Rede von
Rudolf
Freidhof
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Schon allein die Tatsache, daß von den 900 000 Inhabern von Handwerksbetrieben rund 120 000 das 65. Lebensjahr überschritten haben und eine große Zahl der Handwerker an diese Altersgrenze herankommen, verpflichtet uns, möglichst rasch auf dem Gebiet der Altersversorgung des deutschen Handwerks etwas zu unternehmen. Dazu kommt, daß ein Teil der Handwerker durch die Inflation im Jahre 1923 und durch die Währungsumstellung im Jahre 1948 einen Teil ihres Vermögens oder der Ersparnisse, die sie für ihr Alter angesammelt hatten, verloren haben.
Nun hat Herr Abgeordneter Schmücker und auch Herr Abgeordneter Stücklen hier erklärt, daß die Parteien, die hier vertreten sind, gegenüber dem Handwerk heute Farbe bekennen müssen. Ich glaube, diese Aufforderung war gegenüber der sozialdemokratischen Fraktion nicht notwendig. Erstens stehen wir dem Handwerk positiv gegenüber, und zweitens wünschen wir auch, daß eine Altersversorgung für das Handwerk geschaffen
wird, die den berechtigten Wünschen des Handwerks einigermaßen Rechnung trägt, soweit das im Rahmen des Möglichen liegt. Damit nicht die Meinung aufkommt, die sozialdemokratische Fraktion habe erst, nachdem die Anträge der CDU und der Föderalistischen Union eingereicht sind, zur Altersversorgung Stellung genommen, möchte ich darauf verweisen, daß wir schon, bevor diese Anträge eingereicht waren, eine Anfrage an die Regierung gerichtet hatten, bis wann mit der Vorlage des Gesetzes über die Altersversorgung des deutschen Handwerks gerechnet werden könne. Wir haben gefragt, warum eine so lange Verzögerung eingetreten sei, nachdem der Bundestag am 17. Januar vorigen Jahres beschlossen hatte, die Regierung zu verpflichten, bis zum 31. März 1951 ein Gesetz vorzulegen. Wir stehen also der Altersversorgung und einer Hinterbliebenenversorgung des deutschen Handwerks positiv gegenüber. Die Regierung hat uns auf unsere Anfrage am 26. Februar 1952 geantwortet, daß zunächst die Ergebnisse der vom Statistischen Bundesamt durchgeführten Handwerkszählung abgewartet werden mußten und daß es ferner notwendig gewesen sei, mit den beteiligten Stellen wiederholt eingehende Verhandlungen zu führen, um die von den Handwerksorganisationen geforderten weitgehenden Änderungen des Handwerkerversorgungsgesetzes mit den Belangen der Angestelltenversicherung in Einklang zu bringen. Wir machen deshalb der Regierung keinen Vorwurf, daß es so lange gedauert hat. Wir wissen, daß es sich bei diesem Problem um eine sehr schwierige Materie handelt. Wir freuen uns, daß der Herr Arbeitsminister eben erklärt hat, das Gesetz werde in unmittelbar bevorstehender Zeit vorgelegt.
Nach dem Gesetz vom 21. Dezember 1938 mußten sich die Handwerker versichern, entweder in einer öffentlichen oder privaten Lebensversicherung — sie konnten diese Versicherung für den Fall des Todes oder auf Zeit abschließen — oder in der Angestelltenversicherung. Wir haben eben gehört, daß ungefähr 350 000 in der Lebensversicherung versichert gewesen sind. Diese Versicherungen sind zum größten Teil entwertet. Wir möchten auch die Frage aufwerfen, ob nicht die Möglichkeit besteht, hier etwas zu tun. Wir haben ja in einem anderen Falle, bei den Werkspensionen, aus Staatsmitteln etwas getan, um die Erhöhung der Auszahlungen bei den Werkspensionen zu ermöglichen.
Grundsätzlich stehen wir Sozialdemokraten auf dem Standpunkt, daß alle Handwerker versichert sein sollen, auch ,die Inhaber von Einmannbetrieben, weil gerade dieser Personenkreis am wenigsten vor den Wechselfällen des Lebens geschützt ist und wir nicht wünschen, daß die Handwerker, wenn sie alt sind oder nicht mehr arbeiten können, auf die öffentliche Fürsorge angewiesen sind.
Über die Art der Versicherung, über die Höhe der Versicherungssumme, über diejenigen Kreise, die befreit werden sollen, wird man im Ausschuß gründlich beraten müssen. Herr Kollege Becker hat ja ebenfalls darauf hingewiesen, daß die Einzelheiten der Vorlage einer gründlichen Überprüfung im Ausschuß bedürfen. Auch der Herr Bundesarbeitsminister hat darauf hingewiesen, daß es sich hier um ein sehr schwieriges Problem handelt und daß der Ausschuß wahrscheinlich noch viel Kopfschmerzen haben wird, bis diese Dinge endgültig geregelt sind.
Es wird die Frage aufgeworfen werden müssen, ob die Wahl zwischen der Lebensversicherung und der Angestelltenversicherung nicht dazu führt, daß die guten Risiken von der Lebensversicherung übernommen werden und die weniger guten Risiken von der Angestelltenversicherung getragen werden müssen. Das ist eine sehr schwierige Frage, die eingehend geprüft werden muß, um nicht die Angestelltenversicherung einseitig zu belasten. Es wird zu überlegen sein, ob nicht eine eigene Anstalt oder eine besondere Abteilung für die Altersversorgung des deutschen Handwerks geschaffen werden soll, die den besonderen Verhältnissen des deutschen Handwerks Rechnung trägt. Wir .dürfen nicht vergessen, daß es auch für die Handwerker selbst schwierig ist, wenn sie in die Angestelltenversicherung hineingehen, weil sie den vollen Beitrag — auch den Arbeitgeberanteil — bezahlen müssen, und daß es für manche Handwerker eine schwere Belastung bedeuten wird, wenn sie in diese Versicherung hineingehen müssen, was aber im Interesse ihrer Altersversorgung absolut notwendig erscheint.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit gleich noch eine andere Frage — nur im Telegrammstil — ansprechen. Es wirft sich gleichzeitig das Problem der Versicherungspflicht auch für andere Berufsgruppen der Selbständigen auf, die ebenfalls des sozialen Schutzes bedürfen. Ich habe hier einen Artikel über die Altersversorgung der Bauern vor mir liegen, der von einem Kreisbauernverband veröffentlicht worden ist. Wir haben ja vor anderthalb Jahren — der entsprechende Antrag ist von dem leider verstorbenen Abgeordneten Krause begründet worden — hier einmal über die Rentenversicherung der freien Berufe gesprochen. Also mit der Frage der Altersversorgung der Handwerker wird auch die Frage der Versicherung der übrigen Gruppen aufgeworfen. Aber das nur nebenbei.
Wir sind froh über die heutige Erklärung der Regierung, daß die Vorlage bald kommt. Wir sind bereit, mitzuhelfen, damit dem Handwerk eine Versicherung geschaffen wird, die eine tragbare Lösung dieses Problems bedeutet.