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ID0119900900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 199. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 19. März 1952 8519 199. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 19. März 1952. Nachruf auf den verstorbenen Abg. Weickert 8520A Geschäftliche Mitteilungen 8520B Beschlußfassung des Deutschen Bundesrats zum Gesetz zur Änderung und Verlängerung des Wirtschaftsstrafgesetzes 8520C Gesetz über die richterliche Vertragshilfe (Vertragshilfegesetz) 8520C Gesetz über die Steuerberechtigung und die Zerlegung bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer (Zerlegungsgesetz) 8520C Gesetz über den Niederlassungsbereich von Kreditinstituten 8520C Gesetz über Ordnungswidrigkeiten . . 8520C Gesetz über die Sorge für die Kriegsgräber (Kriegsgräbergesetz) 8520C Kleine Anfrage Nr. 246 der Fraktion der CDU/CSU betr. Materialversorgung des Handwerks und gewerblichen Mittelstandes (Nrn. 3132, 3197 der Drucksachen) 8520C Kleine Anfrage Nr. 245 der Fraktion der CDU/CSU betr. Unterabteilung Handwerk im Bundeswirtschaftsministerium (Nrn. 3131, 3207 der Drucksachen) . . . 8520D Änderungen der Tagesordnung 8520D Zur Geschäftsordnung — Frage der Behandlung der Tagesordnung: Vizepräsident Dr. Schäfer . 8521C, 8527B Stücklen (CSU) 8520D, 8560A Mellies (SPD) 8521A Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Steuergesetzgebung (Nr. 3130 der Drucksachen) 8521C Schmücker (CDU). Anfragender . . 8521C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . . 8524D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betr. Altersversorgung des Handwerks (Nr. 3129 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der FU betr. Vorlage eines Änderungsgesetzes über die Altersversorgung für das deutsche Handwerk (Nr. 3106 der Drucksachen) . . 8527B Becker (Pirmasens) (CDU), Anfragender 8527C Storch, Bundesminister für Arbeit 8528D, 8530A, 8533A Dr. Etzel (Bamberg) (FU), Antragsteller 8529C Freidhof (SPD) 8530D Dirscherl (FDP) 8531D Paul (Düsseldorf) (KPD) 8533C Ausschußüberweisung des Antrags Nr. 3106 8534A Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Vorlage eines Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit (Nr. 3135 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Auftragsvergebung der öffentlichen Hand (Nr. 3138 der Drucksachen) sowie mit der Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Verdingungsordnung für Bauleistungen im Hoch- und Tiefbau (VOB) (Nr. 3139 der Drucksachen) . . . 8534B Becker (Pirmasens) (CDU), Antragsteller 8534B Günther (CDU), Antragsteller . . . 8535C Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 8537A Storch, Bundesminister für Arbeit . 8537B Eickhoff (DP) 8537D Dirscherl (FDP) 8539C Hoecker (SPD) 8540D Paul (Düsseldorf) (KPD) 8533C Schmücker (CDU) 8543A Wirths (FDP) 8543B Kalbfell (SPD) 8543D Dr. Etzel (Bamberg) (FU) 8545A Ausschußüberweisungen 8546C Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Förderung des Handwerks (Nr. 3137 der Drucksachen; Umdruck Nr. 470) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU betr. Kreditversorgung des Handwerks (Nr. 3140 der Drucksachen) . 8546D Mensing (CDU), Antragsteller . . . 8547A Schuler (CDU), Antragsteller . . . . 8549A Dr. Nölting (SPD) 8550A Dr. Erhard, Bundesminister für Wirt- schaft 8552B Frau Lockmann (SPD) 8553C Paul (Düsseldorf) (KPD) 8554C Hoecker (SPD) 8556D Dr. Etzel (Bamberg) (FU) 8558B Dirscherl (FDP) 8558C Schmücker (CDU) 85590 Ausschußüberweisungen 8560A Zur Geschäftsordnung — Vertagungsantrag: Stücklen (CSU) 8560A Weiterberatung vertagt 8560C Nächste Sitzung 8560C Die Sitzung wird um 13 Uhr 31 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schäfer eröffnet.
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    Rede von Dr. Hermann Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Nach den letzten Ausführungen des Herrn Abgeordneten Mellies glaube ich auch, daß wir so verfahren könnten, daß wir zunächst einmal die Anfragen an die Regierung beantworten lassen. Dann wäre es vielleicht möglich, daß eine interfraktionelle Vereinbarung über die Aufteilung der Tagesordnung getroffen wird, nämlich darüber, ob von dem Vorschlag des Ältestenrats wirklich abgewichen werden soll, sämtliche Anträge zunächst einmal mit einer Redezeit von ungefähr 15 Minuten begründen zu lassen und dann eine Gesamtaussprache von 360 Minuten über alle Anträge stattfinden zu lassen, die doch in irgendeinem inneren Zusammenhang miteinander stehen.
    Ich will also unter diesen Umständen jetzt die Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag zurückstellen und rufe zunächst den Punkt 2 der Tagesordnung auf:
    Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Steuergesetzgebung (Nr. 3130 der Drucksachen).
    Zur Begründung der Anfrage hat das Wort Herr Abgeordneter Schmücker.
    Schmücker (CDU), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Tagesordnung liegt dem Deutschen Bundestag ein umfangreiches Nahprogramm für den Mittelstand vor. Noch nicht alle Probleme sind in diesen Anträgen angesprochen, aber doch die wesentlichsten. Wir sind froh, daß der Deutsche Bundestag sich endlich einmal einen ganzen Tag Zeit nimmt, die großen Sorgen dieses Volksteils, des deutschen Mittelstandes, zu besprechen. Nach all den voraufgegangenen Diskussionen sind wir sicher, daß das Ergebnis dieser Aussprache ein echter Wille zur Förderung des gewerblichen Mittelstandes sein wird.
    Mit der gesamten Wirtschaft ging 1945 auch der deutsche Mittelstand in seine schlimmste Katastrophe. Ihn trafen die Verluste an Fachleuten, an Betrieben, an Gerät genau so hart wie die anderen Wirtschaftszweige. Trotzdem war es nicht möglich, diese mittleren Betriebe in die ersten Wiederaufbaumaßnahmen hineinzunehmen. Den Notstandsbezirken mit ihrer Massenarbeitslosigkeit und den Grundstoffindustrien mußte — das bestreitet niemand — der Vorrang gegeben werden. Es ist auch unbestritten, daß mit dieser unvermeidbaren Rangierung die Konsumenten erst in die Lage versetzt worden sind, zum Handwerker und zum Kaufmann zu gehen, daß also damit eine indirekte Hilfe gekommen ist. Der kleinere und mittlere Gewerbebetrieb konnte auch erst wieder anlaufen, als die Materiallieferanten sich ihm offerierend zur Verfügung stellten. Das ist alles richtig und wird bedacht. Aber leider ist es auch richtig, daß dem Mittelstand bisher nur sehr schwache Möglichkeiten gewährt worden sind, den allgemeinen wirtschaftlichen Aufstieg in der Bundesrepublik betrieblich zu nutzen. Die Großindustrie hatte einen ungeheuren Investitionsbedarf. Parlament und Regierung haben sich bemüht, diesen Bedarf auf volkswirtschaftlich möglichst sinnvolle Weise zu decken. Die Arbeitnehmerschaft erreichte, wenn man die Jahreszahl bedenkt, einen guten Lohnindex und erhielt vom Gesetzgeber eine weitreichende, notwendige soziale Betreuung. Aber unterhalb der wirtschaftlichen Förderung und oberhalb der sozialen Betreuung blieb der gewerbliche Mittelstand fast unversorgt.


    (Schmücker)

    Wir meinen nun, daß es hohe Zeit wird, eine zielbewußte Förderung der mittelständischen Existenzen aufzunehmen. Da genügt es nun nicht, daß man sich mit allgemeinen Erklärungen zum Mittelstand bekennt. Man muß seine Meinung und seine Haltung an konkreten Tatsachen beweisen. Es genügt nicht einmal, daß man sich für den großen Befähigungsnachweis einsetzt. Man muß zwar alles tun, um ihn durchzusetzen. Es ist ja noch ein Antrag auf die Tagesordnung gesetzt worden, der sich gerade für den großen Befähigungsnachweis, der für das Handwerk das wichtigste Problem ist, einsetzt.
    Tausende von mittelständischen Existenzen sind in Gefahr, weil sie ihren Startnachteil, den sie gegenüber den größeren Unternehmern nun einmal haben, durch noch so fleißige Mehrarbeit nicht wettmachen können. So haben wir im mittelständischen Einzel- und Großhandel eine große Anzahl von Betrieben, die noch nicht in der Lage waren, einen echten Lagerbestand ansammeln zu können. Was da ist, wird mit viel zu teuren Bankkrediten gehandelt. Handwerker, die nicht die Vorteile einer kompletten Buchführung haben ausnutzen können, sind zu Ersatzbeschaffungen nennenswerter Art kaum in der Lage gewesen. Es herrscht im gewerblichen Mittelstand eine echte Not, eine Not, die ihre Ursache zwar in der Katastrophe von 1945 hat, die wir aber überwinden müssen, genau so wie wir. sie zu überwinden uns auf anderen Gebieten bemühen.
    Wir müssen den Mittelstand erhalten, weil er staatspolitisch und volkswirtschaftlich von hoher Bedeutung ist. Zum Mittelstand zählen wir die Menschen, die, unabhängig auf einer eigenen Grundlage stehend, eigenverantwortlich wirtschaften, um den Lebensunterhalt ihrer Familie zu sichern. Und das ist der große Unterschied zu jenen anderen Wirtschaftszweigen, in denen man für den Betrieb arbeitet. Hier arbeitet man aber unmittelbar für die Familie, und der Betrieb steht unter den Bedürfnissen der Familie oder ist doch für diese da. Durch das Zusammenwirken der Familienkräfte und der noch familiär zusammenlebenden Gesellen und Gehilfen ergeben sich gerade im Mittelstand soziale Verhältnisse gesunder und — ich möchte sagen — beispielhafter Art. Das Generationsdenken ist weithin wachgeblieben, und man darf sagen, daß gerade im Mittelstand weder für einen reaktionären Trott noch für einen revolutionären Wirbel Raum ist. Man lebt aus der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft. Man ist in allem noch ganz und echt Familie. Man steht verbindend zwischen den Schichten und wechselt mit seinen Angehörigen mal dort, mal da hinüber. Und es ist oft genug gesagt worden: Gäbe es keinen Mittelstand mehr in unserem Vaterlande, dann würde sich eine tiefe Kluft auftun zwischen den Schichten, die heute dank der Existenz des Mittelstandes noch eine Gemeinschaft sind. Und nicht nur das! Gibt es keinen Mittelstand mehr, dann ist der Weg zum Aufstieg, der heute jedem Fleißigen und Tüchtigen offensteht, abgeschnitten. Es ist ja leider schon so, daß das Wagnis der Existenzgründung, das Wagnis eines eigenen Unternehmens heute kaum noch belohnt wird. Wenn trotzdem immer aufs neue Angestellte, Handwerker, Kaufleute usw. eigene Betriebe gründen, dann tun sie es trotz erheblicher wirtschaftlicher Nachteile, weil sie unabhängig sein wollen. Wir brauchen den Mittelstand, weil wir eine Aufstiegsmöglichkeit für jeden Menschen brauchen, und wir
    brauchen den Mittelstand — das möchte ich einmal in aller Klarheit, .aber auch in aller Ruhe zum Ausdruck bringen —, damit der Mensch frei bleibt.
    Notzeiten bedingen starke Konzentrationen in der Hand des Staates. Nicht der einzelne baut Häuser; das tut der Staat. Nicht der einzelne kultiviert das Odland; der Staat macht es. Aber für wen macht er es? Doch nicht für sich — er sollte es wenigstens nicht tun —; doch für den einzelnen, für den Menschen. Aber in den Notzeiten klammern sich die Menschen nur zu gern an die Illusion eines rettenden Zentralismus. Das ist im Staatsorganisatorischen so, das ist bei den Finanzen so, und das ist auch in der Wirtschaft so. Die öffentliche Hand - ich nehme dieses Wort, um auch die Länder und die Kommunen miteinzubeziehen — ist der größte Auftraggeber geworden. Ihr Anteil reicht an den der Summe aller übrigen Partner heran. Einige wenige Büros oder nachgeschaltete Zweckverbände oder meistens gemeinnützig getaufte Genossenschaften verfügen über mehrstellige Millionenbeträge. Sie verhandeln natürlich nur — entsprechend den großen Zahlen — mit großen Firmen. Sich mit Handwerkern oder mittleren Gewerbetreibenden herumzuschlagen, wäre ja viel zu mühevoll, unzweckmäßig, zu teuer und wie die vielen Begründungen alle heißen. Der private Auftraggeber ist aber für den Mittelstand ausgefallen, weil er sein Geld, das er sonst anlegen würde, als Steuer abführen muß. Und so haben wir den grotesken Zustand, daß wir bei den gewaltigen Bauleistungen im Bundesgebiet, in der Provinz, zum mindesten in den abgelegenen Gebieten der Provinz, ein Bauhandwerk vorfinden, das die schlechtesten Zeiten durchmacht.
    Wenn also schon der Staat — und das möchten sich freundlicherweise auch einmal die Herren Ländervertreter anhören, die sich — in der vorigen Woche war es wohl — so wenig freundschaftlich gegenüber unserem Wunsche auf eine ministerielle Vertretung gezeigt haben, — wenn also der Staat schon das Geld sammeln muß, um es zweckmäßiger, um es zentraler im Zuge des Wiederaufbaues anzulegen, dann möchte er sich gefälligst auch um die andere Aufgabe kümmern, nämlich um die der individuellen Auftragsvergabe. Zum mindesten sollte er sie unterstützen. Der Staat muß jedem sein Recht geben, und es ist eine alte Sache, daß auf die Dauer kein Stand zu Lasten eines anderen Vorteile nehmen kann, auch nicht über den Umweg des Staates.
    Was wir mit unseren Anträgen und Anfragen wollen, sind keine Bevorzugungen und Vorteile für den gewerblichen Mittelstand, sondern es ist eine Gleichstellung mit der übrigen Wirtschaft. Und dabei meinen wir freilich, daß das deutsche Handwerk in seiner Gesamtheit genau so wichtig, genau so wertvoll und genau so tüchtig ist wie beispielsweise die 'deutsche Stahlindustrie. Wir sind der Meinung, daß die deutschen Kaufleute und Gewerbetreibenden der kleinen und der mittleren Industrie der Volkswirtschaft genau so viel geben wie jene anderen Gruppen, die allzu oft mit großen und blendenden Zahlen operieren. Hier ist keiner mehr als der andere, und wir als Parlament haben die Pflicht, jedem das gleiche Recht zu geben. Und das heißt in der Wirtschaft: gleiche Start- und Wettbewerbsbedingungen, gleichen Anteil an den Staatsaufgaben und gleichen Anteil an den Lasten. Das und nicht mehr ist die Forderung des Mittelstandes.


    (Schmücker)

    Meine Damen und Herren, darf ich damit zur ersten Großen Anfrage kommen, einer Anfrage über die Steuergesetzgebung. Unseren Steuerurwald kennen Sie. Daß von heute auf morgen keine Änderungen größerer, grundsätzlicher Art möglich sind, begreift jeder Einsichtige. Aber wissen möchte der Bürger endlich einmal, wann er in die Lage kommen wird, seine Steuersachen selbst zu bearbeiten. Die Komplikationen sind durch die vielen Sonderbestimmungen entstanden. Der Bundestag hat auch seine Erfahrungen mit diesen Dingen gemacht, und es darf ruhig einmal auch in diesem Hause betont werden: Wären nicht so viele Außenseiter da, die die Vergünstigungsbestimmungen rücksichtslos mißbrauchen, würden die Paragraphen langlebiger und die Verordnungen schlichter sein. Wir müssen zu einer Änderung des Steuersystems kommen.
    Eine Buchführung hat für den Betrieb nur den Zweck, ihn übersichtlich zu halten. Heute aber wird für die Steuer Buch geführt, und dabei kommen der Betrieb und häufig auch die Steuern zu kurz. Zum mindesten wird viel Zeit volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich unsinnig vertan. Wenn der Staat die Stunden bezahlen müßte, die er dem kleinen Unternehmer an Steuerarbeit für diesen Staat zumutet, dann, glaube ich, würden die Finanzminister und auch wir etwas vorsichtiger sein.
    Aber damit nicht genug, meine Damen und Herren. Es scheint sich seit einiger Zeit so eine Art Sprachregelung durchzusetzen, daß alle Lohn- und Gehaltsempfänger ehrliche Steuerzahler seien und alle oder die meisten anderen eben keine ehrlichen Steuerzahler. Gegen diese moderne Rede scheinen mir einige klare Worte notwendig zu sein.
    Meine Damen und Herren, haben Sie schon einmal über den Unterschied zwischen einem Festbesoldeten und einem unternehmerisch nicht im großen, sondern im kleinen tätigen Menschen nachgedacht? Wenn beide ein Einkommen von 400 Mark haben, dann hat es der eine leidlich sicher, der Handwerker oder Einzelhändler dagegen braucht noch keinen roten Pfennig in der Tasche zu haben. Der Angestellte hat das Geld in bar, der Unternehmer hat es zum Teil versteckt in Waren, die im Preise stiegen, oder in Außenständen, über deren Bewertung nachher noch zu sprechen sein wird, und kann an dieses Einkommen gar nicht heran; er hat keine Pauschvergünstigungen usw. usw. Meine Damen und Herren, nicht ich habe diese beiden Gruppen in einen Wettbewerb gestellt; das hat diese Sprachregelung getan, der wir auf allen oder zumindest auf vielen Finanzämtern begegnen, und ich meine, man sollte einmal dagegen protestieren, daß der Respekt vor der unternehmerischen Initiative des kleinen Mannes dort nicht gewahrt wird.
    Es wird immer wieder gesagt, der Einkommensbezieher habe gewisse Möglichkeiten. Nun, diese Möglichkeiten haben die Mehrzahl unserer kleinen Handwerksmeister und unsere Einzelhändler eben nicht. Sie zahlen — das ist nicht nur meine Überzeugung, sondern das ist das Ergebnis einer Feststellung, die jeder prüfen kann — mehr Steuern, als sie zahlen müßten, wenn sie sich den Luxus einer großbetrieblichen Buchführung leisten könnten.
    Damit kommen wir zur ersten Frage. Zu ihr ist nicht viel zu sagen, denn das ganze Volk redet darüber und wartet darauf, daß diese Steuerreform, diese Vereinfachung kommt. Ihre Notwendigkeit ist unbestritten. Darf ich nur eine Anregung geben:
    Es ist ein wissenschaftlicher Beirat gebildet worden. Sollte es nicht möglich sein, in diesen wissenschaftlichen Beirat auch Leute hineinzunehmen, die sich in den Sorgen gerade der kleineren Betriebe auskennen?
    Auch zur Steuervereinfachung einige Anregungen und einige Beispiele: Die Steuererklärung liegt Jahre vor dem Steuerbescheid. In der Zwischenzeit kann sich Gott weiß was ereignet haben. Gerade in den kleinen Betrieben wird — ich sagte es ja schon — für die Familie gearbeitet. Das Geld wandert nicht in den Betrieb hinein und kann, wenn die Zeit abgelaufen ist, nicht mehr gefaßt werden. Es ist daher unsere Meinung, daß man die Frist zwischen Steuererklärung und Bescheid verkürzen sollte. Man sollte hier einen Verwaltungsakt vornehmen. Dann müßten natürlich Betriebsprüfer eingeschaltet werden, die, wenn sie mit den Leuten 'in bürgerlichem Ton verkehren, auch nur Segen bringen könnten. Diese Auffassung wird nicht von den Wirtschaftskreisen geteilt, die eine nicht bezahlte Steuer gern als sozusagen zinsloses Darlehen zurückbehalten möchten. Aber beim Handwerk trifft das nicht zu. Wenn ein Handwerker nach zwei Jahren 200 Mark Steuern nachbezahlen muß, ist er sehr, sehr schwer getroffen. Wir müssen versuchen, diese Dinge zu ändern.
    Ein weiteres. Wir haben sogenannte Mindestbuchführungen. Sie sind ausgearbeitet worden zwischen den Finanzsachverständigen und den Vertretungen ,der mittleren Industrie, des Handwerks usw. Diese Mindestbuchführungen werden zwar zunächst anerkannt, aber dann kommen soundso viele Verordnungen hinterher, und am Ende wird die Buchführung verworfen, so daß der Handwerker, der kleine Kaufmann, nicht mehr weiß, was los ist. Was wir wünschen, ist, daß der kleine Unternehmer eine Sicherheit bekommt. Wenn wir also schon eine Mindestbuchführung anerkennen — und meistens sagt sie genau so viel aus wie eine umfangreichere Buchführung —, müssen wir sie auch bis zur letzten Konsequenz anerkennen.
    Zu unserer Bitte, in die Einkommensteuer Vergünstigungen einzubauen, die einen pauschalen Ausgleich bieten für die vielen Vergünstigungen, die den Betrieben mit kompletter Buchführung gewährt werden, möchte ich zusätzlich noch den Wunsch vortragen, daß man einen Freibetrag für die mitarbeitende Ehefrau einführt. Sie wissen, daß die unselbständig arbeitende Ehefrau getrennt veranlagt werden kann. Eine ähnliche Regelung müßten wir für die mitarbeitende Ehefrau schaffen. Ich bin allerdings der Meinung, daß wir die Veranlagung nicht trennen sollten, sondern hier eine Erhöhung des Freibetrages einführen müßten. Dem wird entgegengehalten, daß bei einer solchen Erhöhung des Freibetrages oder bei Einführung derartiger Bestimmungen jeder kommen und sagen würde: meine Frau arbeitet mit, hilft mit, also kann ich diese Vergünstigung beanspruchen! Ja, meine Damen und Herren, es ist eben so, daß im Handwerk und im kleineren Gewerbe die Frau mitarbeiten muß, sonst können diese Leute gar nicht existieren. Bei den vielen anderen Nachteilen, die sie in Kauf nehmen müssen, können sie nur durch Mehrarbeit mit der Konkurrenz Schritt halten.
    Ebenso wird es notwendig sein, eine Berechnung der Scheingewinne einzuführen. Darüber braucht nicht viel gesagt zu werden, weil schon sehr viel darüber geschrieben worden ist. Aber ich möchte
    I darauf hinweisen, daß es unmöglich ist, die Praxis


    (Schmücker)

    fortzusetzen, Außenstände als Gewinne zu buchen. Mir sind mehrere Fälle bekanntgeworden, in denen die Finanzämter bei dem Vergleich der Bilanzen auf Grund einer besonderen Durchführungsverordnung die Außenstände als Gewinne versteuert wissen wollen. Meine Damen und Herren, bei der Währungsreform haben alle mit Null angefangen. Wenn dann ein Außenstand von, sagen wir einmal, 10 oder 15 % eintritt, so ist das schon eine Belastung für den Betrieb. Daß nun aber der Staat kommt und diese Außenstände, die vom Unternehmer noch kreditiert werden müssen, als Gewinne besteuern will, scheint mir nicht gerechtfertigt zu sein.
    Über die Gewerbesteuer soll nicht gesprochen werden, trotzdem bleibt ihre Berechtigung zweifelhaft.
    Zur Umsatzsteuer möchten wir das wiederholen, was wir schon gesagt haben, als wir hier über die Warenhaussteuer diskutierten: Eine Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer, wie sie immer als prinzipielle Eigenschaft dieser Steuer angenommen wird, gibt es für die kleingewerblichen Betriebe nicht. Hier muß der Unternehmer praktisch die Steuer selbst tragen. Hinzu kommt noch, daß die Ware gerade für ihn erheblich stärker besteuert wird als für alle anderen Unternehmen, die sich Konzentrationen, eine Verkürzung des Warenweges leisten können. Man hat den Ausweg der Phasensteuer zu beschreiten versucht und wollte ihn dann auch im Handwerk ausprobieren. Auf jeden Fall dürfen wir sagen, daß diese Phasensteuer kaum geklappt haben dürfte.
    So oft und intensiv wir dieses Problem auch hin und her diskutieren, wir stellen fest, daß es eine absolut gerechte Regelung bei der Umsatzsteuer einfach nicht gibt. Das liegt vielleicht schon an der Art der Steuer selbst. Wir müssen daher dazu kommen, irgendwie pauschal Änderungen vorzunehmen. Ich will nicht sagen, daß das folgende Beispiel richtig ist; es soll nur das Prinzip, wie wir uns diese pauschalen Änderungen vorstellen, kennzeichnen. Wir meinen, daß die vielen Nachteile, die gerade der kleine Unternehmer durch die Umsatzsteuer hat, dadurch ausgeglichen werden könnten, daß man beispielsweise den Umsatz bis 100 000 DM mit 3,5, darüber bis 1 Million DM mit 4 und darüber mit 4,5 °/o besteuert. Die Zahlen sind vielleicht nicht zutreffend; ich wollte nur an einem Beispiel das Prinzip aufzeigen.
    Im letzten Punkt fragen wir die Bundesregierung, ob sie bereit ist, eine Unterstützung für die Lehrlingsausbildung zu geben. Das Handwerk — um nur diesen Zweig herauszunehmen — bildet jeweils eine halbe Million Lehrlinge aus. Das ist eine schwere Belastung, die natürlich auch dem Handwerk zugute kommt, darüber hinaus aber auch anderen Wirtschaftszweigen. Eine besonders hohe Belastung trägt der Meister, der seinen Lehrling noch ins Haus nimmt, ihn beköstigt, ihm Wohnung und Unterkunft gewährt. Das wissen auch die anderen, daß das eine höhere Belastung ist, und also kommt sofort die Sozialversicherung und kommen die Finanzämter und veranschlagen ein höheres Einkommen. Das geht nun aber keinesfalls, daß derjenige Handwerksmeister, der es sich etwas mehr kosten läßt als die tariflichen Entgelte, auch noch steuerlich oder durch die Sozialversicherung besonders stark herangezogen wird.
    Daher meinen wir, es müßte ein Ausgleich gegeben werden. Wir halten den Ausgleich über die Steuern für richtiger als den über die Subventionen, weil man weiß, daß dort die doppelte Verwaltungsarbeit notwendig ist; es muß dann auch einer Verwaltung zugemutet werden, zu beurteilen, wer die Subventionen zu bekommen hat. Daher gehen wir den nach unserer Meinung einfacheren Weg und rechnen dem Meister den Lehrling, der bei ihm zu Hause wohnt, als Kind an.
    Ich darf noch einmal sagen, daß wir der Lehrlingsausbildung in den Handwerksbetrieben und gerade der Lehrlingsausbildung, wo der Lehrling im Hause des Handwerksmeisters wohnt, eine viel stärkere Unterstützung geben müssen. Denn die industrielle Lehrlingsausbildung ist nun einmal zu teuer, und sie ist — das glaube ich sagen zu können — nicht so gut. Die Industrie soll aber daran denken, daß von den 500 000 Lehrlingen, die jeweils im Handwerk ausgebildet werden, die Hälfte zur Industrie geht. Daher erscheint es auch gerechtfertigt, daß alle Volkskreise diese Ausbildung mit stützen helfen.
    Ich möchte zum Schluß wiederholen: wir wissen, daß eine rigorose Umarbeitung unseres Steuersystems zwar notwendig, aber nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen ist. Wir würden uns daher freuen, wenn uns der Herr Finanzminister oder der Herr Staatssekretär etwas über die voraussichtlichen Termine mitteilen könnte. Was aber schon jetzt zur Vereinfachung der Steuergesetzgebung getan werden kann, das sollte unverzüglich getan werden. Im Interesse des Fortbestandes des deutschen Mittelstandes ist Hilfe auf verschiedenen Gebieten erforderlich. Das dringendste Problem aber liegt auf dem Gebiet der Steuern, nicht einmal so sehr in der Höhe der Steuern, sondern in der Art der Durchführung, in der Handhabung der Steuergesetze. Ich meine, daß wir hier die Möglichkeit haben, rasch zu handeln.

    (Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort zur Beantwortung hat Herr Staatssekretär Hartmann.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Schäffer bedauert es ganz besonders, infolge der sich in diesen Tagen drängenden Verhandlungen über den Generalvertrag und die Annexverträge zu dieser Großen Anfrage nicht persönlich Stellung nehmen zu können. Sie wissen, wie sehr ihm gerade die Fragen des Mittelstands ans Herz gewachsen sind.

    (Zuruf von der KPD: So ein Stuß! — Abg. Dr. Greve: Da lacht selbst die CDU!)

    — Meine Damen und Herren, das werde ich Ihnen nicht zu widerlegen brauchen.

    (Lachen links.)

    Herrn Minister Schäffer sind die Fragen des Mittelstands ans Herz gewachsen; das ist noch niemals ernsthaft und mit tatsächlichen Argumenten bestritten worden.

    (Beifall bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der KPD: Ja, die Steuergroschen!)

    Ich komme zur Beantwortung von Punkt 1 der Großen Anfrage, Steuervereinfachung. Die Bundesregierung erstrebt schon seit längerer Zeit eine gründliche Vereinfachung des Steuerwesens, insbesondere auf dem Gebiet der Einkommensteuer. In wichtigen Punkten ist eine Vereinfachung schon durch das Einkommen- und Körperschaftsteuer-


    (Staatssekretär Hartmann)

    änderungsgesetz vom Juni 1951 herbeigeführt worden. Aber ich darf hier gleich auf einen Punkt hinweisen, der bei den Wünschen auf Vereinfachung sehr wohl im Auge behalten werden muß. In diesem Gesetz vom Juni 1951 sind bei Ermittlung des gewerblichen Gewinns die §§ 7 a, 7 e und 10 a in Fortfall gekommen. Ich bitte daraus zu entnehmen: wenn die Steuergesetze so kompliziert sind, wie sie leider geworden sind, dann ist das nicht im Interesse der Finanzverwaltung geschehen, sondern diese komplizierten Vorschriften — die zum Teil eingeschaltet worden sind, wie sich schon aus der Paragraphenbezeichnung mit den kleinen Buchstaben ergibt — sind gerade im Interesse der Wirtschaft erlassen worden. Sie sind zu einer Zeit geschaffen worden, als uns durch die Militärregierungen die notwendigen Tarifsenkungen nicht ermöglicht wurden, und sie sind neben der großen Tarifsenkung vom April 1950 bestehen geblieben auf Wunsch und im Interesse der Wirtschaft, nämlich zum Wiederaufbau und zum Ausbau der Betriebe.
    Der Wegfall der eben von mir genannten Paragraphen hat natürlich auch eine Einschränkung dieser wirtschaftlichen Erleichterungen zur Folge gehabt. Die Frage ist also etwas zweischneidig. Ist es wirklich richtig, immer nur im Interesse der Vereinfachung Erleichterungen in Wegfall kommen zu lassen? Ich will nicht bestreiten, daß es auch Vereinfachungen gibt, die nicht mit dem Wegfall von Erleichterungen verbunden sind; über diese Erleichterungen werden Sie und wir uns sehr leicht verständigen können. Ich möchte aber doch ein wenig davor warnen, den Ruf nach der Vereinfachung so stark in den Vordergrund zu stellen, wenn mit der Vereinfachung unmittelbar ein Wegfall von wirtschaftlich wichtigen, man kann in vielen Fällen vielleicht sogar sagen, von wirtschaftlich, für den Wiederaufbau und für den Ausbau notwendigen Erleichterungsvorschriften verbunden wäre. Das würde z. B. auch für gewisse Maßnahmen zur Förderung des Kapitalmarktes gelten, die bekanntlich zur Zeit erwogen werden und sich noch in einem Vorbereitungsstadium befinden. Wenn daher die Förderung und Belebung des Kapitalmarkts durch Gesetzgebung auf dem Gebiete des Steuerrechts notwendig wird, wenn steuerliche Vorschriften für dieses wirtschaftliche Problem erforderlich werden, dann wird das bestimmt keine Vereinfachung des Steuerrechts sein, sondern es werden neue und wahrscheinlich ziemlich komplizierte Vorschriften auf dem Gebiet des Steuerrechts nötig werden. Ich glaube aber, man wird das in Kauf nehmen müssen. wenn man im Interesse des Wohnungsbaues und im Interesse der Förderung und des Wiederaufbaus der Wirtschaft solche Maßnahmen auf dem Kapitalmarkt für notwendig hält. Ich wollte das doch nebenbei bemerken.
    Die Frage der Vereinfachung des Steuerwesens für den Steuerpflichtigen wie für die Verwaltung spielt auch bei den Vorbereitungsarbeiten für eine grundlegende Reform des Steuerrechts eine große Rolle, mit denen wir ja nun schon seit längerer Zeit befaßt sind. Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesfinanzministeriums wird voraussichtlich Ende April sein Gutachten zur Steuerreform fertigstellen. Der Herr Antragsteller hat eben erklärt, es sei erwünscht, daß auch Sachverständige aus den Kreisen des Mittelstandes daran mitarbeiteten. Dieser Wissenschaftliche Beirat ist, wie sein Name sagt, in erster Linie ein Beirat von Wissenschaft-
    lern. Aber es ist selbstverständlich, daß das Bundesfinanzministerium für seine Entwürfe nicht nui die Beratungen des Wissenschaftlichen Beirats zugrunde legen wird. Daneben werden Verhandlungen 'des Bundesfinanzministeriums mit den Finanzministern der Länder und den Vertretern der Wirtschaft, sowohl den Spitzenverbänden der Wirtschaft wie mit den Gewerkschaften, eingeleitet werden. Hierbei wird selbstverständlich auch der Mittelstand gebührend zu Worte kommen.
    Ich muß betonen: ob es möglich sein wird, eine grundlegende und das Steuersystem ändernde Reform schon in diesem Jahre, also mit Wirkung ab 1. Januar 1953, vorzunehmen, ist allerdings sehr zweifelhaft. Zunächst muß einmal das Lastenausgleichsgesetz verabschiedet und in Kraft gesetzt sein. Dann ist entweder das Gesetz nach Art. 107 des Grundgesetzes zu verabschieden, oder man hat sich darüber zu verständigen, daß der im Grundgesetz festgesetzte Termin vom 31. Dezember 1952 verlängert wird. Zunächst muß also Klarheit darüber bestehen, in welchem Sinne die Verteilung der Steuerquellen zwischen den Ländern und dem Bunde vor sich gehen wird. Die Verteilung der Steuerquellen setzt eine Verteilung der Aufgaben zwischen Ländern und Bund voraus. Erst wenn man sich über die Aufgabenverteilung klar ist, kann man sich über die Ausgabenverteilung und dann über die steuerlichen Einnahmen klar werden. Also auch über diese Aufgabenverteilung zwischen den Ländern und dem Bund muß Klarheit geschaffen werden, ehe man an eine Steuerreform herangeht, die, wie man im Jahre 1925 gesagt hat, wenigstens einen Anspruch auf relativen Ewigkeitswert erheben könnte.
    Zu einer Steuerreform gehört ferner auch ein gewisser Manövrierfonds. Man muß einige hundert Millionen D-Mark haben, die man riskieren kann. Denn bei einer umfangreichen neuen Steuergesetzgebung kann niemand sagen, ob sich nachher nicht ein Minus von einigen hundert Millionen D-Mark ergeben wird. Die Steuerreform hat ja nicht den Sinn, ein höheres Steueraufkommen zu schaffen, sondern man wird draußen wohl hoffen und mit dem Begriff der Steuerreform die Idee verbinden, daß steuerliche Erleichterungen, daß Herabsetzungen der Steuerlast möglich sein werden. Aber selbst wenn das nicht das unmittelbare Ziel ist, sondern man in erster Linie eine Vereinfachung und Klärung der Steuergesetze erreichen will, muß man einen gewissen Spielraum haben, innerhalb dessen man arbeiten kann; sonst sind die Risiken zu groß. Ich habe nicht den Eindruck. daß der Bundeshaushalt im Jahre 1952 den Spielraum für eine solche Reformgesetzgebung enthält.
    Das bedeutet nun nicht, daß nicht im Jahre 1952 schon eine Reihe von Maßnahmen in Angriff genommen werden sollten. Es liegt Ihnen ein Gesetzentwurf vor, nach dem für Kapitalansammlungsverträge die Weitergeltung auf 3 Jahre beabsichtigt ist. Außerdem arbeiten wir - ich habe das eben schon angedeutet — zur Zeit an einem Gesetzentwurf — und ich hoffe, daß er bald fertiggestellt werden kann —, der endlich die Grundlage für einen funktionierenden Kapitalmarkt schaffen soll. Allerdings werden wir dabei ohne gewisse neue Vorschriften auch auf dem Gebiete des Steuerrechts nicht auskommen können.
    Der Herr Antragsteller hat soeben eine Beschleunigung der Veranlagung gewünscht. Dabei komme ich auf einen weiteren wichtigen Punkt, der in der Öffentlichkeit manchmal übersehen wird.


    (Staatssekretär Hartmann)

    Wir haben nicht eine Steuerverwaltung, sondern wir haben zwölf Steuerverwaltungen.

    (Abg. Mellies: Leider!)

    Wir haben eine des Bundes, die aber nur die Zölle, die Verbrauchsteuern und dann von den übrigen Steuern die Umsatzsteuer und die Beförderungsteuer erfaßt, wobei die Beamten der Finanzämter, die die Umsatzsteuer und die Beförderungsteuer bearbeiten, keine Bundesbeamten sind. Alle übrigen Steuern werden durch die Länder verwaltet, also durch elf Verwaltungen der Finanzminister der Länder. Es ist also Sache dieser elf Länderverwaltungen, daß sie in genügendem Maße die Beamten zur Verfügung stellen, die notwendigen Stellenpläne schaffen und die Ausbildung der Beamten vornehmen, damit entsprechend den Wünschen des Antragstellers, für die wir durchaus Verständnis haben, der Abgabe der Erklärungen sobald wie möglich die Veranlagung und, wenn nötig, auch eine Prüfung folgen kann.
    Wenn vorhin etwas über Verwerfung der Buchführung und überhaupt über die Handhabung und Durchführung der Steuergesetze gesagt wurde, dann darf ich darauf hinweisen, daß die Durchführung der Einkommensteuer, der Vermögensteuer usw. allein Sache der Finanzminister der Länder 'ist und daß der Bundesfinanzminister in dieser Hinsicht keinerlei Anweisungs- oder Eingriffsrecht hat. Wir werden selbstverständlich auch diese Ihre Anregungen mit den Finanzministern der Länder in unseren laufenden Beratungen besprechen.
    Ich komme zu Punkt 2 der Großen Anfrage. Wir haben bereits im April 1950 bei der großen Tarifsenkung — die nach unserer Ansicht nur ein erster Schritt zu einer Gesundung der Steuertarife sein sollte, dem dann leider bisher weitere derartige Schritte nicht folgen konnten — gerade auch für die kleineren und mittleren Einkommen erhebliche Steuersenkungen erzielt. Wir sind darüber hinaus der Ansicht, daß es in vielen Fällen wohl zweckmäßig sein kann, durch eine Besteuerung nach Durchschnittssätzen eine zusätzliche Erleichterung in der praktischen Handhabung der Steuergesetze für Kleingewerbetreibende und Handwerker zu erreichen. Was die Buchführung betrifft, so ist es nicht nur vom Standpunkt der Steuerverwaltung erwünscht, daß auch kleinere Gewerbetreibende sich entschließen, ordnungsmäßig Buch zu führen; es ist auch für diese selbst im Grunde richtiger, durch ihre Buchführung eine Übersicht über ihren Betrieb und ihren Betriebserfolg zu haben. Sie sind dann auch gegenüber ihren Konkurrenten, die eine ordnungsmäßige Buchführung und damit einen guten Überblick über den Betrieb haben, in einer leichteren Lage und lassen sich nicht so leicht von vorübergehenden höheren Einnahmen täuschen, denen in Wirklichkeit vielleicht ein Substanzverlust gegenübersteht. Wir glauben also, daß es gerade das eigene Interesse dieser Wirtschaftskreise sein sollte, sich nicht so stark gegen eine Buchführung zu wenden; wir sind aber bereit, die Frage der Besteuerung nach Durchschnittssätzen zu prüfen und darüber zu verhandeln.
    Dann ist die Frage der sogenannten Haushaltsbesteuerung, also der Zusammenveranlagung von Ehemann und Ehefrau angeschnitten worden. Es liegt hier ein Beschluß des Vermittlungsausschusses vom 20. Juni 1951 vor. Wir bereiten gesetzliche Vorschriften dazu vor und werden sie in Kürze dem Bundestag vorlegen. Eng im Zusammenhang damit steht der Vorschlag, die mitarbeitende Ehefrau allgemein durch einen besonderen Freibetrag zu begünstigen. Wir glauben jedoch, daß diese Frage erst im Zusammenhang mit der großen Steuerreform behandelt werden kann.
    Dann ist die Frage aufgeworfen worden, ob eine völlige Änderung des Umsatzsteuersystems am Platze ist. Zu der großen Frage eines Systemwechsels bei der Umsatzsteuer möchte ich in dem vorliegenden Zusammenhange nicht sprechen, weil der Mittelstand dadurch kaum berührt werden würde. Ich habe aber auch Bedenken, ob man nicht durch einen gestaffelten Steuersatz in die Umsatzsteuer, die schon lange nicht mehr die einfache Steuer von früher ist, eine noch größere Komplikation hineinbringen würde.
    Ein Vorwurf, der bei dem geltenden Umsatzsteuersatz von 4 % immer wieder gemacht wird, ist der, daß Unternehmen, die mehrere Betriebsstufen vertikal miteinander vereinigen, günstiger als die einstufigen Unternehmen gestellt sind, die in großer Zahl dem gewerblichen Mittelstand angehören. Um diesen Wettbewerbsvorsprung gegenüber den einstufigen Unternehmen auszugleichen, hat die Bundesregierung auf Grund einer Initiative aus dem Finanz- und Steuerausschuß des Hohen Hauses und nach dessen Anhörung in den Durchführungsbestimmungen vom 29. Juni 1951 eine sogenannte Zusatzsteuer für diejenigen Unternehmer eingeführt, die die Erzeugungsstufe und die Einzelhandelsstufe in ihren Unternehmen vereinigen. Die Handwerker sollten dieser Zusatzsteuer nicht unterworfen werden. Es waren daher von ihr Unternehmer befreit, die nicht mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigen oder keinen höheren Gesamtumsatz als 240 000 DM gehabt haben. Es ist zuzugeben, daß die Durchführungsverordnung eine Reihe von Unebenheiten enthält, die bei ihrer Einführung nicht beabsichtigt waren und die sich gerade in den Kreisen des Mittelstandes in dieser nicht beabsichtigten Weise ausgewirkt haben. Das Bundesfinanzministerium hat daher der Bundesregierung den Entwurf einer dritten Verordnung zur Änderung der Umsatzsteuerdurchführungsbestimmungen vorgelegt, der Vereinfachungen der Zusatzsteuer und weitere Befreiungen zugunsten der mittelständischen Unternehmer enthält. Die Zusatzsteuer soll nicht mehr angewendet werden bei Unternehmen, die nicht mehr als 20 Arbeitnehmer — statt bisher 10 — beschäftigen oder deren Gesamtumsatz 360 000 DM — statt bisher 240 000 DM — im Jahr nicht überschritten hat. Weiter wird eine Bearbeitung oder Verarbeitung von Gegenständen nicht mehr als Herstellung angesehen, wenn die Kosten dieser Be- oder Verarbeitung — ohne Berücksichtigung der anteiligen Gemeinkosten — nicht mehr als 15 Vo des Verkaufspreises betragen. Das wird zur Folge haben, daß das Handwerk von der Zusatzsteuer so gut wie gar nicht mehr betroffen werden wird, und auch im Einzelhandel werden die dort üblichen Be- und Verarbeitungen befreit sein. Entsprechend der damaligen Zusage der Bundesregierung wird der Verordnungsentwurf noch in dieser Woche im Finanzausschuß des Bundestags zur Erörterung stehen. Wir hoffen, daß nach dieser Beschränkung des Anwendungsgebiets auf die wesentlichen Fälle der fabrikatorischen Verbindung von Herstellung und Einzelhandel die Bundesregierung diese Verordnung zum Schutze der einstufigen mittelständischen Unternehmen zwecks Beseitigung der von mir erwähnten, seinerzeit nicht beabsichtigten Nebenwirkungen in Kraft setzen kann, und zwar mit


    (Staatssekretär Hartmann)

    Wirkung ab 1. Juli 1951. Wir erwägen auch noch andere Vereinfachungsmaßnahmen zugunsten der mittelständischen Unternehmen, insbesondere für Arbeitsgemeinschaften des Handwerks.
    Nun zu Punkt 3 der Drucksache Nr. 3130. Finanzielle Vergünstigungen für 'die Lehrlingsausbildung bestehen bereits. Im Rechnungsjahr 1951 sind zur Schaffung von zusätzlichen Lehr- und Ausbildungsplätzen und für Berglehrlingsheime 20 Millionen DM zur Verfügung gestellt worden. Wir hoffen, daß uns die Haushaltslage erlauben wird, auch im Rechnungsjahr 1952 wieder denselben Betrag von 20 Millionen DM zur Verfügung zu stellen. Das Hohe Haus hat am 23. Januar 1952 mit Drucksache Nr. 2977 die Bundesregierung ersucht, zur Beschaffung von Lehrstellen für Jugendliche — und auch für einige andere Zwecke — zeitlich begrenzte finanzielle Vergünstigungen steuerlicher Art einzuführen. Ich nehme an, daß Punkt 3 der Großen Anfrage dasselbe betrifft, wohl etwas allgemeiner, nämlich nicht nur zusätzliche Stellen, sondern ganz allgemein die Förderung von Lehrstellen. Die Bundesregierung konnte zu dem Beschluß des Hohen Hauses von Ende Januar noch nicht Stellung nehmen und kann auch in diesem Augenblick zu dem genannten Punkt der Anfrage noch nicht endgültig Stellung nehmen. Ich darf wohl unterstellen, daß die Herren Antragsteller damit einverstanden sind, daß das Gesamtproblem dem zuständigen Ausschuß überwiesen wird. Dort wird sich ja stärker, als es hier in der Plenardebatte der Fall sein kann, für Sie und für die Bundesregierung die Möglichkeit ergeben, zu den vielfach angeschnittenen Einzelfragen Stellung zu nehmen. Sie dürfen unseres guten Willens zu einer positiven Mitarbeit gewiß sein.

    (Beifall in der Mitte.)