Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Tagesordnungspunkt, der uns vorliegt, umfaßt vier Anträge, die zwar in einem Zusammenhang miteinander stehen, aber nur in einem .losen Zusammenhang. Ferner hat sich schon aus der Begründung ganz deutlich ergeben, daß die Definition der einzelnen in den Anträgen angesprochenen Unternehmungen nicht immer ganz eindeutig und klar ist. Ich kann allerdings auch nicht sagen, daß die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs im Bundeswirtschaftsministerium die Dinge noch klarer gemacht haben.
Ich darf einmal mit der Frage der Regiebetriebe beginnen und vielleicht eine kurze Definition geben. Ich wollte das eigentlich nicht. Aber der Zuruf „Krämerseele!", der vorhin aus dem Plenum kam, zeigte mir ganz deutlich, daß offenbar nicht volle Klarheit über den Begriff „Regiebetriebe" besteht.
Ich darf zunächst sagen, was wir unter Regiebetrieben nicht verstehen dürfen. Das sind einmal Unternehmungen, zu deren Errichtung und Erhaltung eine Behörde oder öffentliche Anstalt gesetzlich verpflichtet ist — diese scheiden aus den Erwägungen aus —, und zweitens Einrichtungen des Unterrichts-, Erziehungs- und Bildungswesens, der körperlichen Ertüchtigung, der Kranken-, Gesundheits- und Wohlfahrtspflege und öffentliche Einrichtungen ähnlicher Art. Diese sind sicherlich auch nicht unter Regiebetrieben zu verstehen.
Was verstehen wir nun unter Regiebetrieben? Darunter verstehen wir eigene Schlossereien, Tischlereien, Schmiedewerkstätten, Elektrobetriebe, Verkaufsläden, Restaurants, Hotels usw. der Bundesbahn, der Bundespost, der Strafvollzugsanstalten, der Kommunalverwaltungen. Gerade Hotels und Restaurants werden sehr viel von kommunalen Verwaltungen betrieben.
— Wo? In der Stadt Hannover zum Beispiel! Ich könnte Ihnen aber noch eine Reihe anderer Beispiele geben. Ich habe so viel Material hier, daß ich fast für jeden Zwischenruf in dieser Richtung gewappnet bin.
Nachdem wir geklärt haben, was Regiebetriebe sind, ist zu überlegen, ob überhaupt die öffentliche Hand die Gewerbefreiheit für sich verfassungsmäßig in Anspruch nehmen kann. Das ist gar nicht selbstverständlich. Daß das nicht selbstverständlich ist, beweist eine sehr ausführliche Abhandlung des Kölner Professors Nipperdey im „Betriebsberater", Heft 22 des Jahres 1951, der zu dem Ergebnis kommt, daß die Gewerbefreiheit der öffentlichen Hand eine vollkommene Verdrehung der verfassungsmäßigen Grundrechte ist. Ich will auf die Einzelheiten dieses Gutachtens nicht eingehen. Professor Nipperdey kommt aber zu dem ganz klaren Votum, daß die gesetzliche Einschränkung der gewerblichen Betätigung der Regiebetriebe eine verfassungsmäßig absolut zulässige Maßnahme ist. Damit wäre die Möglichkeit der Einschränkung nach dem geltenden Recht gegeben.
Nun ist die Frage — die in diesem Hause wahrscheinlich noch angeschnitten werden wird —, ob Regiebetriebe, also Betriebe der öffentlichen Hand aus Mitteln der Steuerzahler, einen volkswirtschaftlichen Fortschritt darstellen. Diese Frage ist sicherlich zu verneinen; denn Regiebetriebe sind Betriebe, die Einzelexistenzen vernichten oder schwächen, Einzelexistenzen, aus deren Summe heraus sich das Aufkommen der ordentlichen Etats auf dem Steuerwege ergibt. Ich kann doch nicht Steuermittel benutzen, um damit eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben; das ist ein Widerspruch in sich. Wenn alles durch Regiebetriebe erledigt würde, wer wäre dann noch da, um das Steueraufkommen zu erbringen, mit Hilfe dessen die Regiebetriebe betrieben werden? Man muß einmal die Dinge klar unter diesem Gesichtspunkt sehen.
Es kommt noch hinzu, daß die öffentliche Hand nicht immer glücklich als Unternehmer ist. Dafür lassen sich sehr viele Beispiele bringen.
Sehr interessant war ein Beispiel, das wir heute im Unterausschuß „Gewerberaummieten" gehört haben. So betätigt sich die Stadt Wuppertal als Vermieter von Grundstücken und Gebäuden. Es wurde uns ein Brief der Stadt Wuppertal vorgelegt, in welchem die Stadt auf Grund der Gewerberaummieten-Lockerung einem Kleingewerbetreibenden seinen Mietraum gekündigt hat, um ihm eine Mieterhöhung von sage und schreibe 400 % vorzuschlagen.
Das sind Dinge, die bei einer kommunalen Selbstverwaltung schon gar nicht unterlaufen sollten.
Das Problem der Regiebetriebe ist also ein sehr vielschichtiges. Ich würde wünschen, daß wir im Wirtschaftsausschuß — ich hoffe, daß der Antrag dorthin überwiesen wird — mit der Regierung zusammen Gelegenheit finden, diese Dinge einmal zu überprüfen. Wir haben ja nicht nur Regiebetriebe der öffentlichen Hand, wir haben auch Regiebetriebe der privaten Hand. Wer heute eine Garage hat, hat in Kürze eine Autoschlosserwerkstatt dazu. Wer heute eine Autoschlosserwerkstatt hat, hat in Kürze noch — was weiß ich — eine Spezialfirma für Elektroartikel. Das sehen wir überall. Hier wird man nichts mit einem allgemeinen Gesetz machen können, sondern man wird sich
einmal in der Steuergesetzgebung umsehen müssen, ob darin nicht Möglichkeiten sind. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf Ausführungen, die Fraktionsfreunde von mir bei der damaligen Beratung zu § 8 des Umsatzsteuergesetzes gemacht haben. Das sind Probleme, die so vielschichtig sind, daß es einer ausführlichen Beratung bedarf, um an die Dinge heranzukommen.
Ich darf damit die Frage der Regiebetriebe verlassen und den nächsten Punkt, gewerbliche Tätigkeit der Versorgungsbetriebe, Drucksache Nr. 3134, streifen. Aus der Berichterstattung geht schon klar hervor, welchen Aufgabenbereich die Versorgungsbetriebe haben, nämlich die Aufgabe der Versorgung mit Energie. Wir haben auch gar nichts dagegen, wenn die Versorgungsbetriebe für Gebrauchsgeräte ihres Energiezweiges werben oder die Forschung darin fördern. Das ist alles sehr vernünftig; denn sie müssen den Umsatz der von ihnen erzeugten Energie fördern und steigern. Aber es geht keinesfalls an, daß kommunale Versorgungsbetriebe im Verkauf von Geräten als Konkurrenten des Handels und des Großhandels sowie in der Installation als Konkurrenten des Handwerks auftreten. Wenn man überhaupt noch eine vernünftige Ordnung der Volkswirtschaft anerkennt — dabei braucht man nicht einmal wilder Marktwirtschaftler zu sein —, muß man wenigstens von der Grundlage gleicher Wettbewerbsmöglichkeiten ausgehen. Das ist das Mindeste, was man verlangen muß. Daß zwischen den kommunalen Versorgungsbetrieben und den kleinen Händlern
— selbst den Großhändlern - sowie dem kleinen Handwerk niemals die Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen gegeben ist, das brauche ich dem Hohen Hause, glaube ich, nicht im einzelnen darzulegen. Ich habe hier eine unendlich lange Liste
— es sind 46 Punkte — von Mißhelligkeiten, wo kommunale Versorgungsbetriebe tatsächlich zu reinen Konkurrenzbetrieben von Handel und Gewerbe geworden sind. Wenn aus steuerlichen Mitteln zur Förderung dieser Tätigkeit Verkaufspaläste eingerichtet werden, wenn Hinweise auf den unbaren Zahlungsverkehr von den Quittungen verschwinden und die Hausfrauen angereizt werden, ihre Beträge bar in den Verkaufspalästen der städtischen Werke zu erlegen, damit sie nämlich durch die ganze Ausstellung hindurchgehen müssen und durch die billigen Teilzahlungsmethoden angereizt werden, mehr Geräte zu kaufen, als sie verkraften können, und damit über ihre Verhältnisse zu leben, nur damit die Energiebetriebe mehr Energie absetzen, so erscheint mir das doch unzweckmäßig. Ich habe darüber sehr viele Unterlagen. Was ich eben gesagt habe, betrifft die Stadtwerke Hamburg; aber es gibt noch sehr viele mehr. Wir wollen sicherlich nicht, daß der Verbraucher für Geräte beim privaten Gewerbe mehr als über die Energieversorgungsbetriebe bezahlt. Hier müssen eben Maßnahmen durch Abzahlungsmöglichkeiten usw. getroffen werden. Das läßt sich wahrscheinlich alles regeln, wenn wir .uns im Ausschuß über diese Dinge unterhalten.
Jedenfalls steht fest, daß diese Entwicklung so nicht weitergehen kann. Man hat bei der Beratung des § 39 des Gesetzentwurfs zur Handwerksordnung schon an diese Dinge gedacht. In Frankreich hat man die Verfügung Nr. 49/935 vom 13. Juli 1949 erlassen, die für alle Energiebetriebe den Handel mit Energiegeräten
— und die Installation von Energiegeräten verbietet. Ich darf darauf hinweisen, daß die meisten
Elektrizitäts- und Gaswerke - ich glaube, sogar alle — in Frankreich der öffentlichen Hand gehören, also sozialisiert sind. Ich will es mir versagen, die drei Artikel der Verordnung vorzulesen; sie müssen aber dem Ausschuß vorliegen. Diese Bestimmungen dürften auch für die deutsche Regelung eine wesentliche Grundlage bilden. In neuerer Zeit hat man auch schon in den deutschen Ländern versucht, die Dinge zu regeln, z. B. in Art. 75 der neuen bayerischen Gemeindeordnung. Bisher sind alle gesetzlichen Maßnahmen in Deutschland nicht sehr fruchtbar gewesen. Es ist nun aber an der Zeit, daß wir diese Dinge klären. Im Wirtschaftsausschuß wird hierfür genügend Zeit sein.
Nun noch einige wenige Worte zum Belegschafts-und Behördenhandel. Wenn man überhaupt an die Arbeitsteilung in der Volkswirtschaft glaubt, muß man zweifellos dazu kommen, den Belegschafts-und Behördenhandel zu verwerfen. Denn je weitgehender die Arbeitsteilung in der Volkswirtschaft ist, um so höher ist der Leistungsgrad, die Produktivität und der Lebensstandard der Volkswirtschaft überhaupt. Das Leistungsniveau einer Volkswirtschaft ist von dem Grad der Spezialisierung der wirtschaftlichen und sozialen Funktionen abhängig. In diesem Sinne ist ein Behörden- und Werkshandel sowohl aus steuerlichen als auch als staatsrechtlichen Gründen nicht tragbar. Die Einzelheiten haben wir schon aus dem Munde des Herrn Berichterstatters gehört. Ich möchte den Verkauf von Schmalz und ähnlichen Dingen, die der Herr Berichterstatter aufgezählt hat, nicht als geringfügig betrachten. Wenn ich mir aber überlege, daß in Oldenburg vielleicht ein Staatsanwaltschaftsbeamter Käse an seine Berufskollegen verkauft, so sehe ich nicht ein, warum wir den Berufsbeamten ein eigenes Bundesbeamtengesetz geben sollen. Es ist mit den staatlichen und den Hoheitsaufgaben des Beamten einfach nicht vereinbar, daß er sich nebenbei noch als Verkäufer betätigt. Man muß alle diese Dinge einmal im Zusammenhang sehen. Auch das wird eine ausgiebige Beratung notwendig machen.
Auch sozial gesehen ist der Belegschaftshandel kein Vorteil. Vor der Währungsreform waren solche Sozialwerke wirklich sehr angebracht. Damals würde kein Mensch von uns etwas dagegen gesagt haben. Aber heute, wo der Mangel an Waren nicht mehr existiert, kann sich doch nicht eine Belegschaftsgruppe dem allgemeinen Preisstand entziehen. Wenn sie das über ein Sozialwerk oder einen Belegschaftshandel tut, dann legt sie doch die Einsparungen auf die Erzeugnisse des Werks um und belastet damit im Grunde genommen die Allgemeinheit und damit vielleicht sozial noch viel Schwächere als die Angestellten des Werks. Denn vielleicht müssen sich die Erzeugnisse dieses Werks sogar Arbeitslose kaufen, die dann die Mehrkosten tragen müssen, die dadurch entstehen. daß einige wenige, nämlich die Belegschaft, für sich Vorteile in Anspruch nehmen. Auch vom Sozialen her gesehen ist die Entwicklung falsch und nicht wünschenswert.
Das schwierigste gesetzgeberische Problem wird zweifellos sein, den Belegschaftshandel zu beseitigen. Der Herr Staatssekretär hat das bereits angedeutet. Wir werden uns sehr ernsthafte Gedanken darüber machen müssen. Ich hätte aber gar keine Skrupel, den Behördenhandel geradezu zu verbieten. Der Herr Staatssekretär hat schon auf den bekannten Erlaß des Reichsministers des Innern aus dem Jahre 1938 hingewiesen. Es ist be-
zeichnend, daß sich fast in allen deutschen Ländern nach 1945 unter Bezugnahme auf diesen Erlaß ein entsprechendes Verordnungswesen herausgebildet hat. Es kommt nun nur darauf an, dieses Verordnungswesen bundeseinheitlich zu gestalten. Ich glaube, auch diese Dinge werden sich regeln lassen.
Zur Drucksache Nr. 3204 kann ich mich ganz kurz fassen. Diese Problematik hier zu behandeln, würde zu weit führen. Wir schließen uns als Fraktion in vollem Umfang der Drucksache an und wünschen nichts sehnlicher, als daß sie recht bald Wirklichkeit wird. Ich möchte den Antrag stellen, daß sämliche vier Drucksachen dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik überwiesen werden, damit wir in den Beratungen mit der Regierung geeignete Wege finden, Handel und Gewerbe zu einer sicheren wirtschaftlichen und auch finanzpolitischen Grundlage für die Entwicklung unseres staatlichen Lebens zu machen, und damit wir auch Gelegenheit finden, durch eine stärkere Stützung von Einzelexistenzen den verantwortungsbewußten Staatsbürger für den Aufbau unserer Demokratie zu gewinnen.