Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundesarbeitsminister hatte recht, wenn er vorhin davon gesprochen hat, daß 1938 bzw. 1939 die Versicherungspflicht der Handwerker zum Zwecke der Altersversorgung in den Kreisen des Handwerks mit gemischten Gefühlen aufgenommen wurde. Die Auffassungen hierüber sind auch zur Zeit im Handwerk noch stark geteilt. Die einen setzen sich grundsätzlich für die Aufrechterhaltung einer Versicherungspflicht ein, die anderen sagen: Weg mit jeder Pflicht, auch mit einer Versicherungspflicht! Die Vertretung des Handwerks wird überlegen müssen, ob dem Handwerk die Abschaffung jeder Versicherungspflicht oder die generelle Versicherungspflicht nützt. Die Handwerksvertretung ist der Auffassung, daß die Versicherungspflicht zwar aufrechterhalten bleiben sollte, daß sie aber eine weitgehende Auflockerung erfahren muß. Wir sind der Meinung, daß die Handwerker, auch die Einmannbetriebe, für das Alter zu sorgen haben, damit sie nicht Gefahr laufen, später der Unterstützung anheimzufallen. Von wirtschaftlich starken Kreisen des Handwerks wird jedoch darauf hingewiesen, daß die Versicherungspflicht für diese
Kreise gewissermaßen ein Nonsens ist. Meine Vorredner haben bereits darauf hingewiesen, daß ein Handwerker, der ein erhebliches Einkommen zu erzielen vermag, grundsätzlich versicherungspflichtig ist, daß aber möglicherweise sein Angestellter nach Überschreitung der Versicherungspflichtgrenze von 7200 DM der Versicherungspflicht nicht mehr unterliegt. Wir dürfen auch nicht übersehen, daß in den Kreisen des Handwerks sehr stark die Meinung vertreten wird, man sollte es dem einzelnen Handwerker überlassen, wie er sich versichern will, ob durch Zahlung von Beiträgen zur Angestelltenversicherung oder durch Abschluß einer Lebensversicherung. Bei Schaffung der Altersversorgung hat man dem Handwerker grundsätzlich freie Wahl gelassen. Es ist erfreulich, daß ein großer Teil die Lebensversicherung gewählt hat. Diejenigen, die seinerzeit die Lebensversicherung gewählt haben, sind aber mittlerweile die Betrogenen geworden. Denn die Lebensversicherungen sind durch die Währungsreform so gut wie vernichtet worden, während die anderen, die etwas schlauer waren und Beiträge zur Angestelltenversicherung entrichtet haben, die sich sogar 10 und 15 Jahre und, wie es vielfach vorgekommen ist, 20 Jahre rückwirkend eingekauft haben, heute eine monatliche Rente von erheblicher Höhe beziehen.
Es ist deshalb die Frage zu prüfen — der Herr Bundesarbeitsminister ist mit wenigen Worten darauf eingegangen —, wie man diese Betrogenen, diese um ihre Altersversorgung gebrachten Handwerker entschädigen kann. Ich sehe ein, daß es sehr schwer ist, eine Aufwertung vorzunehmen, sowohl für die Lebensversicherungsunternehmungen als auch für den Bund, weil schließlich erhebliche Summen dafür erforderlich sind. Trotzdem muß hier unter allen Umständen etwas geschehen, insbesondere zugunsten der älteren Handwerker, die heute nicht mehr oder kaum mehr in der Lage sind, etwas zu arbeiten. Nehmen wir den praktischen Fall, daß ein Handwerker schon frühzeitig, also schon vor Inkrafttreten der Versicherungspflicht, eine Lebensversicherung abgeschlossen hat, die später auf Grund der gesetzgeberischen Maßnahmen in vollem Umfange als Altersversorgung anerkannt wurde. Beim Währungsschnitt hatte dieser Handwerker bereits das sechzigste Lebensjahr überschritten; seine Lebensversicherung ist dahin, er bekommt dafür so gut wie nichts. In die Angestelltenversicherung kann er nicht mehr eintreten, weil als Altersgrenze das sechzigste Lebensjahr vorgesehen ist. Nach dieser Richtung hin muß also unter allen Umständen etwas geschehen. Ich möchte eine entsprechende Bitte an Sie richten, Herr Bundesarbeitsminister; ich habe mich mit Ihnen schon einige Male persönlich darüber unterhalten. Wenn auf die augenblicklich sehr hoch erscheinende Summe verwiesen wird, so darf nicht übersehen werden, daß der Betrag nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt auf einmal fällig wird, sondern sukzessive in einer Reihe von Jahren, zum Teil in zehn, in zwanzig und vielleicht sogar noch in mehr Jahren.
Die Vertretung des Handwerks, habe ich bereits gesagt, hat sich grundsätzlich für die Versicherungspflicht, insbesondere für die wirtschaftlich schwachen Kreise des Handwerks ausgesprochen, weil, wie wir wissen, die wirtschaftlich schwachen Kreise, die an und für sich gezwungen sind, täglich, wöchentlich, monatlich ihre Pfennige und ihre Mark zu zählen, kaum freiwillig eine Versicherung eingehen würden, die sie in die Lage versetzte, im Alter versorgt zu sein. Also für diese Kreise bejahen wir die Versicherungspflicht.
Etwas anderes ist es dagegen bei Handwerkern, die ein beträchtliches Einkommen zu erzielen vermögen, deren geschäftliche und wirtschaftliche Grundlage schon von vornherein gesichert erscheint. Der Kollege Becker hat in seinen Begründungsworten darauf hingewiesen, daß es möglich gemacht werden müsse, Eigenkapitalien zu bilden. Gerade diese Eigenkapitalien ermöglichen es nach meinem Dafürhalten, hier eine möglichst starke Auflockerung Platz greifen zu lassen und dem Handwerker, der wirtschaftlich dazu in der Lage ist, die Freiheit zu geben, wie er für sein Alter sorgen will. Soweit ich im Bilde bin, soll der Gesetzentwurf, den das Bundesarbeitsministerium ausgearbeitet hat und der, glaube ich, auch bereits dem Kabinett zugeleitet wurde, ziemliche Auflockerungen enthalten und den Wünschen des Handwerks weitgehend entgegenkommen.
Aber man muß meines Erachtens dazu kommen, daß bei Handwerkern, die neben ihrem Einkommen aus dem handwerklichen Betrieb noch ein anderes gewerbliches Einkommen erzielen, dieses zusätzliche gewerbliche Einkommen der Beitragszahlung zur Angestelltenversicherung nicht zugrunde gelegt wird. Nehmen wir zum Beispiel einen praktischen Fall! Ein Konditormeister kann und muß sich eventuell mit dem handwerklichen Einkommen, das er aus seiner Konditorei erzielt, versichern, ist also damit versicherungspflichtig. Er kann und soll aber nach unserer Meinung nicht mit dem Einkommen versicherungspflichtig sein, das er durch den Betrieb eines Cafés erzielt, desgleichen ein Metzgermeister, der vielleicht zusätzlich noch eine Gastwirtschaft unterhält, oder ein Wagner oder ein Schmied auf dem Lande oder sonstige landwirtschaftliche Handwerker, wie überhaupt die Landwirte, die ein Handwerk mit ihrem Landwirtschaftsbetrieb verbunden haben, grundsätzlich mit ihrem Einkommen aus der Landwirtschaft frei sein sollen. Es soll also nur das tatsächliche handwerkliche Einkommen der Versicherungspflicht unterliegen.
Ich hätte noch einen Vorschlag zu machen, der auch schon verschiedentlich erwogen wurde und der in der Invalidenversicherung eigentlich gang und gäbe ist. In der Invalidenversicherung wird die Anwartschaft voll aufrechterhalten, wenn jährlich sechs Monatsbeiträge bezahlt werden. Man müßte überlegen, ob nicht bezüglich der Altersversorgung des Handwerks in der Angestelltenversicherung ein Gleiches geschehen kann.
Bedenken wir, daß die Zeiten sehr wandelbar sind und daß die wirtschaftlichen Verhältnisse sich von einem Tag zum anderen ändern können. Ein Handwerker kann auf Grund wirtschaftlicher Verhältnisse, auf Grund familiärer Sorgen oder sonstiger Umstände vorübergehend nicht in der Lage sein, die zwölf Monatsbeiträge zu entrichten. Er will sich aber versichern, will bei der Versicherung bleiben, er will die Anwartschaft aufrechterhalten. Hier sollte die Anwartschaft auch mit sechs Monatsbeiträgen gewährleistet sein.
Es ist auch die Frage aufgeworfen worden — vom Herrn Bundesarbeitsminister, glaube ich —, ob es nicht erwägenswert sei, innerhalb der Angestelltenversicherung eine eigene Abteilung Handwerk zu schaffen. Diese Frage ist in den Kreisen des Handwerks auch schon vielfach Gegenstand eingehender Diskussionen gewesen. Zu einer Ent-
scheidung ist man bis jetzt nicht gekommen. Ich glaube, daß man diese Frage zwar erwägen und eingehend prüfen soll, bin aber nicht davon überzeugt, daß sich für diese Anregung tatsächlich eine Durchführungsmöglichkeit bietet.
Zusammenfassend möchte ich sagen: Wir halten zwar an der Versicherungspflicht fest; wir wollen es aber dem einzelnen Handwerker überlassen, wie er sich versichern will, ob in der Lebensversicherung, ob in der Angestelltenversicherung, oder ob er halbieren will, was wir als einen nicht gerade glücklichen Zustand bezeichnen. Wir müssen aber eine weitgehende Aufgliederung im Sinne des von mir Vorgetragenen fordern.