Rede von
Ernst
Mayer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Schönen Dank, Herr Präsident; es berührte mich nicht.
Ich wollte trotz dieser Pannen bei dieser Gelegenheit den Herrn Bundeskanzler erneut bitten und auch Sie, meine Herren von der Opposition, doch immer und immer wieder den Versuch zu erneuern, daß man in außenpolitischen Dingen zu einer Gemeinsamkeit gelangt, Sie beiderseits zu bitten, doch nicht immer Ziele und Motive zu verdächtigen, wenn es sich um Meinungsverschiedenheiten meinetwegen in der Taktik handelt,
vor allem dann nicht zu verdächtigen, wenn man selbst keinen anderen Weg weiß.
Sehr schön, Herr Kollege Eichler, ist das Zitat: Die Deutschen haben das Recht, und die Franzosen haben die Saar! Wie Sie den Tatbestand praktisch ändern wollen, haben Sie uns leider auch verschwiegen.
Die Auffassung, meine Herren, über das Saargebiet und das, was mit ihm zu geschehen hat, ist viel einheitlicher, als Sie vorhin den Eindruck zu erwecken versuchten. Sie ist einheitlich, wenn Sie die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers und Ihren Entschließungsantrag vergleichen, dem ich mit Freuden zustimmen werde,
so einheitlich, daß sich unsere Auffassungen eigentlich überhaupt nicht unterscheiden. Wir sind uns einig in der Auffassung, daß die Saar deutsch ist, und wir sind uns weiter darüber einig, daß an diesem Tatbestand alle einseitigen Akte, die mittlerweile vorgenommen worden sind, nichts geändert haben. Das deutsche Volk, vor allen Dingen das Volk an der Saar wird heute mit einer gewissen Beruhigung die Bestätigung erfahren haben, daß der Herr Bundeskanzler auch bei seinen Pariser Gesprächen von diesem Standpunkt nicht abgewichen ist. Was an der Saar in Übereinstimmung mit Potsdam und gegen Potsdam geschah, ist und bleibt vorläufig, bis Frankreich und Deutschland sich über eine endgültige Lösung geeinigt haben. Wir sind unbeschadet unserer Auffassung — mein Kollege Neumayer wird nachher noch einiges über die rechtliche Situation sagen —, daß der Wille der saarländischen Bevölkerung 1935 seinen auch heute noch gültigen Ausdruck gefunden hat, sehr wohl damit einverstanden, daß bei der Endlösung dieser Wille der saarländischen Bevölkerung respektiert wird.
Herr Hoffmann und seine Helfer und seine fremden Befehlsgeber berufen sich bei der Ausdeutung des Willens der Saarbevölkerung auf das, was 1947 dort geschah. Wenn damals außer fragwürdigen politischen und geschäftlichen Transaktionen an der Saar etwas Weiteres geschah, dann dies, daß man in der brutalsten Form einen sich verlassen fühlenden deutschen Volksteil vor die Alternative stellte, entweder zu verhungern oder auf die Pläne der Herren Grandval, Hoffmann und Kirn einzugehen. Was damals geschah, war keine Volksbefragung, sondern es war — ich glaube, das weiß man heute auch in der Welt — eine Erpressung. Es war die Frage: Wollt ihr Stillegung der Betriebe, wollt ihr Demontage der Betriebe oder wollt ihr die Kooperation mit Frankreich? Die Existenzangst der 900 000 Menschen an der Saar und der Hunger haben damals Herrn Hoffmann eine zweifelhafte Legitimation gegeben. Daß auch diese brüchige Vollmacht nicht mehr gilt, hat der Verlauf des Gewerkschaftskongresses an der Saar bewiesen. Was 1947 — man muß das sagen, und Kollege Eichler hat das vorhin schon in ähnlicher Form festgestellt — an der Saar geschah, unterschied sich nur in der Methode und im Umfang von dem, was im Osten geschah.
Der Herr Bundeskanzler hat uns nun berichtet, daß man in Paris darüber gesprochen habe, einen frei gewählten Landtag zu hören, nachdem eine deutsch-französische Vereinbarung über den endgültigen Status zustande gekommen sei. Ich glaube, der Herr Bundeskanzler ist sich mit uns darüber im klaren, daß ein Landtag, den wir als zu einer Mitwirkung legitimiert anerkennen sollten, nicht nur voraussetzt, daß etwa kurz vor dem Wahltermin das von Herrn Hoffmann neulich durchgepeitschte Parteiengesetz aufgehoben wird, sondern auch voraussetzt die sofortige Herstellung aller demokratischer Freiheiten, der Redefreiheit, der Pressefreiheit und der Freiheit zur Gründung und zur Wirksamkeit deutscher Parteien. Es muß der unmögliche Zustand beseitigt werden, daß der Verrat an Deutschland staatlich honoriert, gefördert wird und daß das Bekenntnis zu Deutschland unter Strafe gestellt wird. Es muß ein Zustand beseitigt werden, der seinen Ausdruck etwa darin findet, daß die Klageschrift der DPS nicht veröffentlicht werden durfte und beschlagnahmt wurde. DPS! Man hört jetzt wieder, die UPS habe einen Nationalismus züchten wollen und erstrebe eine deutsche Irredenta. Ob es einen deutschen Nationalismus an der Saar gibt, hängt nicht von der DPS und nicht von den Parteien dieses Hauses ab. Ob an der Saar sich ein deutscher Nationalismus in der Zukunft entfaltet, hängt einzig und allein von dem Verhalten Frankreichs und seiner Vertreter ab.
Bei der Prüfung der Legitimation eines künftigen
Saarparlaments ist nicht nur daran zu denken, daß
die formalen Voraussetzungen für eine demokratische Meinungsbildung und Meinungsäußerung geschaffen werden, sondern auch daran, daß sich die
abstimmungsberechtigte Bevölkerung in einer unerhörten wirtschaftlichen Abhängigkeit und unter
einem unvergleichlichen Druck befindet. Ein großer
Teil der Arbeiter und Angestellten bezieht seine
Löhne und Gehälter aus französischen Kassen oder
aus den Kassen französisch geleiteter Betriebe. Gewerbetreibende und Unternehmer sind abhängig
von der Kreditpolitik und von der Auftragsvergebung saarländischer Regierungsstellen. Wenn also
ein solcher Landtag — nicht zur Entscheidung —,
aber zur Mitwirkung berufen sein soll, dann ist unserer Meinung nach Voraussetzung, daß an der Saar sofort und nicht erst am Tage vor der Wahl der politische, der wirtschaftliche und der Gesinnungsterror verschwinden.
Das scheint uns im Interesse der Befriedung sehr viel wichtiger als etwa der Versuch, das umstrittene Ansehen des Herrn Grandval durch ein Zeitungsverbot zu schützen. Herr François-Poncet hat das Verbot dankenswerterweise oder erfreulicherweise aufgehoben
und hat uns damit der Verpflichtung enthoben, uns mit ihm auseinanderzusetzen. Er hatte es, worauf eine deutsche Zeitung verdienstvollerweise hingewiesen hat, ja auch nur aufrechterhalten können, wenn er sich zu unserem Standpunkt bekannt hatte, daß namlich das Saargebiet besetztes deutsches Land, Herr Grandval mithin Besatzungsangestellter ist, daß es an der Saar keine souverane Regierung gibt und mithin auch keinen Botschafter geben kann. Mein Optimismus reicht nicht so weit, um Herrn François-Poncet zu untersteilen, dab er etwa so gedacht hat, als er dieses unglückselige Verbot ausgesprochen hat. Mein Optimismus reicht aber immerhin dazu aus, um trotz des peinlichen Rückfalls in die Methoden von 1945/46 zu glauben, daß Herr François-Poncet genau wie wir ehrlich eine deutsch-französische Verständigung, daß er ein neues Europa will. Herr François-Poncet, dessen Klugheit und dessen Formengewandtheit wir alle kennen, weiß auch, daß diese Verstandigung nicht auf Paragraphen, vor allem nicht auf aufgezwungenen Paragraphen aufgebaut werden kann. Er weiß und muß wissen, daß sie abhangig ist von dem Willen und dem Glauben der Völker. Unser Glaube ist durch die Haltung Frankreichs und seiner Vertreter an der Saar immer und immer wieder und laufend erschüttert worden. Wenn in diesen Tagen eine große deutsche Zeitung — zugegeben, verdienstvollerweise — sich bemüht hat, die Gemüter abzuwiegeln, und gesagt hat, es gehöre sich auch nicht, daß man den diplomatischen Vertreter einer fremden Macht in seiner Ehre kränke, gut, dann soll sich dieser diplomatische Vertreter einer fremden Macht aber auch einigermaßen diplomatischer Formen befleißigen.
Von Herrn Grandval müssen wir feststellen, daß er das nicht tut, sondern daß er entweder in Erscheinung tritt als gewandter Geschäftsmann oder als Propagandist, dem das Ansehen des deutschen Parlaments, des deutschen Volkes und der deutschen Politiker ziemlich gleichgültig sind.
Wenn wir auf die Gefühle der französischen Öffentlichkeit Rücksicht nehmen sollen, und wir wollen das, dann dürfen wir erwarten, daß auch die Vertreter Frankreichs einigermaßen auf unsere Gefühle Rücksicht nehmen. Wir wollen mit aller Leidenschaft die Aussöhnung unserer Völker. Wir wollen Europa, wir wollen es ehrlich und wollen es mit der Bereitschaft, Frankreich in wirtschaftlichem Sinne an der Saar so weit als irgendwie möglich entgegenzukommen. Ich wiederhole, was ich vor einem Jahr gesagt habe: Wir können mit Frankreich reden über Kohle, über Eisen und über Stahl, aber wir können nicht mit ihm reden über die Überlassung deutscher Menschen!
Herr Bundeskanzler, Sie wissen und, bitte, lassen Sie es Ihre Gesprächspartner wissen: meine
Freunde, die Mehrheit dieses Hauses und, ich glaube, die Mehrheit unseres deutschen Volkes haben mit Ihnen den Weg nach Europa angetreten. Wir sind bereit, auf diesem Weg über Dornen und Gestrüpp und Hindernisse hinwegzuschreiten. Wir sind aber nicht bereit — und das muß die Welt wissen —, auf diesem Weg über 900 000 vergewaltigte deutsche Menschen und über ein widerrechtlich annektiertes deutsches Gebiet hinwegzuschreiten.