Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Mit dem § 269 berühren wir nach meiner Überzeugung den Kernpunkt des Gesetzes neben der Hausratentschädigung. Die Gestaltung dieses Paragraphen ist — wohl nach unser aller Ansicht — für das ganze Gesetz von schlechthin entscheidender Bedeutung. Wir haben uns die Argumente sehr ernsthaft überlegt, die Herr Kollege Ohlig uns hier vorhin vor der Mittagspause vorgetragen hat. Der Änderungsantrag zu 269, den die sozialdemokratische Fraktion gestellt hat, weicht in zwei entscheidenden Punkten von der Fassung des § 269 ab: Einmal insofern, als die Schadengruppen auf Grund der hier eingehend vorgetragenen Erwägungen der Verwaltungsvereinfachung gebildet werden, und zum andern — und das scheint mir eigentlich das viel Wesentlichere zu sein — insofern, als nun in dem sozialdemokratischen Änderungsantrag keine Entschädigungsbeträge, keine Grundbeträge vorgeschlagen werden.
Lassen Sie mich zunächst zu diesem zweiten Punkt sprechen, der meines Erachtens für uns das Wesentliche darstellt. Die Regierungsvorlage hatte — das darf ich feststellen — in § 224 auch Grundbeträge festgesetzt. Insofern weicht also auch der sozialdemokratische Änderungsantrag von der Regierungsvorlage ab. Auf die Festsetzung bestimmter Grundbeträge schon in diesem Gesetz legen nun meine Freunde — und ich glaube hier auch für die Koalition sprechen zu können — entscheidenden Wert. Wir haben zu Abs. 2 des § 269 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß wohl eine Erhöhung der einmal zugesagten und gesetzlich festgelegten Grundbeträge statthaft ist, daß wir aber der Ansicht sind, daß mit diesem Gesetz und Festlegung der Grundbeträge im § 269 der Rechtsananspruch auf Hauptentschädigung in dieser Höhe verankert wird. Ich lege auch auf Grund von eingehenden Besprechungen in der Koalition besonderen Wert darauf, hier noch einmal zum Ausdruck zu bringen, daß wir alle der Überzeugung waren, daß eine etwaige Herabsetzung dieser jetzt gesetzlich zu verankernden Entschädigungsbeträge eine Enteignung bedeuten und dementsprechende Rechtsfolgen nach sich ziehen würde, wie sie im Grundgesetz festgelegt sind. Das ist für uns ein sehr wesentliches Argument und eine grundsätzliche Forderung, die wir hier an das Gesetz stellen müssen: Die Geschädigten müssen mindestens mit Grundbeträgen in dieser Höhe rechnen können, wobei lediglich ungewiß ist, ob später einmal eine Erhöhung erfolgt. Das letztere kann — darüber waren wir uns ja im Ausschuß alle klar — erst diskutiert werden, wenn nach dem Feststellungsverfahren die Schadenshöhe ermittelt ist und sich auf der anderen Seite die finanzielle Entwicklung des Fonds übersehen läßt. Wir können auf die Festlegung dieser Entschädigungsbeträge im Gesetz nicht verzichten.
Nun sind diese Entschädigungsbeträge in ihrer
Höhe angegriffen worden. Dieser Fragenkomplex
hat uns auch im Ausschuß stark beschäftigt. Meine
Herren, ich würde empfehlen, daß wir noch einmal
ganz ruhig und ohne Voreingenommenheit die
wirklichen Sätze prüfen, wie sie in dem § 269 der
Vorlage vorgesehen sind. Sind denn da irgendwelche Übertreibungen enthalten? Sind da Sätze
angegeben, die man vor der Masse der Geschädigten nicht mehr verantworten kann? Ich greife hier
einmal die Entschädigung bei einem Verlust von
500 000 Mark heraus. Bei einem so großen Verlust,
der sich auf Grund der Einheitswerte errechnet,
ergibt sich nach der Vorlage des Ausschusses eine
Entschädigung von 34 335 DM.
— Und dazu, Frau Kollegin Krahnstöver, kommen natürlich die Zinsen. Aber ich glaube, gegen die Verzinsung in Höhe. von 4 % kann man doch wirklich nichts einwenden angesichts der Tatsache, daß es ganz ungewiß ist, wann diese Entschädigungssumme tatsächlich zur Auszahlung kommt. Daß man einen Zinszuschlag gibt, scheint mir einfach ein Gebot der Gerechtigkeit zu sein, damit wenigstens ein gewisser Ausgleich zugunsten desjenigen stattfindet, der erst sehr viel später zum Zuge kommen kann als andere, die die Auszahlung schon in absehbarer Zeit erhalten.
Die ungeheuerliche Vermögensumschichtung als Folge der Katastrophe, die über unser Volk hereingebrochen ist, wird in ihrer ganzen Schwere deutlich. wenn man sich die Zahlen des § 269 ansieht. Die Einwendungen, die auch schon im Ausschuß diskutiert worden sind, sind vor allen Dingen dagegen erhoben worden. daß man keine Höchstgrenze für die Entschädigung festgesetzt hat. Herr Kollege Ohlig hat ganz recht; auch hier handelt es sich für uns um eine grundsätzliche Frage, nämlich den Eigentumsgedanken. Hier bestehen verständlicherweise grundsätzliche Gegensätze. Den Grundsatz der Gleichheit aller Staatsbürger interpretieren wir so. daß man nicht einfach dem. der ein größeres Vermögen gehabt hat, einen solchen Entschädigungsanspruch vollständig verweigert oder ihn auf eine bestimmte Höchstsumme begrenzt. Nach der Auffassung unseres Jahrhunderts ist es andererseits ebenso gerecht, nicht einfach proportional zu entschädigen, sondern bei steigendem Vermögen die Entschädigungszahlungen degressiv zu staffeln.
Wenn man die Zahlen des § 269 kritisch auswertet, wird man wirklich nicht sagen können, daß der Fonds außergewöhnlich stark zugunsten der Großvermögensbesitzer beansprucht wird. Ich habe den Eindruck, daß bei den heute vormittag genannten Zahlen eins übersehen worden ist, nämlich daß es sich lediglich um natürliche Personen handelt, die für die Entschädigung in Frage kommen, und daß die juristischen Personen, die ja hauptsächlich die Träger großer Vermögen sind, für eine solche Entschädigung überhaupt nicht in Betracht kommen.
— Ja, Herr Kollege, hier kommen doch erstens einmal die Einheitswerte in Betracht. Wie hoch sind denn bei Zugrundelegung von Einheitswerten unter Abzug der Schulden diese Vermögen?
— Ich kämpfe gar nicht für diese großen Vermögen, Herr Kollege Seuffert, sondern ich kämpfe hier nur für das Prinzip. Ich kann nicht einfach sagen: Ein großes Vermögen wird überhaupt nicht entschädigt. Ich kann das um so weniger, als die vorgeschlagenen Entschädigungen ohnehin schon sehr deutlich die ungeheure Vermögensumschichtung widerspiegeln. Diese Umschichtung ist schon groß genug, und wir wehren uns dagegen, daß sie durch ein einfaches Guillotine-System immer noch stärker akzentuiert wird. Ich glaube, auf Grund dieser Überlegungen wird man der Lösung, wie sie § 269 jetzt bringt, durchaus zustimmen können und auch zustimmen müssen.
Mein Kollege von Golitschek hat sich im Ausschuß immer wieder mit der Frage beschäftigt, ob es denn wirklich richtig sei, daß ein so großer Verwaltungsaufwand entsteht, wenn man nicht einfach auf die doch auch sehr bedenklichen Schadengruppen abstellt, sondern — wie der schöne Ausdruck heißt — „spitz feststellt". Nun, das sind doch Fragen, die schon bei den Beratungen des Feststellungsgesetzes diskutiert worden sind. Im Ausschuß "haben mich gerade die Ausführungen meines Freundes von Golitschek durchaus davon überzeugt, daß der Verzicht auf die sehr bedenklichen und schematischen Schadengruppen keineswegs eine untragbare Verwaltungserschwerung bedeutet, so daß ich auch keine Veranlassung sehe, jetzt hier abweichend vom Feststellungsgesetz eine andere Regelung zu treffen.
Wenn ich alle diese Momente ruhig und objektiv abwäge, kann ich wirklich nicht einsehen, daß der Vorschlag der sozialdemokratischen Fraktion einen Vorteil gegenüber der jetzigen Fassung des § 269 bedeutet. Jede dieser Fassungen hat ihre Bedenken! Aber ich habe den Eindruck, daß gerade die Geschädigten auf eines besonderen Wert legen, nämlich darauf, auf Grund dieses Gesetzes wenigstens einmal ein ungefähres Bild davon zu bekommen, mit welcher Entschädigung sie rechnen können, und daß weiter auf diese Entschädigung, mag sie auch unzulänglich und gering sein — das wissen wir alle —, ein einwandfreier Rechtsanspruch besteht, der den Geschädigten nicht mehr gekürzt werden kann, sondern bei dem allenfalls noch eine Aussicht auf Erhöhung besteht. Aus allen diesen Gründen halte ich die Fassung des § 269 für richtig und bitte, den Änderungsantrag der sozialdemokratischen Fraktion abzulehnen.
Zu den Sehr interessanten Ausführungen von Herrn Kollegen Müller brauche ich wohl kaum Stellung zu nehmen. Ich kann nur bedauern, daß wir anderen die Lösungsmöglichkeiten, die Herr Kollege Müller hier entwickelt hat, nicht so einfach sehen. Aber wenn wir in der Sowjetzone einmal einen solchen Lastenausgleich haben, werden wir ihn sicher gern studieren und prüfen.