Es gilt zunächst, die Schlacken der nationalsozialisitischen Gedankengänge zu beseitigen – Dinge, die nicht ohne Bedeutung sind —, so, wenn wir es ablehnen, Kinder, Jugendliche unter 14 Jahren, vor den Strafrichter stellen zu lassen, oder wenn wir eine typisch nationalsozialistische Vorstellung, die des „jugendlichen Schwerverbrechers", beseitigen, die es gestattete, unter Gesichtspunkten typisch nationalsozialistischer Betrachtung Jugendliche unter das Erwachsenenstrafrecht zu stellen.
Wenn ich Ihnen den Hauptpunkt unseres Entwurfs vor Augen stelle, so möchte ich sagen: wir verfolgen vor allem den Zweck, den Erziehungsgedanken im Jugendstrafrecht stärker herauszustellen. Hier ist vor allem eines bedeutsam: daß wir ein Mindestmaß, und zwar ein hohes Mindestmaß der Strafe festlegen. Wir schlagen vor, daß eine Jugendstrafe sechs Monate betragen muß, d. h. also, daß Straftaten, die diese Strafe nicht verdienen, nicht kriminell geahndet werden. Dieser Vorschlag gründet sich auf die Erfahrung, daß kurzfristige Freiheitsstrafen regelmäßig erzieherisch völlig wertlos, ja sogar meistens für den Jugendlichen schädlich sind. Mit den Grundsätzen der Reformbewegung in dieser Richtung halten wir es für richtig, im Bereich des Jugendstrafrechts mit den kurzfristigen Strafen Schluß zu machen und an ihre Stelle andere, erzieherisch wertvollere Maßnahmen zu setzen. Wir sind uns dabei durchaus bewußt, daß wir dadurch an den Jugendrichter sehr hohe Anforderungen stellen, die er wohl nur erfüllen kann, wenn er sich über den Sinn der jugendstrafrechtlichen Maßnahmen volle Klarheit verschafft und wenn er hohe persönliche Qualitätsforderungen erfüllt.
Wir wollen ihm nun auch besondere Instrumente an die Hand` geben, mit denen er diesen erzieherischen Aufgaben gerecht werden kann. Wir geben ihm ein umfassendes System der Bewährungshilfe, das sich besonders die günstigen Erfahrungen des Auslands in der Form der sogenannten probation zunutze macht. Die wesentlichen Rechtseinrichtungen, die wir ihm bieten wollen, sind die gerichtliche Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung und die Aussetzung der Verhängung der Jugendstrafe, um in Freiheit nachhaltig auf einen straffällig gewordenen Jugendlichen einwirken zu können. Es ist eine Erfahrung, die gerade auch in den skandinavischen Staaten gemacht worden ist, daß die erzieherische Einwirkung auf Jugendliche in der Freiheit zu viel besseren Ergebnissen führt als ein Strafvollzug in einer geschlossenen Anstalt. Es wurden in vielen Staaten ganz überzeugende Ergebnisse erzielt, besonders in der Form einer Minderung der Gesamtkriminalität, aber auch in einer Senkung der Vollzugskosten. Um den Anschluß an diese fortschrittliche Rechtsentwicklung des Auslandes zu gewinnen, wollen wir den hauptamtlichen Bewährungshelfer schaffen, der unter Verantwortlichkeit gegenüber dem Richter die Aufgabe hat, den vorerst von einer Strafe verschonten Jugendlichen während einer Bewährungszeit in Freiheit zu überwachen und ihm helfend zur Seite zu stehen. Das ist der eine Teil der Reform, die wir Ihnen vorschlagen.
Daneben ist das Bedeutsame die besondere strafrechtliche Behandlung der 18- bis 21-jährigen, der, wie wir sie nennen. Heranwachsenden. Ich will mich auf die Umschreibung des Vorschlags beschränken, den unser Entwurf macht. Grundsätzlich soll der 18- bis 21-jährige dem Erwachsenenstrafrecht unterliegen. Nur unter besonderen Voraussetzungen — wenn er in seiner geistigen und sittlichen Entwicklung zurückgeblieben ist, wenn er also insoweit noch einem Jugendlichen gleichsteht, oder wenn seine Tat eine typische Jugendverfehlung ist — soll er einem Jugendlichen gleichgeachtet und ebenso wie dieser behandelt werden.
Eine weitere bedeutsame Änderung ist die Neuordnung der Jugendgerichtsverfassung, die ich Ihnen vorschlage, besonders die Beiziehung von Laien, die im Jugendgerichtsverfahren in besonderem Maße erforderlich sind.
Ich darf mich auf diese Andeutungen beschränken. Die Tendenz des Entwurfs — wenn ich sie in einen Satz fasse — ist der Dienst an unserer Jugend, an unserer Jugend, die in eine schwere Zeit hineingestellt worden ist. Wenn sie fehlt und wenn sie irrt, wollen wir ihr helfen, bevor wir sie richten.