Rede von
Arno
Hennig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Haben Sie keine Sorge! Ich beabsichtige nicht entfernt, die Redezeit auszunutzen.
Wir Sozialdemokraten haben den Antrag auf Liberalisierung des deutschen Kunsthandels eingebracht, weil wir der Meinung sind, daß die Liberalisierung nirgendwo besser angebracht ist als dort, wo sie hingehört, nämlich in die Maßnahmen, die sich mit dem Geistesleben befassen. Es ist unnatürlich und ungerecht, wenn ausgerechnet der Kunsthandel Fesseln angelegt bekommt, wodurch nicht zuletzt die deutsche Wirtschaft zu Schaden kommt. Der Herr Berichterstatter hat schon darauf hingewiesen, daß es beinahe groteske Beispiele dafür gibt, wie bedeutsam der Kunsthandel auch devisenmäßig sein kann. In der Vorkriegszeit sind große Teile des Weltkunstmarkts durch Deutschland hindurchgeflossen, und Städte wie Hamburg, Berlin, München sind Brennpunkte des internationalen Kunsthandels gewesen.
Es ist aber nicht nur die ökonomische Bedeutung, die uns dazu veranlaßt hat, diesen Antrag zu stellen, sondern vor allen Dingen auch die Tatsache, daß bei solchen kunsthändlerischen Umschlägen früher viele große und bedeutende Werte in Deutschland geblieben sind und auf diese Weise
eine wertvolle Möglichkeit geschaffen worden ist, dem deutschen Kunstbesitz einen frischen Kräftezustrom zu sichern. Diesen brauchen wir wieder, nachdem wir im Krieg und in der folgenden Zeit ungeheure Schätze verloren haben, von denen hier schon gesprochen worden ist.
Meine Damen und Herren, der Antrag ist im Kulturpolitischen Ausschuß umgearbeitet und einmütig beschlossen worden. Die Einmütigkeit in diesem Ausschuß ist schon beinahe die Regel. Es ist vielleicht gut, am Ende der Tagesordnung des letzten Tages vor den Osterferien einmal darauf hinzuweisen, daß es auch Gegenstände gibt, über die sich das Haus einig ist, daß man nicht nur zum Hause sprachen, sondern auch das Gefühl haben darf, für das Haus zu sprechen.
Es gab Zeiten, in denen es für die Politiker ganz selbstverständlich war, daß sie das Mutterreich des künstlerischen Erlebens in den Bereich ihrer Tätigkeit hineinzuziehen hatten. Die Blüte Athens z. B. hat sich in der besten Zeit der perikleischdemokratischen Ära vollendet,
als nicht nur die Politiker, sondern beinahe das ganze Volk von Zeit zu Zeit zusammenkam, um ein künstlerisches Erlebnis in sich zu vertiefen und Kräfte anzusammeln für die Tagesarbeit. Es ist nicht übertrieben, wenn man sagt, daß die Kunst eigentlich der sicherste Gradmesser für das Sich-selbst-bewußt-Werden des Mehschen ist, und auch die Völker können sich eigentlich erst in der Kunst ein gesichertes Urteil über sich erarbeiten.
Es ist deshalb nicht nur eine Sache von wirtschaftlicher, sondern auch eine solche von großer, geistiger und, man darf ruhig sagen, politischer
Bedeutung, wie ein Volk zu seinem Kunstleben steht. Die Liberalisierung des deutschen Kunsthandels ist ein praktischer und noch dazu ein lukrativer Schritt für das ganze Volk auf seinem schweren Wege.
In diesem Sinne will ich hoffen, daß das Haus mit diesem Antrag einverstanden ist.