Rede von
Otto
Niebergall
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir können dem Bericht des Ausschusses Drucksache Nr. 3246 nicht unsere Zustimmung geben, denn für die Landwirtschaft ist nicht entscheidend, ob in Zukunft deutsche Stellen das Land beschlagnahmen oder ob das weiter die Alliierten tun, sondern entscheidend für unsere deutsche Landwirtschaft und unser deutsches Volk ist, daß das in der Zukunft überhaupt unterbleibt. Herr Kollege Matthes, Ihre Sorgen in Ehren, aber wo liegt der Ausweg aus dieser Misere in der Lüneburger Heide? Sie sagen, in unserem Land ist genug beschlagnahmt; bitte, geht in ein anderes Land und beschlagnahmt dort!
— Das ist kein Ausweg, denn diese Beschlagnahmen sind nicht nur eine Bedrohung des Friedens, sondern eine unmittelbare Bedrohung auch unserer Ernährung. Jeder Meter Boden, der heute für militärische Zwecke beschlagnahmt wird, wirkt sich auf unsere Lebensmittellage aus und bedeutet Vernichtung von Tausenden von bäuerlichen Existenzen.
Ebensowenig können wir dem Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 3248 unsere Zustimmung geben. Am 7. Januar 1952 haben wir einen Antrag eingebracht, daß der Bau des Flugplatzes SöllingenStollhofen zu unterbleiben habe. Am 16. Januar stand dieser Antrag hier zur Debatte. Entgegen unserer Auffassung wurde damals der Antrag in den Ausschuß verwiesen, während dann die Alliierten auf Grund der Taktik der Regierungskoalition handelten, d. h. handelten in dem Sinn, daß sie einfach das Land beschlagnahmten und damit die Bevölkerung vor vollendete Tatsachen stellten. Den Bauern wurde das Land genommen, und den Widerstand der Bauern versuchte man zu brechen, indem man großzügige Versprechungen machte. Davon ist aber kein einziges Versprechen gehalten worden.
Wir fragen die Damen und Herren des Ausschusses: was ist denn da erledigt? Sie sagen, durch Maßnahmen der Regierung seien unsere beiden Anträge erledigt. Erledigt sind die Menschen, denen man das Land dort genommen hat, und erledigt ist für unser Volk der Beitrag zur Ernährung, den dieses Land gab. Erledigt sind aber nicht die Versprechen, die gerade von Ihrer Seite, d. h. von seiten der Regierungskoalition gemacht worden sind. Wenn die Betroffenen dort sich nicht wehren, dann werden sie wie in allen übrigen Gebieten Westdeutschlands jahrelang auf Vergütung warten müssen. Deshalb begrüßen wir, daß eine ganze Reihe bäuerlicher Organisationen, landwirtschaftlicher Vereinigungen eine Anzahl Kernforderungen aufgestellt haben, darunter eine solche Forderung: keinerlei Landbeschlagnahmen, ob von deutschen oder alliierten Stellen, außerdem restlose und sofortige Auszahlung der Entschädigungen und Wiederherstellung der Existenzmöglichkeit dieser Menschen.