Rede von
Heinz
Renner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hatte nicht die Absicht, überhaupt etwas zu sagen; aber nach dem Ablauf dieser Diskussion erscheint es mir notwendig, den Mittelstand und insbesondere das Handwerk vor einer Illusion zu bewahren. Diese Illusion, die heute hier gezüchtet werden soll, besteht darin, daß die Einschaltung einer Bestimmung, wie sie der Antrag der FU vorsieht, ins Grundgesetz überhaupt von irgendwelcher materiellen Bedeutung für das Handwerk und für den Mittelstand wäre, und man muß dem hochverehrten Herrn Dr. Etzel klarmachen, daß derartige Deklamationen im Grundgesetz manchmal weniger wert sind als das Papier, auf dem sie gedruckt sind. Nachdem er daran erinnert hat, daß sich diese Republik in dem Grundgesetz eine „soziale Republik" nennt, muß ich an die Auslegung erinnern, die der Herr Bundeskanzler hier in seiner Regierungserklärung gegeben hat: So sozial wie möglich. Daß es dem Mittelstand so geht, wie es ihm geht, und daß man jetzt, wenige Monate vor Ablauf der Legislaturperiode, angesichts der Bestrebungen zur politischen Konzentration des Handwerks hier im Bundestag Zeit findet, solche Anträge zu stellen und schöne Worte zu machen, das ist doch auch für die wirkliche Grundhaltung, wie es hier so schön geheißen hat, dieses Hauses gegenüber dem Handwerk bezeichnend.
Nun nur noch ein Wort aus dem Gesetzentwurf selber. Da heißt es, daß das Handwerk — durch die papierne Einschaltung im Grundgesetz — gegen Überlastung und Aufsaugung geschützt werden soll. Aufgesaugt wird das Handwerk — das ist die historische Wahrheit — in solchen Perioden
wie etwa der der Kriegsvorbereitung durch die Konzentration des Großkapitals.
Das haben wir unter Hitler gesehen; das werden wir auch in den kommenden Monaten hier erleben, wenn die Adenauersche Kriegspolitik zum Zuge kommt.
So liegen die Dinge. Wer dem Handwerk helfen will, der muß dem Handwerk klarmachen — und das Handwerk muß das auch begreifen —, daß seine Interessen mit denen des gesamten werktätigen Volkes identisch sind, aber nicht mit den Interessen der auf dieser Regierungsbank sitzenden Repräsentanten der Hochfinanz und des Schwer- und Monopolkapitals.