage der Länder und der Gemeinden hinzu, die durch die Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von 27 auf 40 % eintritt, ein Ergebnis von rund 1,4 Milliarden DM Belastung der Gemeinden.
Was ist die Konsequenz dieser Politik? Die Konsequenz dieser Politik ist, daß die Gemeinden immer mehr zu einem Abbau aller bisherigen Leistungen auf dem Gebiete der öffentlichen Wohlfahrt, auf dem Gebiete der Kulturpolitik übergehen werden. Wir haben bei den letzten Haushaltsberatungen in den Gemeinden bereits überall die Feststellung treffen können, daß die Aufwendungen der Gemeinden zur Förderung des sozialen Wohnungsbaus, zur Förderung des Schulbaus, zum Zwecke der Reparatur der durch den Krieg zerstörten Schulgebäude wesentlich reduziert werden mußten.
Aus dieser finanziellen Misere der Gemeinden gibt es nun einen Ausweg, den die in der Gemeinde regierenden politischen Kräfte einschlagen. Die Kriegsfolgelasten, die kraft Grundgesetzes durch den Bund getragen werden müßten, decken die Gemeinden infolge des Versagens des Bundes auf diesem Gebiet in der Form, daß sie die Aufwendungen, die in jeder Gemeinde unvermeidbar sind, durch eine ständige Erhöhung der kommunalen Gebühren finanzieren, durch Erhöhung der Preise für Gas, Wasser, Elektrizität, für die Verkehrsmittel usw. usw. Aus dem außerordentlichen Haushalt müßten die Ausgaben gedeckt werden, sie müßten durch öffentliche Anleihen gedeckt werden. Die stehen aber den Gemeinden nicht zur Verfügung. Auf den Gemeinden lastet jedoch die Verpflichtung, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen, einen Haushalt, dessen Ausbalancierung immer mehr dadurch erschwert wird, daß den Gemeinden über die sogenannten Auftragsangelegenheiten hinaus unerträgliche Lasten auferlegt werden. Ich denke da z. B. nur an die Mehrbelastung der Gemeinden infolge des ständig anwachsenden Anteils an den Polizeikosten.
Nun meinte mein Vorredner, der Kollege Heiland, man müsse hier eine Kommunalfeindlichkeit feststellen. O nein: die Sache liegt etwas tiefer! Sehen Sie, Sie kommen doch auch aus der kommunalen Praxis. Was erleben wir unten in der Gemeinde? In der Hauptsache regieren ja dieselben politischen Kräfte, die hier oben die Politik der finanziellen Auspowerung der Gemeinden be-
treiben, auch unten in den Gemeinden bei uns in der Bundesrepublik.
— In der Hauptsache! Und diese Kräfte verteidigen sich, wenn in den Gemeinden die Bevölkerung gegen die dauernde Verschlechterung der sozialen und kulturellen Leistungen ankämpft, gegen diesen von Ihnen inaugurierten Kurs dadurch, daß sie ,sagen: Ja, wir haben ja keine Mittel, der böse Bund, der Bundestag, die Bundesregierung versagen uns die Mittel. — Sehen Sie, da liegt der Hund begraben.
Was hier an Verschlechterungen zu Lasten der Gemeinden durchgeführt wird, das decken politisch in der Gemeinde eben dieselben politischen Kräfte, die hier das Unheil verursachen. Das ist eine sehr raffinierte und eine sehr geschickte Verlagerung der politischen Verantwortung.
— Ja, ja, Ihre Freunde in der Gemeinde sind Blut von demselben Blute,
das etwa in dem Herrn Schäffer pulsiert!
Wie kann man, Herr Kollege Heiland, überhaupt hier den Vergleich zwischen Sankt Martinus und dieser Mehrheit anstellen!
Das ist doch wirklich ein bißchen zu stark, Herr Kollege. Hier regiert ja nicht der Geist des Sankt Martinus, sondern hier regiert der Geist des Herrn Pferdmenges.
Das ist ja nicht gerade ein Heiliger, der teilt. Hier mehr zu sagen, kann ich mir nicht erlauben, weil hinter mir der Herr Präsident steht.
— Lachen Sie doch nicht, meine Herren. Ich will Ihnen jetzt einmal ein Bild, einen Ausschnitt hier aus diesem Hause vom Mittwoch vortragen. Da ging es um die Einbeziehung der Aktien und Kuxe in den Lastenausgleich.
Da wurden von verschiedenen Sprechern des Hauses so stichhaltige, beweiskräftige Argumente für die Notwendigkeit und die Berechtigung der Einbeziehung der Aktien und der Kuxe in den Lastenausgleich vorgetragen, daß die Situation für Sie, die Verteidiger der großen Aktienpakete, etwas mulmig wurde.
Was geschah dann? — Sehen Sie, ich habe ein scharfes Auge. Was geschah? — Da trat auf einmal der Herr Pferdmenges in die Erscheinung, der Mann, der sonst nur immer hinter dem Vorhang arbeitet. Er ging zum Herrn von Brentano, und der Herr von Brentano ging zum Herrn Neuburger; und der Herr Neuburger meldete sich zum Wort und hielt dann eine Verteidigungsrede gegen die verruchten Pläne, der Einbeziehung der Aktien in den Lastenausgleich.
— Sehen Sie, das ist der Geist, der hier herrscht: nicht Sankt Martinus, sondern Sankt Pferdmenges, Sankt Adenauer herrschen hier bei uns!
— So liegen die Dinge. Sie mögen reden, wie Sie wollen.
— Sie mögen reden, wie Sie wollen. Was Sie selber im Wirtschaftsrat einmal proklamiert haben, daß dieser Lastenausgleich in einem wirksamen Eingriff in die Besitzsubstanz bestehen müsse, das machen Sie hier zu einer Farce. Sie lassen die Lasten sogar von den Geschädigten selber tragen. Sie legen die Lasten nicht denen auf, die nennenswerten Besitz aus dem Kriege gerettet haben oder nach der sogenannten Währungsreform neue Milliardenbeträge aufzuhäufen in der Lage waren; Sie legen die Lasten für diese Kriegsfolgen auf die Masse, auf die Schultern des gesamten deutschen Volkes. Das ist Ihre Politik. Für diese Politik werden Ihnen hoffentlich nicht nur die Berechtigten, sondern wird Ihnen hoffentlich bei der nächsten Wahl auch das ganze deutsche Volk die gebührende Antwort geben.