Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte die vier hier diskutierten Anträge in der Reihenfolge behandeln, in der sie auf Ihrer Tagesordnung stehen, und möchte Ihnen zunächst sagen, daß Herr Minister Erhard es aufrichtig bedauert, außerstande zu sein, an dieser Beratung teilzunehmen; er ist durch auswärts wahrzunehmende Termine verhindert.
Zu Punkt 4 a) Regiebetriebe: Vor der Währungsreform waren bei zahlreichen Behörden zur Deckung ihres eigenen Bedarfs oder des Bedarfs ihrer Angehörigen Betriebe eingerichtet worden, die, soweit sie Bundesbehörden betreffen, zum größten Teil bereits wieder abgebaut sind. Das Bundeswirtschaftsministerium ist bemüht, solche Betriebe, soweit sie bei Bundesstellen noch vorhanden, aber entbehrlich sind, zu beseitigen, um damit den Klagen, die aus verschiedenen Wirtschaftskreisen gekommen sind, zu entsprechen. Eine gleiche Entwicklung ist den Ländern empfohlen worden und in zahlreichen Ländern auch schon in der Durchführung begriffen.
Ich möchte nicht unerwähnt lassen, daß ein Teil der über die Regiebetriebe eingegangenen Beschwerden in Wirklichkeit die gewerbliche Tätigkeit der öffentlichen Versorgungsbetriebe betrifft. Es ist erfreulich, daß durch die Behandlung dieser Anträge die vorhandene Begriffsverwirrung zwischen „Regiebetrieben" einerseits und „gewerblicher Tätigkeit öffentlicher Versorgungsbetriebe" andererseits beseitigt wird.
Das Bundeswirtschaftsministerium ist bemüht, sorgfältig zu prüfen, wie ein weiterer Abbau der in Bundesstellen noch vorhandenen Regiebetriebe durchgeführt werden kann. Diese gegenwärtig laufende Prüfung ist mit der Wirtschaft abgestimmt und geschieht nach folgenden Grundsätzen:
Erstens. Zunächst werden unter Einschaltung des Bundesrechnungshofs Tatbestand und Gründe für etwa noch vorhandene Regiebetriebe eindeutig klargestellt.
Zweitens. Die Regiebetriebe sollen grundsätzlich nur der Eigenbedarfsdeckung und der Erfüllung hoheitlicher Aufgaben der betreffenden Behörde dienen.
Drittens. Die Betriebskapazitäten sollen normalerweise rationell ausgenutzt werden.
Viertens. Die Regiebetriebe sollen nicht am Wettbewerb gegenüber Dritten teilnehmen. Wir hoffen insbesondere, mit dieser Bedingung den soeben dargelegten Begründungen Rechnung tragen zu können.
Die Überprüfung der noch vorhandenen BundesRegiebetriebe wird im Einvernehmen mit den interessierten Ressortministerien durchgeführt, wobei sich das Bundeswirtschaftsministerium ernsthaft bemühen wird, den berechtigten Wünschen der Wirtschaft Rechnung zu tragen.
Zu Punkt 4 b), Versorgungsbetriebe, und zwar Installations- und Verkaufstätigkeit der Versorgungsbetriebe: Die CDU/CSU-Fraktion beantragt, die Installations- und Verkaufstätigkeit der Versorgungsbetriebe in dem in Vorbereitung befindlichen Energiewirtschaftsgesetz zu regeln mit der Maßgabe, daß schädliche Rückwirkungen einer etwaigen Installations- und Verkaufstätigkeit auf die Gesamtwirtschaft verhindert werden. Zu diesem Antrag ist folgendes zu sagen: Der Entwurf des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, das sogenannte Kartellgesetz, ist in weit vorgeschrittener Bearbeitung und bereits im Grundsatz vom Kabinett verabschiedet. Die in diesem Gesetz vorgesehenen Bestimmungen über die Aufsicht gegenüber marktbeherrschenden Unternehmungen sichern die Möglichkeit der Verhütung eines Mißbrauchs bei Installations- und Verkaufstätigkeit der Versorgungsbetriebe. Unzulässige Koppelungsgeschäfte, wie sie vorhin erwähnt wur-
den, z. B. die Verbindung der Strombelieferung mit der Vergabe eines Installationsauftrages und ähnliches, können nach § 17 Abs. 1 Nr. 3 des Entwurfs zum Kartellgesetz untersagt werden. Auch die mißbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung bei der Preisgestaltung wird nach dem Entwurf zum Kartellgesetz eindeutig verhindert werden können. Mit Rücksicht auf diese Bestimmungen des Kartellgesetzes, die sicher Annahme finden werden, hält es das Bundeswirtschaftsministerium nicht für unbedingt erforderlich, gleichartige oder ähnliche Bestimmungen für den speziellen Sektor der Versorgungsbetriebe im Energiewirtschaftsgesetz zu verankern.
Im Interesse einer Förderung des Energieabsatzes und des Geräteabsatzes wurden von den Energieversorgungs-Unternehmungen, dem Handel und dem Handwerk in den Jahren 1933 und 1934 im Wege gegenseitiger Vertrage sogenannte Elektro- und Gasgemeinschaften gegründet. Diese Gemeinschaften, die sich in der Vergangenheit tatsächlich gut bewährt haben, sind nach dem Zusammenbruch neu ins Leben gerufen worden. Aufgabe dieser Elektro- und Gasgemeinschaften ist es, eine gemeinsame Werbetätigkeit und Abnehmerberatung von fachkundiger Seite durchzuführen, die Beratungsstellen, Ausstellungsräume und Läden der Energieversorgungs-Unternehmen den Zwecken dieser Gemeinschaft dienstbar zu machen und Maßnahmen der Absatzfinanzierung zu treffen. Die Energieversorgungs-Unternehmen verzichten innerhalb dieser Gemeinschaften im allgemeinen auf jede Installationstätigkeit. Soweit Versorgungsunternehmungen Geräte verkaufen, zahlen sie meistens einen bestimmten Anteil an die Gemeinschaft. Große Teile des deutschen Bundesgebietes haben heute solche Elektro- und Gasgemeinschaften. Die Bundesregierung ist bemüht, die Bildung dieser Gemeinschaften zu unterstützen, um auch hierdurch die Klagen, die über einen schädlichen Wettbewerb laut geworden sind, auf ein Mindestmaß zurückzuführen.
Ich komme zu der dritten Frage betreffend den Belegschafts- und Behördenhandel. Meine Damen und Herren, diese Frage ist tatsächlich rechtlich und faktisch außerordentlich kompliziert. Zweifellos sind bei den Behörden und vielen privaten Unternehmungen aus der Zeit vor der Währungsreform noch viele Einrichtungen vorhanden, die bezwecken, durch Bestellung entsprechend großer Mengen von Waren den Betriebsangehörigen Vorteile in preislicher Hinsicht zu verschaffen. Nachdem jetzt das Warenangebot hinsichtlich der Vielgestaltigkeit der Auswahl und der Preise ausreichend ist, sollte für derartige Selbsthilfeaktionen grundsätzlich kein Anlaß mehr gegeben sein.
Das Bundesministerium für Wirtschaft hat die Frage des Belegschafts- und Behördenhandels schon Ende vorigen Jahres aufgegriffen und mit den beteiligten Bundesressorts, Wirtschaftsorganisationen und Gewerkschaften besprochen. Hierbei ergab es sich, daß die Formen des Behörden- und Belegschaftshandels außerordentlich vielgestaltig sind und daß das Gesamtproblem zu einer gesetzlichen Regelung, so wünschenswert eine solche auch ganz bestimmt ist, zur Zeit noch nicht reif zu sein scheint. Immerhin hat sich aber bei diesen Besprechungen doch folgendes ergeben:
Aus der Frage des Behörden- und Belegschaftshandels sind die Fälle auszuscheiden, in denen aus betriebstechnisch bedingten Gründen das Unternehmen bestimmte Waren für die Belegschaftsmitglieder beziehen muß oder schon immer bezieht, z. B. Spezialarbeitsschutzanzüge wie Säureschutzanzüge, Berufs- und Arbeitskleidung, z. B. Grubenanzüge für Bergleute usw.
Auszuscheiden hat ferner der in vielen Verwaltungen und Betrieben schon immer üblich gewesene gemeinsame Bezug z. B. von Kohlen und Kartoffeln. Verbote oder Einschränkungen in dieser Hinsicht wären aus sozialen Gründen schwer tragbar, zumindest müßte eine solche Versorgung bis zu einer bestimmten Einkommensgrenze der Bezieher aufrechterhalten werden.
Schwieriger liegt die Frage dagegen bei der Werbung des Versandhandels durch Bestellisten, die in den Betrieben zirkulieren. Der Versandhandel findet seit jeher auf diese Weise einen Großteil seiner Kundschaft. Er stellt an sich eine legale Vertriebsform des Einzelhandels dar. Sein Fortbestehen dürfte daher schon aus Gründen der Erhaltung eines gesunden Wettbewerbs im Einzelhandel nicht behindert werden. Hier mit einem gesetzlichen Verbot vorzugehen, erscheint daher nicht unbedenklich. Insbesondere aber wird ein Verbot des Zirkulieren von Bestellisten von Versandgeschäften in den Arbeitspausen oder in den Kantinen der Betriebe wohl kaum ausgesprochen werden können. Dagegen bestehen keinerlei Bedenken, es durch Gesetz einzelnen Belegschaftsmitgliedern zu untersagen, innerhalb der Betriebsräume und während der Arbeitszeit für Arbeitskollegen — ähnlich einem Gewerbetreibenden oder einem Provisionsvertreter — Warengeschäfte abzuschließen oder zu vermitteln. Gesetzliche Maßnahmen in dieser Richtung rechtfertigen sich schon deshalb, weil — das wurde vorhin auch schon bei der Begründung des Antrags erwähnt - solche Geschäfte normalerweise oder jedenfalls in sehr zahlreichen Fällen unter Verletzung steuer- und gewerberechtlicher Vorschriften abgeschlossen werden.
Der Bundesminister des Innern, mit dem wir in dieser Frage selbstverständlich in engstem Kontakt stehen, beabsichtigt, den Runderlaß des Reichsministeriums des Innern vom 22. September 1938, der sich bereits mit der Frage des Behördenhandels eingehend beschäftigt, neu zu fassen. Er wird hierbei den Behördenhandel grundsätzlich als unerwünscht bezeichnen.
Zwischen den beteiligten Spitzenorganisationen, den Gewerkschaften und der Hauptgemeinschaft des Deutschen Einzelhandels, sind Besprechungen mit dem Ziel eingeleitet worden, eine Abgrenzung zwischen dem zulässigen und dem unzulässigen Behörden- und Belegschaftshandel zu finden. Ein abschließendes Ergebnis dieser Besprechungen liegt im Augenblick noch nicht vor. Erst wenn das der Fall ist, wenn also feststeht, in welchen Fällen nach Auffassung der Beteiligten der Behörden-und Belegschaftshandel als Mißstand anzusehen ist, kann an die Formulierung etwaiger gesetzlicher oder verwaltungsmäßiger Vorschriften herangegangen werden.
Zum vierten Punkt, dem Antrag betreffend die Wiederherstellung der deutschen Gesetzgebungshoheit hinsichtlich des Gewerberechts ist folgendes zu sagen. Auf dem Gebiet des Gewerberechts wird die deutsche Gesetzgebungshoheit mit der Ablösung des Besatzungsstatuts wiederhergestellt sein.
In dem Generalvertrag und in den Zusatzabkommen sind jedenfalls keine Bestimmungen über die
Gewerbefreiheit vorgesehen. Die Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen Gewerbe oder sonstige Berufe in Zukunft begonnen werden dürfen und wie sie auszuüben sind, soll sich nur nach den in Übereinstimmung mit Art. 12 des Grundgesetzes erlassenen deutschen Gesetzen richten.
Lediglich für die Gewerbetreibenden, die auf Grund besatzungsrechtlicher Vorschriften unter erleichterten Voraussetzungen — insbesondere in der amerikanischen Zone — zugelassen worden sind, werden voraussichtlich in einem der Zusatzabkommen einige Schutzbestimmungen vereinbart werden. Diese Gewerbetreibenden sollen ihre Betriebe nicht etwa deswegen einstellen müssen, weil sie nach Wegfall des Besatzungsrechts den deutschen Vorschriften nicht in allen Punkten genügen. Insbesondere soll ihnen die Fortführung ihres Betriebes nicht deswegen untersagt werden können, weil sie den Nachweis ihrer Sachkunde nicht voll erbracht haben oder weil kein Bedürfnis für ihre Tätigkeit besteht. Dagegen wird eine Untersagung des Betriebes wegen fehlender persönlicher Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden dann zulässig sein, wenn die weitere Ausübung des Gewerbes gegen das Allgemeininteresse verstoßen würde.