Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zu der verblüffenden Anregung des Herrn Kollegen Dr. Preusker nur folgendes sagen. Ich bedaure außerordentlich, daß seine Fraktion ihn nicht in den Lastenausgleichsausschuß geschickt hat. Das hört sich sozusagen wie das Ei des Kolumbus an. Es ist noch dazu ein kostenloses Ei des Kolumbus. Ich bin sehr begierig, zu wissen, wozu sich das einmal verdichten wird.
— Ich will es lieber nicht sagen.—Herr Dr. Preusker als Minister? Gott behüte!
— Nein, nein, kein Bedarf, wahrlich nicht! Wir
haben schon schwer genug an den Ministern zu
tragen, die Sie uns aus Ihren Reihen bisher serviert haben.
— Manchmal hat sie sogar recht, wie in diesem Fall!
— Na, na!
Also zur Sache. Ich nehme niemals jemandem ein ehrliches Bekenntnis zu seinen wirklichen Absichten übel. Böse werde ich immer nur dann, wenn jemand das, was er eigentlich will, hinter irgendwelchen großartigen oder großen und respektablen Begriffen versteckt. Wenn man von Anfang an allen Vertriebenen gesagt hätte, was der quotale Lastenausgleich wirklich bedeutet, daß der quotale Lastenausgleich eben alle diejenigen ausschließt — das ist nun einmal die weitaus größte Zahl der Vertriebenen und der anderen Geschädigten —, die ein Vermögen im Sinne einer quotalen Vermögensentschädigung richt gehabt haben, dann wäre das eine sehr anerkennenswerte, mutige Tat gewesen. Die Moralität des quotalen Lastenausgleichs liegt hier keineswegs in unseren Augen. Wir denken gar nicht daran, zu sagen, daß der quotale Lastenausgleich an sich unmoralisch ist. Aber wenn der quotale Lastenausgleich nur auf eine Minderheit angewendet werden kann und wenn infolgedessen die Mehrzahl derjenigen, die auch ihre Existenz, die auch ihre Lebensgrundlagen verloren haben — auch wenn sich das nicht in einem sehr großen Geldbetrag ausdrückt —, dabei auf der Strecke bleiben, dann wird die Sache eben wirklich unmoralisch.
— Natürlich bleiben die auf der Strecke.
Meine Damen und Herren, etwas zum Grundbetrag. Es wird immer so dargestellt, als ob man den Vertriebenen und den übrigen Geschädigten wirklich etwas gäbe, wenn man in dieses Gesetz zu der einzelnen Schadengruppe entweder so, wie es die Regierung getan hat, oder nun überhaupt ohne jede Begrenzung auf Gruppen, in jedem Falle also, einen Grundbetrag hineinschreibt und dabei selber weiß, daß es völlig offen ist, wann denn dieser Grundbetrag ausgezahlt werden wird.
Wir alle kennen die Aufkommenseite der Angelegenheit. Abgesehen von den Anträgen, die wir gestellt haben und die leider abgelehnt worden sind, ist ja hier von Ihrer Seite eine Anstrengung zur Erhöhung des Aufkommens nicht gemacht worden. Auf der andern Seite gibt es eine Reihe von Fragen, eine Reihe von Aufgaben, deren Erledigung sich auch die Quotalisten zu ihrem großen Bedauern — nicht wahr? — und mit einer recht erheblichen Kritik, wie wir sie hier heute von Herrn Farke als angebliche Übertreibung der sozialen Leistungen gehört haben, nun einmal nicht entziehen können. Wir wissen ganz genau, wie außerordentlich wenig nun für die Eingliederung und damit auch für die Hauptentschädigung übrigbleibt. Jemandem, ich weiß nicht, was: 3000, 4000, 5000, 8000 DM zu versprechen und ihm zu sagen, daß es eventuell 30 Jahre dauern kann, bis er in den Genuß dieses Betrages kommt, ist doch noch weniger, als überhaupt keinen Grundbetrag zu
nennen. Dann sagt man wenigstens nicht etwas, worüber sich die Leute außerdem noch ärgern müssen. Dann macht man ihnen keine Illusionen, wissend, daß die Versprechungen nicht in Erfüllung gehen werden. Wenn Sie jetzt hier einen Grundbetrag hineinschreiben und den Leuten einen Rechtsanspruch auf diesen Grundbetrag geben, dann nehmen Sie sich in der Praxis durch die Reihenfolge der Auszahlungen jede Möglichkeit, für eine vernünftige Verwendung der unter großen, von der gesamten Volkswirtschaft zu tragenden Opfern aufzubringenden Mittel. Wie wollen Sie denn jemandem, dem Sie hier sagen, daß er 5000 oder 7000 oder 10 000 oder gar 80 000 DM zu kriegen hat, diese 80 000 DM mit der Begründung vorenthalten, daß er damit vielleicht etwas anfange, was denen, die darüber zu entscheiden haben, nicht gefällt oder was der allgemeinen volkswirtschaftlichen Logik nicht entspricht? Der Mann wird sagen: Ihr sagt mir, daß ich das zu bekommen habe; ihr wollt es mir geben auf Grund eines nachgewiesenen Vermögensverlustes; ihr gebt es mir als Ersatz für mein Vermögen. Mir aber, dem Vertriebenen oder dem Kriegssachgeschädigten, mir aber wollt ihr vorschreiben, wie das verwendet werden soll; und wenn ich mich euren Vorschriften nicht beuge, dann enthaltet ihr mir das einfach vor.
Das, meine Damen und Herren, wird sich durchsetzen. Und Sie werden eine Fülle von Fehlinvestitionen, von hoffnungslosen Unternehmungen starten sehen. Es wird dabei eine Menge Geld verlorengehen, und sehr viele von denen, die in ihrer Verzweiflung nun irgend etwas mit den 3- oder 4000 DM anfangen, die Sie ihnen geben, werden auf diese Weise außerdem auch noch um die Hilfe aus dem Lastenausgleich betrogen, die ihnen hier versprochen werden soll.
Darum wollen wir über den Grundbetrag in diesem Gesetz nichts sagen, vor allem aber aus einem andern Grunde nicht. Ehrlicherweise und vernünftigerweise kann man auch niemandem darüber etwas sagen. Das kann man eben erst tun, wenn die Voraussetzungen dafür vorliegen und wenn man das einigermaßen übersehen kann. Dieser Tatsache haben Sie ja selber insofern Rechnung getragen, als schon der Regierungsentwurf sagt, daß die endgültige Höhe des Betrages erst ineinem späteren Gesetz, eben nach Erstellung der Unterlagen mitgeteilt werden soll. Das ist auch heute noch so. Alles, was Sie vorher machen, 'sind entweder leere Versprechungen, oder es ist tatsächlich die Absicht bei Ihnen vorhanden, das, was Sie hier sagen, auch zur Auszahlung zu bringen; und dann sagen Sie mir, wie Sie gegenüber diesen Versprechungen die sozialen Aufgaben, die volkswirtschaftlichen Notwendigkeiten durchsetzen werden!