Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unser Antrag um eine bessere Kreditversorgung des Handwerks, Drucksache Nr. 3140, lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, sich für eine Verbesserung der Kreditversorgung des Handwerks einzusetzen und zwei Monate nach Annahme dieses Antrags dem Deutschen Bundestag über die erfolgten und geplanten Maßnahmen zu berichten.
Ich möchte diesen Antrag begründen selbst auf die Gefahr hin, daß nachher ein Diskussionsredner behauptet, dieser Antrag habe einen langen Bart. — Dann würde er ja zu mir passen.
Beim Blick auf die Fieberkurve, die der Schicksalsweg des deutschen Handwerks allein im letzten Jahrzehnt gezeichnet hat, kommt mir unweigerlich die Strophe ins Gedächtnis, die im Schicksalsbrunnen in Stuttgart eingemeißelt steht:
Von des Schicksals dunkler Quelle fließt das wechselvolle Los;
heute stehst du fest und groß,
morgen schwankst du auf der Welle!
Wenn wir unsere Erinnerung nur um zehn Jahre zurückschalten, in jene böse Zeit, als das deutsche Volk seinem Niedergang entgegenging, in jene Zeit, als die Industrie auf Rüstung umgestellt und die Versorgung des örtlichen Bedarfs dem Handwerk, als sein ureigenstes Gebiet, überlassen wurde, damals, als oft nach Luftangriffen in ganzen Straßenzügen die Fenster eingedrückt und die Dächer abgedeckt waren, als die Dachrinnen in Fetzen herunterhingen und durch Wasserrohrbrüche auch die obersten Stockwerke der Häuser überflutet waren, da hat man nach dem Handwerk gerufen. Und das Handwerk hat geholfen. Es hat in pausenlosem Einsatz tagein und tagaus vom grauenden Morgen bis in die sinkende Nacht gewerkt und geschafft. Es hat seine Friedensbestände
an Material geopfert, seine Pflicht der Volksgemeinschaft gegenüber vorbildlich erfüllt und seine Daseinsberechtigung glänzend unter Beweis gestellt!
Heute aber ringt das Handwerk nach Luft, heute ruft es nach Kredit, und wir fragen: woher kommt denn dieser Hunger nach Kredit? Weil das Handwerk inzwischen zum Bankier seiner Kunden geworden ist und weil es so viele verhärtete Außenstände hat, die in absehbarer Zeit nicht mehr flüssig werden und die vielleicht mit keinem Besen mehr hereingefegt werden können! Für die furchtbar hohen Steuernachzahlungen aus den Jahren 1948 und 1949 ist das Geld nicht mehr vorhanden, weil es durch Lohn- und Materialpreiserhöhungen abgesaugt worden ist. Von den unerhört hohen Außenständen des Handwerks, die über 31/z Milliarden Mark betragen, trägt das Baugewerbe allein die Hälfte. Im Baugewerbe mit seinen 55 000 Betrieben haben sich die Insolvenzen seit dem Jahre 1949 um das Dreieinhalbfache erhöht. Das Handwerk braucht Betriebsmittelkredite so notwendig wie Investitionskredite. Im Handwerk ringen zur Zeit Tausende von Familien mit einer
entsagungsvollen Ehrenhaftigkeit ohnegleichen uni
die Erhaltung der Existenz! Auch zur Sicherung der Selbständigmachung sind Kredite dringend notwendig, denn jede neugegründete Handwerkerexistenz ist eine Keimzelle gegen die Vermassung. Darum sollte die Kreditsicherung auf breiteste Schultern, also auf den Bund gelegt werden.
Der deutsche Export betrug vor dem Kriege 2 Milliarden RM; daran war das Handwerk mit 7 %, also mit rund 140 Millionen RM beteiligt. Davon entfielen auf Optik und Mechanik 78 %, der Rest auf das Kunsthandwerk. Gerade für diese wichtige Devisenquelle muß Kredit gewährt werden! Beim Handwerksexport laufen die Importerlöse zu langsam zurück, und die Bankspesen sind zu hoch. Von den 300 Millionen DM Kredit, die im Vorjahr in die Wirtschaft gegeben worden sind, hat das Handwerk nur 40 Millionen DM bekommen.
Ebenso katastrophal liegen auch die Verhältnisse beim Einzelhandel. Während bei den Betriebsmittelkrediten immerhin noch gewisse Möglichkeiten bestanden, durch Vorlieferanten und Bankinstitute, insbesondere Kreditgenossenschaf ten, wenn auch beschränkte Kredite zu erhalten, war die Lage bei dem Investitionsmittelbedarf erheblich schlechter. An mittel- und langfristigen Krediten waren nach der Statistik der Bank deutscher Länder am 31. Dezember 1950 durch Bankinstitute 6,4 Milliarden DM ausgegeben worden. Davon hat der Handel nur 2,8 % erhalten. Dazu kommt, daß der Einzelhandel infolge seiner geringen Anlageintensität von den steuerlichen Abschreibungsbegünstigungen für betriebliche Anlagegüter kaum Gebrauch machen konnte und daß dem Einzelhandel als einzigem Wirtschaftszweig die erhöhten Abschreibungsmöglichkeiten bei der Errichtung von gewerblichen Gebäuden nicht zugebilligt wurden. Auch aus den Gegenwertmitteln, die bis 31. Dezember 1950 2,5 Milliarden DM betrugen, hat der Einzelhandel nur 400 000 DM bekommen.
Die Kleingewerbetreibenden gehen zu den Volksbanken, sie brauchen Personalkredite. Die Volksbanken könnten flüssiger sein, wenn sie endlich als mündelsicher anerkannt würden. Schwindelsicher sind sie ja von jeher!
Die Volksbanken müssen hinsichtlich der Mindestreserven und der Ausgleichsforderungen Erleichterungen finden. Den Volksbanken sollte der Globalbetrag aus zweckgebundenen Mitteln über die Genossenschaftskasse in Frankfurt/Main zugeleitet werden. Ein Bruchteil der Bürgschaft sollte von der Organisation des Handwerks übernommen werden. Der Zinssatz sollte 7 % möglichst nicht übersteigen. Wir fordern die Berücksichtigung des Handwerks bei diesen zentralgelenkten Krediten.
Ich bitte das Hohe Haus, unserem Antrag zuzustimmen, damit nie der Tag auf uns zukommen möchte, an dem das Handwerk gezwungen ist, die Vergangenheit zu beschwören mit dem Ruf: Hans Sachs komm herunter, das Handwerk geht unter!