Rede von
Heinrich Georg
Ritzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der frühere südbadische Finanzminister, Herr Dr. Wilhelm Eckert, beantragt die Aufhebung der Immunität zum Zwecke der Strafverfolgung des Abgeordneten des Bundestags Herrn Anton Hilbert. Er hat in einem Schreiben an die badische Staatsanwaltschaft, das die Staatsanwaltschaft — ohne daß sie sich dem Strafantrag anschloß, weil sie das öffentliche Interesse nicht bejahte — über den Herrn Bundesjustizminister hierher gegeben hat, folgendes erklärt:
Am 9. Dezember 1951 äußerte der Bundestags- und Landtagsabgeordnete Hilbert in einer von etwa 40 Personen besuchten Versammlung in Waldshut, der Minister Dr. Eckert habe seit längerer Zeit an den Kabinettssitzungen der Landesregierung von Württemberg-Baden teilgenommen. Die Zuhörer nahmen diese Erklärung mit dem Zuruf „Verräter" auf.
In der Sitzung der CDU-Fraktion des Badischen Landtags vom 13. Dezember 1951 in der Aula des Rathauses in Freiburg, an der 25 Abgeordnete und ein Angestellter des Parteisekretariates teilnahmen, stellte ich Herrn Hilbert wegen seiner in Waldshut aufgestellten Behauptung mit den Worten zur Rede: „Verbleiben Sie bei Ihrer Behauptung? Es ist kein wahres Wort daran". Herr Hilbert erwiderte hierauf: „Jawohl, Sie waren bei den Kabinettsitzungen; ich habe beste Informationen." Er fügte hinzu, daß andere unterrichtete Herren den Beweis hierfür erbringen könnten.
Dann heißt es weiter:
Die vorgenannte Äußerung des Herrn Hilbert machte sich der Landtagspräsident Dr. Person durch den Zwischenruf zu eigen: „Jawohl, das ist wahr, die Umlaufprotokolle des Kabinetts in Stuttgart weisen dies aus."
Und schließlich:
Am 15. Dezember 1951 fand eine Ausschußsitzung der badischen CDU in Freiburg im Konferenzsaal des Gasthauses „Alte Burse" statt. Anwesend waren 200 Ausschußmitglieder und das bedienende Personal der Gaststätte. In dieser Versammlung wurde von einem Redner die Behauptung der Herren Hilbert und und Dr. Person angeführt und ihr Inhalt in Zweifel gezogen. Hierauf erklärte Herr Hilbert: „Er — Minister Dr. Eckert — hat es ja in der Zwischenzeit zugegeben."
Der antragstellende Finanzminister a. D. Dr. Eckert sieht in diesem Sachverhalt eine Beleidigung und auch den Tatbestand der Verleumdung. Der Ausschuß hat sich mit der Frage gründlich befaßt und kam zu dem Ergebnis, daß weder eine Verleumdung noch eine Beleidigung vorliegt. Eine Beleidigung setzt immerhin einen Sachverhalt voraus, der den Betreffenden in der allgemeinen Achtung herabzusetzen vermöchte. Würde aber selbst eine Beleidigung vorliegen, dann würde sie nach der Praxis des Hauses keinen Anlaß zur Aufhebung der Immunität geben können, denn es wäre dann eine Beleidigung politischen Charakters. Aber, wie gesagt, wir können nicht feststellen, daß überhaupt eine Beleidigung vorliegt. Wir wehren uns auch dagegen, daß hier etwa der Tatbestand eines „innerdeutschen Landesverrats" konstruiert wird.
Aus diesem Grunde ist es nicht möglich gewesen, einen anderen Beschluß zu fassen als den, den ich Ihnen namens des Ausschusses zu empfehlen habe: den Antrag auf Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Hilbert und damit Freigabe der Strafverfolgung abzulehnen. Ich bitte das Haus, so zu beschließen.