Herr Prädent! Meine Damen und Herren! Dem Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten ist eine Reihe von Anträgen überwiesen worden, die Beschlagnahmen durch die Besatzungsmächte für militärische Zwecke betreffen. Es handelt sich um die Drucksachen 2922, 2961, 2968, 3006, 3007 und 3145. Fünf dieser Anträge befassen sich mit speziellen Fällen von beabsichtigten oder in Durchführung begriffenen Beschlagnahmen; ein Antrag befaßt sich generell mit der Methodik der Beschlagnahmen. Der Auswärtige Ausschuß war der Auffassung, daß, wie in der Vergangenheit, sicher auch in der Zukunft weitere Anträge in dieser Richtung zu erwarten seien. Tatsächlich sind bereits gestern wieder zwei neue Anträge dieser Art dem Hohen Hause vorgelegt worden. Der Auswärtige Ausschuß war daher der Auffasung, daß es zweckmäßig sei, eine umfassende und generelle Stellungnahme zu den Beschlagnahmen auszuarbeiten.
Im Zusammenhang mit dem Antrag der Föderalistischen Union auf Drucksache Nr.. 3006 hat der Ausschuß den Fragenkomplex eingehend diskutiert und dabei insbesondere auch Vertreter der Dienststelle Blank und des Finanzministeriums, die mit diesen Fragen besonders betraut sind, gehört. Der Vertreter der Dienststelle Blank hat erklärt, daß von dieser Behörde bereits am 2. Januar 1951 bei der Hohen Kommission beantragt wurde, das gesamte Beschlagnahmeverfahren in deutsche Hände zu legen. Am 30. März 1951 hat daraufhin die Hohe Kommission ein Aide-mémoire zugestellt, das als Grundlage für das jetzige Beschlagnahmeverfahren gilt. Ein Verzicht auf das Beschlagnahmerecht erfolgte nicht; lediglich die Durchführung der Beschlagnahmen wurde der Dienststelle Blank übertragen, und es besteht eine Art Anhörungspflicht der deutschen Stellen. Das Verfahren läuft heute so, daß die Anforderungen an die Dienststelle Blank gehen, in der Regel sogar mit genaueren Vorschlägen über Ort und Umfang der zu beschlagnahmenden Objekte. Die Dienststelle Blank informiert dann die betroffenen Länder bzw. gemischte deutsch-alliierte Ausschüsse, die in der britischen und französischen Zone gebildet worden sind. Auf Bundesebene besteht weiterhin ein interministerieller Ausschuß, in dem neben der Dienststelle Blank noch das Finanzministerium, das Ministerium für Wohnungsbau, das Arbeitsministerium, das Innenministerium, das Ministerium für Vertriebene und das Verkehrsministerium vertreten sind. Bei den alle 14 Tage stattfindenden Turnusbesprechungen dieses Ausschusses werden die Vertreter der jeweils betroffenen Länder hinzugezogen.
In der Ausschußberatung wurde nun festgestellt, daß die Verwaltungspraxis erhebliche Mängel aufweist, vor allem insofern, als nicht generell schon in einem frühen Stadium der Beratungen die direkt Betroffenen, also insbesondere auch die Kommunal- und Kreisverwaltungen, hinzugezogen werden.
Es wurde zum Ausdruck gebracht, daß die Ländervertreter in der Regel nicht die speziellen örtlichen Kenntnisse haben, die notwendig sind, um Ungerechtigkeiten, Härten oder gar Schäden zu vermeiden.
Der Ausschuß hat daher beschlossen, unabhängig von neuen Regelungen, die zweifellos bei der Ablösung des Besatzungsstatuts durch den Generalvertrag vorgesehen sind, schon jetzt die Regierung zu ersuchen, umgehend durch Verhandlungen mit den Besatzungsmächten dahin zu wirken, daß in Zukunft Beschlagnahmen nur durch Bundesorgane vorzunehmen sind und nur mit deren Einverständnis vorgenommen werden können. Die Bundesregierung soll ferner ersucht werden, unverzüglich ein Gesetz zur Durchführung der Beschlagnahmen vorzulegen, das ein geordnetes Rechtsverfahren, die Vermeidung unnötiger Härten und Schäden sowie eine gerechte Entschädigung gewährleistet. Die näheren Einzelheiten, die für das künftige Verfahren vorgesehen sind, gehen aus der Ihnen vorgelegten Drucksache Nr. 3246 hervor. Ich habe Sie im Namen des Auswärtigen Ausschusses zu bitten, dem Antrag des Ausschusses, der eine generelle Regelung des ganzen Fragen-komplexes vorsieht, Ihre Zustimmung zu geben.
Der Einzelantrag der Föderalistischen Union Drucksache Nr. 3145 bezieht sich auf vorgesehene Beschlagnahmen auf dem Gebiet der Stadt Werl. Die Stadt Werl ist schon seit Kriegsende durch Beschlagnahmen der Alliierten außerordentlich stark belastet. In den Kasernen des ehemaligen Fliegerhorstes wurden im Frühjahr 1946 2000 Ostvertriebene untergebracht, die schon wenige Wochen später wieder räumen mußten, da die Kasernen von den Alliierten beschlagnahmt wurden. Die Vertriebenen hausen jetzt in Baracken, die während des Krieges zur Unterbringung von Zwangsarbeitern vorgesehen waren. Die drei einzigen Hotels der Stadt wurden beschlagnahmt, dazu 103 Wohnungen. Besonders empfindlich getroffen wurde die Stadt Werl aber durch die Beschlagnahme des größten Industriebetriebes, der Domag, wodurch der Stadt Werl, durch Ausfall von Steuereinnahmen etc., erhebliche finanzielle Schäden entstanden, die sich auf etwa 240 000 DM pro Jahr belaufen; für eine Stadt von der Größenordnung Werl immerhin ein sehr empfindlicher Verlust. Bezeichnend ist auch. daß der Stadt von keiner Seite irgendeine Entschädigung zusteht. Die Finanzlage der Stadt Werl ist durch diese Verhältnisse außerordentlich ungünstig. Seit der Währungsreform wurden Schulden in Höhe von 250 000 DM gemacht, für die als Sicherheit nur der Grundbesitz der Stadt Werl, insbesondere der Werler Stadtwald, gegeben war. Jetzt soll durch eine neue Beschlagnahmeaktion auch der Werler Stadtwald in Anspruch genommen werden, weil dort Camps für die Besatzungsmacht angelegt werden sollen. Ohne Kenntnis der Stadt Werl und ohne einen offiziellen Beschlagnahmebescheid wurden bereits Vermessungstrupps entsandt. Der Rat und die Bürgerschaft dieser Stadt haben gegen diese Art des Verfahrens schärfsten Protest sowohl beim Bundestag und bei der Bundesregierung als auch bei dem Landtag und der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen erhoben.
Der Auswärtige Ausschuß ist der Auffassung, daß in diesem Fall das Maß des Vertretbaren und Erträglichen überschritten ist und daß die Bundesregierung zu ersuchen ist, in Verhandlungen mit der Alliierten Hohen Kommission dahin zu wirken,
daß die beabsichtigte Beschlagnahme auf dem Gebiet der Stadt Werl unterbleibt. Da bereits Vermessungen im Gange sind, ist größte Eile geboten, worauf die Bundesregierung — ich sehe zwar niemanden - besonders hingewiesen sein soll. Ich habe Ihnen im Auftrag des Auswärtigen Ausschusses vorzuschlagen, dem Beschluß des Auswärtigen Ausschusses gemäß Drucksache Nr. 3247 Ihre Zustimmung zu geben.
Weiterhin lagen dem Auswärtigen Ausschuß die Drucksachen Nrn. 2961 und 2968 vor, die den Flugplatzbau in Söllingen-Stollhofen sowie die Beschlagnahme des Städtischen Schwimmbades in Frankfurt/Main-Fechenheim betreffen. Zum Antrag der Kommunistischen Partei bezüglich des Flugplatzes Söllingen-Stollhofen ist zu sagen, daß mit dem Bau dieses Flugplatzes bereits begonnen wurde. Der Ausschuß für innere Verwaltung, dem dieser Antrag zur Mitberatung überwiesen wurde, hat am 6. Februar 1952 beschlossen, der Bundestag möge die Bundesregierung beauftragen, durch Verhandlungen mit dem französischen Hohen Kommissar die Durchführung des Projektes zu verhindern. Die Geländearbeiten sind aber zur Zeit, ohne daß das Requisitionsverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wäre, weit vorgeschritten. Die Arbeiten wurden durch deutsche Baufirmen in Tag- und Nachtschichten ausgeführt. Es sind bisher bereits etwa 140 ha Wald abgeholzt worden.
Der Auswärtige Ausschuß ist der Auffassung, daß der Beschluß des Ausschusses für innere Verwaltung infolge der bereits weitgehend gediehenen Arbeiten irreal ist. Durch das Flughafenprojekt Söllingen-Stollhofen, insbesondere durch die Verlegung von Kreis- und Bundesstraßen wie auch durch die Verlegung einer privaten Bahnstrecke, sind erhebliche Kosten entstanden. Der Auswärtige Ausschuß ist der Auffassung, daß die Bundesregierung zu ersuchen ist, unverzüglich die Inanspruchnahme des Geländes in einem ordnungsgemäßen Requisitionsverfahren durchzuführen und auch eine angemessene Entschädigung zu zahlen. Unter Bezugnahme auf die Richtlinien des Ihnen vorhin dargelegten Antrags Drucksache Nr. 3246 schlägt Ihnen der Ausschuß für auswärtige Angelegenheiten vor, den Antrag Drucksache Nr. 2961 als erledigt zu betrachten.
Das gleiche trifft für den Antrag der Kommunistischen Partei bezüglich der Freigabe des Städtischen Schwimmbades in Frankfurt/MainFechenheim zu. Hierbei handelt es sich um die Beschlagnahme eines Schwimmbades durch die Besatzungsmacht, wobei lediglich einem Wassersportverein an drei Tagen der Woche für wenige Stunden eine Mitbenutzung dieses Bades zugebilligt wurde. Die Beschlagnahme ist sicherlich nicht zu verantworten, da erwiesenermaßen durchschnittlich nur etwa 300 Angehörige der Besatzungsmacht diese Badeanstalt überhaupt benutzen. Das Bad liegt aber in einem ausgesprochenen Arbeiterwohnvorort von Frankfurt, und der Bevölkerung ist durch diese Beschlagnahme jede Gelegenheit genommen, ein Freibad, insbesondere aber auch die dort vorhandenen, sehr gut eingerichteten Dampfund medizinischen Bäder, zu benutzen. Da auch diese Frage in dem Generalbeschluß des Auswärtigen Ausschusses angeschnitten ist, habe ich Ihnen namens des Ausschusses vorzuschlagen, nach der Annahme der umfassenden Drucksache Nr. 3246 diesen Antrag für erledigt zu erklären.
Weiter liegen dem Ausschuß der Antrag Drucksache Nr. 2922 der Kommunistischen, Partei bezüglich Bau eines Truppenübungsplatzes im Kreis Burgdorf sowie der Antrag der Föderalistischen Union Drucksache Nr. 3007 betreffend Militärflugplatz in Münster-Handorf vor. Beide Anträge sind gegenstandslos geworden, da in beiden Fällen durch direkte Verhandlungen der deutschen Stellen mit den Alliierten erwirkt wurde, daß die Alliierten auf ihre Beschlagnahmepläne verzichtet haben. Ich habe Ihnen vorzuschlagen, diese beiden Anträge durch die Ereignisse als erledigt zu erklären.