Rede von
Gertrud
Lockmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Schon aus den Ausführungen meines Freundes Nölting werden Sie gehört haben, daß wir diesem Antrag der CDU absolut positiv gegenüberstehen und ihm wegen seiner Bedeutung für das Handwerk unsere Zustimmung geben. Wir glauben, daß durch die Annahme dieses Antrages und durch die Freistellung der 5 Millionen eine Steigerung der Leistungen des Handwerks im gesamten volkswirtschaftlichen Raum erfolgen kann. Zwar scheint uns, daß 5 Millionen nur ein bescheidener Anfang für die Vielfalt der Aufgaben sind. Aber wenn schon, es könnte immerhin ein Anfang sein.
Die Institute, die sich mit Forschungen für das Handwerk beschäftigen, sollen aus diesen Mitteln unterstützt werden. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse müssen dem Handwerk an die Hand gegeben werden, um eine viel stärkere Rationalisierung und damit eine größere Leistungsfähigkeit herbeizuführen. Dazu gehört gleichzeitig der Besuch von Messen und Ausstellungen; denn jeder weiß, daß ein Blick in die anderen Länder und damit verbunden der Erwerb von Kenntnissen über die Stellung des Handwerks in anderen Ländern in jedem Falle dem Gesamtkomplex dienlich sein kann. Das bedeutet also, daß dem Handwerk Gelegenheit zu Auslandsreisen gegeben werden sollte.
Die eigenen hohen Leistungen des Handwerks verpflichten gerade dazu, dem Handwerk jede nur irgendwie mögliche Förderung zu bieten. Die eigenen Leistungen des Handwerks liegen aber in folgendem: Als die größte und billigste Arbeitsschule der Nation wird das Handwerk wegen der von ihm betriebenen Lehrlingsausbildung bezeichnet. Es ist sicher heute schon einmal gesagt worden — verzeihen Sie mir, ich habe nicht die ganze Diskussion gehört —, daß 70 % aller Lehrlinge in Industrie und Handwerk ausgebildet werden. Im Jahre 1949 wurden im Handwerk folgende Prüfungen durchgeführt: 173 000 Gesellenprüfungen, davon wurden 95 % bestanden; 46 000 Meisterprüfungen, davon wurden 85 % bestanden. Ein
großer Teil der geprüften Handwerker geht später in die Industrie und in andere Bereiche als Facharbeiter; viele werden dort Werkmeister. Das Handwerk ist auch insofern eine billige Arbeitsschule. Staat und Eltern brauchen nichts für sie zu bezahlen.
Für die ausbildenden Meister ist das Lehrlingswesen nach vorliegenden Unterlagen kein Geschäft und soll auch keins sein. Das will das Handwerk auch nicht. Freilich spielt in dem Zusammenhang die Frage der Lehrlingsausbildung eine entscheidende Rolle. Eine Unterstützung der Lehrlingsausbildung in handwerklichen Betrieben ist unbedingt notwendig. Sie hat aber nur Sinn, wenn es gelingt, mit der Vermehrung der Lehrstellen auch eine Sicherung für die Weiterverwendung der Lehrlinge nach Ablauf der Lehrzeit zu verbinden.
Bekannt ist weiter die Berufsnot der schulentlassenen Jugend. Diese Schulentlassenen können trotz vorhandener Eignung den Eintritt in den erwünschten Beruf mangels geeigneter Lehrstellen nicht erreichen. Es muß also alles vermieden werden, was auf seiten des Handwerks die Lehrlingseinstellung auch nur im mindesten hemmen könnte. Eine steuerliche Vergünstigung für die Handwerksbetriebe wäre daher, wenn sie in einfacher und klarer Form erfolgte, durchaus zu erwägen.
Eine Mehrbeschäftigung für die kleinen und mittleren Betriebe, also für das Handwerk, steht aber in engstem Zusammenhang mit der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. So lange die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung keine Gewähr dafür bietet, daß das Arbeitslosenproblem gelöst wird — Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen zeigen dies deutlich —, so lange wird auch die Bereitschaft zur Lehrlingsausbildung nicht größer werden können.
Aber noch ein anderes Gebiet, scheint uns, wäre wichtig und förderungswürdig. Dem Handwerk ist es schwer möglich, sich in dem Irrgarten der Steuergesetzgebung zurechtzufinden. Es kann daher den sachkundigen Rat eines Steuerberaters überhaupt nicht mehr entbehren. Durch diesen Zustand erwächst dem Handwerk eine zusätzliche wirtschaftliche Belastung. Bei dem Stand der Steuergesetzgebung und der auch sonst in der Wirtschaft nicht immer vorhandenen Vernunft wird es dem Handwerk außerordentlich schwer, eine vernünftige und gewinnversprechende Kalkulation durchzuführen. Diese steuerlichen und wirtschaftlichen Belastungen dem Handwerk abzunehmen oder sie zu mindern, war bei den in diesem Hause geführten Steuerdebatten stets das Bemühen der sozialdemokratischen Fraktion; sie hat mit dieser Stellungnahme die Bedeutung des Handwerks in vollem Maße anerkannt. Es ist eine eindeutige Tatsache, daß der Gesetzgeber, statt eine Senkung der Steuertarife herbeizuführen, allmählich so vielseitige Vergünstigungen in die Steuergesetze eingebaut hat, daß diese nur noch von Steuerexperten verstanden werden können.
In diesem Zusammenhang möchte ich betonen — auch das wäre ein Weg, der dem Handwerk nützlich sein könnte —, daß als für das Handwerk unentbehrliche Hilfsmittel übersichtliche genormte Geschäftsbücher ausgearbeitet werden müssen, die die buchtechnische und steuerliche Bearbeitung der Geschäftsvorgänge erleichtern. Man sollte dadurch das Handwerk in die Lage versetzen, seine eigenen geschäftlichen Dinge selber ordnungsgemäß zu erledigen.
Sicher wird der Antrag an den Ausschuß verwiesen. Ich möchte Ihnen sagen, meine Herren und Damen, daß wir uns im Ausschuß bemühen werden, eine sinnvolle und vernünftige Verwendung der von Ihnen beantragten 5 Millionen sicherzustellen und daran mitzuhelfen, daß aus diesem Vorgang ein Nutzen für das Handwerk und darüber hinaus ein Nutzen für die gesamte Volkswirtschaft entsteht.