Rede von
Hugo
Paul
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Über eine ganze Reihe Probleme des Handwerks wurde bereits gesprochen. Ich will mich jetzt den noch anstehenden Fragen zuwenden. — Die Kreditpolitik, wie sie die Bundesregierung betreibt, dient einzig und allein der Förderung der Großkapitalisten, insbesondere der Rüstungsindustrie.
Das Handwerk wird bei der Kreditgewährung in der Regel ausgeschlossen. Durch das Investitionshilfegesetz wurde der Bedarfsgüterindustrie — darunter befinden sich zahlreiche Handwerksbetriebe — über 1 Milliarde Mark an Steuern abgenommen. Die CDU, die heute hier in diesem Hause so zahlreiche Anträge zur Unterstützung des Handwerks unterbreitet hat, hat bei der Behandlung des Investitionshilfegesetzes unseren Antrag. der vorsah, Handwerksbetriebe bis zu 200 Beschäftigten aus der Zwangssteuer herauszunehmen, abgelehnt.
Diese Ablehnung unseres Antrags war absolut handwerksfeindlich.
Damals, bei der Behandlung des Investitionshilfegesetzes, hätte sich die CDU durch Annahme unseres Antrags für die Interessen ides Handwerks wirkungsvoll einsetzen können.
Die Handwerksbetriebe können mittel- und langfristige Kredite nur schwer erhalten. Für diese Kredite, ja sogar für kurzfristige Darlehen werden 9 bis 13 % Zinsen gefordert.
Von den zentral gelenkten Krediten des Bundes wurde dem Handwerk nur 1 % zur Verfügung gestellt. Das geht selbst aus Verlautbarungen des Handwerks hervor. Die Kommunistische Partei ist der Meinung, daß man an Stelle der ungeheuren Summen für die Wiederaufrüstung mindestens 500 Millionen Mark bei niedrigem Zinssatz für Handwerkskredite bereitstellen sollte. Selbst die 6,5 Millionen Mark, die man im Oktober aus den sogenannten STEG-Mitteln bereitstellte, wurden in erster Linie für Betriebe zur Verfügung gestellt, die Material für die Wiederaufrüstung herstellten. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, daß das selbst in dem Rundschreiben des Zentralverb andes der Handwerker besonders unterstrichen wurde.
Wenden wir uns nun einem anderen Kapitel zu, das nach meiner Meinung heute noch zu kurz ge-
kommen ist. Das ist die Steuerpolitik. Es wird doch wohl kein Abgeordneter der CDU oder der anderen Adenauer-Parteien hier etwa beweisen wollen, daß diese Steuerpolitik der Adenauer-Regierung dem Handwerk diene. Im Gegenteil, die Steuerpolitik schädigt das Handwerk und erschwert seine Existenz. Allein durch die Erhöhung der Umsatzsteuer von 3 auf 4 % wurde das Handwerk mit 180 Millionen DM belastet. Hier spricht man von lächerlichen 5 Millionen DM, die man für die Handwerksförderung bereitstellen will. Bereits hat der Finanzminister Schäffer angekündigt, daß er sich genötigt sehen werde, die Umsatzsteuer erneut zu erhöhen. Möge daran jeder Handwerker prüfen, wessen Politik von der Bundesregierung und für wen diese Politik betrieben wird. Die Steuerpolitik, die in Westdeutschland betrieben wird, steht im Gegensatz zu den wohlklingenden Erklärungen, die die Bundesregierung und auch der Bundeskanzler in Karlsruhe immer und immer wieder gegenüber dem Handwerk abgegeben haben.
Sie haben heute nachmittag in Zwischenrufen von den Verhältnissen in der Deutschen Demokratischen Republik gesprochen. Aber in dem Rundschreiben des Zentralverbands des Handwerks wird mit aller Deutlichkeit und mit allem Ernst darauf aufmerksam gemacht, daß die Maßnahmen zur Förderung des Handwerks in der Deutschen Demokratischen Republik, wenn hier nichts geschehe, anziehend wirken könnten auf die westdeutschen Handwerkskreise. Wenn das nicht so wäre, dann brauchte man das nicht besonders in einem Schreiben an die Bundesregierung zum Ausdruck zu bringen. In der Deutschen Demokratischen Republik sind auf Grund ,des Gesetzes vom 9. August 1950 über die Förderung des Handwerks umfangreiche Förderungsmaßnahmen durchgeführt
worden. Im Rahmen des Fünfjahresplans wird die Produktion des Handwerks auf 160 % erhöht und werden die Einnahmen des Handwerks verdoppelt.
Um die Arbeitsproduktivität des Handwerks zu steigern, ist eine umfangreiche Steuerreform durchgeführt worden. Lesen Sie bitte einmal nach in der Stuttgarter Wirtschaftszeitung! Sie brachte vor 3 Wochen im wirtschaftlichen Teil einen längeren Artikel über die Steuerreform zugunsten des Handwerks in der Deutschen Demokratischen Republik. Die Steuerarten sind zusammengelegt worden. Die Führung von Büchern für steuerliche Zwecke vor allem ist für den Alleinmeister ohne Handel einfach überflüssig geworden. Bei Beschäftigung fremder Arbeitskräfte braucht er nur das Lohnkonto zu führen. Durch die Festlegung eines Grundbetrags, dessen Höhe in einer Tabelle für jeden Handwerkszweig besonders festgelegt ist, wird dem Handwerker die Arbeit erleichtert. Alle Gewinne, die über diesen Grundbetrag hinausgehen, sind für ihn steuerfrei. Hat z. B. der Inhaber eines Betriebes in dem betreffenden Kalenderjahr keine Lohnempfänger beschäftigt, wird seine Steuer um 50 % ermäßigt. Das trifft gleichermaßen zu für Betriebe, deren Inhaber schwerbeschädigt sind. Ebenso tritt eine solche Minderung der Steuerlast ein, wenn der Handwerker 65 Jahre bzw. die weibliche Handwerkerin 50 Jahre alt geworden ist. Das gleiche gilt für blinde Handwerksmeister. Außerdem ermäßigt sich der Grundbetrag, auf 'dem die Steuer berechnet wird, um jeweils 50 Mark für jedes Kind, welches noch nicht das 16. bzw., bei der studierenden Jugend, das 21. Lebensjahr erreicht hat. Ist ein Handwerksmeister über einen Monat hinaus arbeitsunfähig, dann kann er ein Zwölftel des Grundbetrags absetzen.
Für die Beschäftigung von Lehrlingen und für die Mitarbeit der Ehefrau genießt er ebenfalls vollständige Steuerfreiheit. Nehmen wir ein Beispiel. Ein Handwerker mit einem Sohn in einem Dorf in Württemberg müßte nach 'den jetzigen Sätzen in Westdeutschland 1487 DM Steuern zahlen. Ein Handwerker mit dem gleichen Einkommen würde in einem Dorf in Thüringen 975 Mark Steuern zu zahlen haben.
— Lesen Sie Ihre eigenen Zeitungen durch, dann werden Sie erkennen, daß in der Deutschen Demokratischen Republik wirkungsvolle Steuermaßnahmen zugunsten des Handwerks durchgeführt sind.
Hinzu kommt, daß es in der Deutschen Demokratischen Republik fest gebundene Preise gibt, daß spekulative großkapitalistische Markt- und Preisschwankungen ausgeschlossen sind.
Die Kommunistische Partei fordert, daß für das Handwerk eine Vereinfachung des Steuerwesens durchgeführt wird, vor allen Dingen die Angleichung der Einkommensteuer der Handwerker an die Lohnsteuer. Nehmen wir auch dazu zwei Bei- spiele. Bei einem Jahreseinkommen von 3000 DM beträgt die Einkommensteuer 127 DM, die Lohnsteuer 64,80 DM. Bei einem Jahreseinkommen von 6000 DM beträgt die Einkommensteuer 752 DM, die Lohnsteuer 564,60 DM. Durch eine solche Besteuerung des Handwerks werden vor allem die Handwerksmeister und die Kleinbetriebe hart getroffen. Wir verlangen deshalb, daß diese Sache in einer grollen Steuerreform für das Handwerk neu geregelt wird. Desgleichen sind wir der Meinung, daß für die handwerklichen Einkaufs- und Lieferungsgenossenschaften Kredite und Steuervergünstigungen gegeben werden sollten. Vor allem sollte für diese Handwerksgenossenschaften die Umsatzsteuer herabgesetzt werden.
Wir sind weiter der Meinung, daß zur Förderung der Lehrlingsausbildung dem Handwerksmeister jährlich 50 DM Zuschuß gewährt werden sollte. Das kann dadurch geschehen, daß man dem Handwerksmeister diese 50 DM in Form von Steuerermäßigungen gibt. So wollen wir im Handwerk die Lehrlingsausbildung fördern. Wir erstatten nämlich dem Handwerksmeister dadurch nur den entfallenden Lohn und die Ausgaben für die Teilnahme des Lehrlings an der Berufsschule zurück.
Wir sind der Auffassung, daß man sich jenen Tendenzen widersetzen muß und widersetzen sollte, die von dem amerikanischen Hohen Kommissar ausgehen, nämlich, in dem Nebenabkommen zum Generalvertrag die schrankenlose Gewerbefreiheit, wie sie heute in der amerikanischen und in der französischen Zone praktiziert wird,
zu verankern. Wir sind für einen wirksamen Schutz des Handwerks in der Form der
Beibehaltung des großen Befähigungsnachweises.
Die Lage des Handwerks, die Rettung des Handwerks vor dem Niedergang und dem Ruin hängt von der Behebung des nationalen Notstandes unseres Volkes im besonderen ab.
Deshalb ist es erforderlich, daß alle Politiker, alle Abgeordneten, die es mit der Wahrung der Interessen des Handwerks ernst meinen, sich einsetzen für die friedliche Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, für den baldigen Abschluß eines Friedensvertrages. Denn der Friedensvertrag behebt auch alle Nöte des Handwerks.
- Sie mögen darüber lachen, aber jeder ernst Denkende kann das selbst nachrechnen. Der Friedensvertrag wird unserem Volke die volle Verfügungsgewalt über seine Wirtschaft geben. Wir könnten dann ungehindert Handel treiben, das Handwerk könnte dann einen umfangreichen Handwerksexport betreiben. Wir wären in der Lage, an Stelle von ungeheuren Summen für die Aufrüstung größere Mittel für die Förderung des Handwerks, für die Behebung z. B. der Kreditnot des Handwerks usw. bereitzustellen. Die Handwerker wären dann in der Lage, sich die erforderlichen Maschinen anzuschaffen, um den Konkurrenzkampf durchzustehen. Alle diese Fragen finden eben ihre Lösung durch den Abschluß des Friedensvertrags.
Lassen Sie mich zusammenfassen, was die Kommunistische Partei zur Förderung und zur Sicherung der Existenz des Handwerks für erforderlich hält. Wir fordern:
1. den Abschluß eines Friedensvertrags mit Deutschland auf der Grundlage des Vorschlags der Regierung der Sowjetunion,
Wiederherstellung eines einheitlich demokratischen unabhängigen Deutschlands in. Frieden und Freiheit;
2. die Wiederherstellung des ungehinderten Warenverkehrs in ganz Deutschland sowie einen freien unabhängigen Handel mit allen Völkern;
3. Bereitstellung von genügend Stahl, Kohle und anderen Rohstoffen für eine gesicherte Produktion des Handwerks;
die Belieferung mit Rohstoffen für das Handwerk hat gleichrangig mit den übrigen Industriebetrieben zu erfolgen;
4. ausreichende Kreditgewährung bei niedrigen Zinssätzen, Übernahme von Bürgschaften durch die Länder oder den Bund für Handwerksbetriebe, die nicht über die genügenden bankmäßigen Sicherheiten verfügen, Bereitstellung von 500 Millionen DM durch den Bund für Handwerkskredite bei 31/2 0/0 Zinsen.
Die Vergabe der Kredite hat unter Mitwirkung der Organisationen des Handwerks zu erfolgen.
5. Für Handwerksförderung, Veranstaltung von Handwerksmessen, 'Ausstellungen usw. sollen im Haushalt des Bundes jährlich 50 Millionen DM eingesetzt werden.
Die Verdingungsordnung wird für zusätzliche Maßnahmen, für alle Aufträge der öffentlichen Hand und Aufträge, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, angewandt. Bis zum Inkrafttreten eines solchen Gesetzes sind alle Auftraggeber der öffentlichen Hand verpflichtet, dem Handwerk zinsfreie Zwischenkredite für geleistete Arbeiten zu gewähren. Für alle Rechnungsbeträge, die nicht innerhalb von 15 Tagen nach Rechnungslegung bezahlt werden, sind die geltenden Verzugszinsen zu zahlen.
7. Zur Förderung der Lehrlingsausbildung erhält das Handwerk für jeden beschäftigten Lehrling jährlich 50 DM Zuschuß in Form einer Steuerermäßigung.
8. Durch Vorlage eines Gesetzes soll eine Vereinfachung des Steuerwesens ähnlich der Regelung in der Deutschen Demokratischen Republik erfolgen. Dabei ist eine allgemeine Senkung der Steuersätze für Handwerksbetriebe vorzunehmen. Die Einkommensteuern des Handwerks werden den Sätzen der Lohnsteuer angeglichen, die Beschäftigung von Lehrlingen und die Mitarbeit der Ehefrauen bleiben steuerfrei.
9. Alle Arbeiten, die die öffentlichen Betriebe, z. B. Gas-, Wasser-, Elektrizitätswerke und andere Betriebe nicht in der Produktion beeinträchtigen, werden öffentlich ausgeschrieben und an das Handwerk vergeben. Die Vergebung der öffentlichen Aufträge hat nach den ortsüblichen Richtpreisen zu erfolgen.
10. Gesetzlichen Schutz des Handwerks und seiner Erzeugnisse gegen ausländische Schmutzkonkurrenz sowie Beibehaltung des großen Befähigungsnachweises.
11. Schutz und Förderung der Einkaufs- und Liefergenossenschaften des Handwerks, Herabsetzung der Umsatzsteuer von 4 auf 2 %.
Das sind unsere Vorschläge für Sofortmaßnahmen im Interesse des Handwerks.
Wir appellieren an das Handwerk, mit allen friedliebenden Menschen in Deutschland zu kämpfen für die Durchsetzung dieser Forderungen, für die Rettung unseres Volkes aus Kriegsgefahr und Not, für die Erreichung eines Friedensvertrags. Damit werden alle Nöte des Handwerks aufgehoben, damit wird das Handwerk in einem freien, unabhängigen, demokratischen Deutschland einen neuen Wohlstand erreichen.