Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben leider in diesem Hohen Hause in den letzten beiden Jahren wiederholt Gelegenheit nehmen müssen, uns über das Gebiet der Lüneburger Heide zu unterhalten. Diese- uralte Heidmark umweht eine gewisse Tragik. Im Jahre 1935 wurden die Heidebewohner durch eine Mitteilung aufgeschreckt, daß für Zwecke der Wehrmacht große Gebiete der Lüneburger Heide ausgesiedelt werden sollten. 1936 setzte dann tatsächlich die Aussiedlung von 23 Dörfern ein. Die Bewohner dieser 23 Dörfer sind nur zum geringen Teil im Gebiete Niedersachsens geblieben; andere Teile mußten hinaus nach Pornmern, Mecklenburg oder wo sonst Land zur Verfügung gestellt war, um dort erneut ihren Hof zu gründen.
In diesen Tagen wird uns erneut eine Mitteilung zugeleitet, daß große Flächen Landes einer neuen Beschlagnahme verfallen sollen. Ich lese in dem Antrag des 7. Ausschusses, der heute morgen in der Drucksache Nr. 3246 vorliegt, unter Ziffer 2, daß der Ausschuß beantragt, der Bundestag möge zustimmen, daß die Beschlagnahmen gleichmäßig über das Bundesgebiet verteilt werden. Meine Damen und Herren, wenn Sie sich überlegen, daß der Truppenübungsplatz Bergen-Fallingbostel-MunsterNord und -Süd 510 qkm aufweist, dazu im Gebiet von Soltau von der Besatzungsmacht weitere 336 qkm für Manöverzwecke, Fahrzwecke beansprucht werden, und wenn darüber hinaus im Raume Lüneburg zusätzlich 225 qkm Landes beschlagnahmt worden sind — also weit über 1000 qkm der Lüneburger Heide —, dann ist wohl kaum noch zu verstehen, daß man jetzt in den Gebieten um Celle und Fallingbostel herum erneut Beschlagnahmen vornimmt und außerhalb des Truppenübungsplatzes im Kreise Celle, im Kreise Fallingbostel und ja auch im Kreise Burgdorf, wie die Mitteilungen von heute morgen besagen, weitere Landbeschlagnahmen anordnet.
Ich darf Sie daran erinnern, daß wir uns im vergangenen Jahr über die gewaltigen Schäden unterhalten haben, die in diesen Gebieten angerichtet worden sind. Nach den Mitteilungen der Feststellungsbehörden, die mir aus allen beteiligten Kreisen geworden sind, haben wir im vergangenen Jahr mit einer Summe von etwa 7 Millionen DM nur an Manöverschäden zu rechnen gehabt. Nun nehmen wir an, daß der Kriegszustand mit England seit 1951 beendet ist, daß am 1. März die Insel Helgoland freigegeben worden ist und wir mit rund 60 Millionen DM dafür Sorge tragen, daß diese zerbombte Insel den Vertriebenen wiederaufgebaut wird.
Hier in diesem Gebiet der Lüneburger Heide geht man nun dazu über, Tausende von Hektar Land zu beschlagnahmen. Wie inzwischen festgestellt wurde, sind es nicht wie in unserem Antrag, der Ihnen in der Drucksache Nr. 3268 vorliegt, 5000 Morgen, nein, die Summe geht weit über 12 000 Morgen hinaus. Heute morgen wird mir mitgeteilt, daß die größte Beschlagnahme ein Gebiet umfaßt, das von den Bahnlinien Schwarmstedt — Celle, Schwarmstedt — Hannover begrenzt wird und eine Ausdehnung von ca. 3000 Hektar hat. Dieses Gelände wird durch die Kanadier in Anspruch genommen werden und ist zunächst bis zum 1. April 1953 beschlagnahmt.
Sehen Sie, gegen diese Beschlagnahmen hätten wir nichts einzuwenden, wenn sie unmittelbar im Gebiet des Truppenübungsplatzes, in der sogenannten blauen Zone vor sich gingen, die ja in den letzten Jahren schon immer im Brennpunkt der Verhandlungen zwischen Besatzungsmacht und deutschen Dienststellen gestanden hat, und wenn man hier die Artilleriestellungen eingerichtet hätte, die man für das neue progressive Schießen gebraucht. Unverständlich ist es sämtlichen Beteiligten, nicht nur den betroffenen Menschen, auch den kommunalpolitischen Leitern der beteiligten Kreise, daß beispielsweise am 31. März die Geschütze bereits geschossen haben, ohne daß die beteiligten Kreise vorher informiert worden sind.
Für diese Dinge haben wir kein Verständnis. Wir hätten geglaubt, daß sich die englische Besatzungsmacht doch allmählich daran gewöhnen würde, nicht mehr in Feindesland zu sein, sondern daß sie sich unter Gleichberechtigten befindet. Wir haben Verständnis dafür, daß es in den niedrigen Mannso ist, daß sie nicht die Achtung vor dem Eigentum haben. Wir haben uns über diese Dinge in den beiden letzten Jahren leider sehr oft verbreiten müssen.
— Herr Renner, Sie haben gar keinen Grund, irgendein Wort zu sagen; denn die Mitteilungen vom 1. April von der Ostzone besagen, daß sie da drüben sechs Millionen DM an Manöverschäden im vorigen Jahr gehabt haben und daß die Kontrollkommission dort drüben erklärt hat, man solle die Ziffern nicht weiter bekanntgeben, es liege nicht im Interesse der Besatzungsmacht.
— Lesen Sie die „Süddeutsche Zeitung" vom 1. April; da ist die Mitteilung drin.
Und genau so ist es mit den Landbeschlagnahmen.
Drüben erfolgen die Beschlagnahmen ohne Entgelt,
besonders im Bezirk Gera. Herr Renner, es ist müßig, daß wir uns idarüber unterhalten, wir finden uns doch auf keinem einheitlichen Nenner. Wenn zwei dasselbe tun, ist es noch lange nicht
dasselbe.