Rede von
Dr.
Hermann
Schäfer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Nach den letzten Ausführungen des Herrn Abgeordneten Mellies glaube ich auch, daß wir so verfahren könnten, daß wir zunächst einmal die Anfragen an die Regierung beantworten lassen. Dann wäre es vielleicht möglich, daß eine interfraktionelle Vereinbarung über die Aufteilung der Tagesordnung getroffen wird, nämlich darüber, ob von dem Vorschlag des Ältestenrats wirklich abgewichen werden soll, sämtliche Anträge zunächst einmal mit einer Redezeit von ungefähr 15 Minuten begründen zu lassen und dann eine Gesamtaussprache von 360 Minuten über alle Anträge stattfinden zu lassen, die doch in irgendeinem inneren Zusammenhang miteinander stehen.
Ich will also unter diesen Umständen jetzt die Abstimmung über den Geschäftsordnungsantrag zurückstellen und rufe zunächst den Punkt 2 der Tagesordnung auf:
Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der CDU/CSU betreffend Steuergesetzgebung .
Zur Begründung der Anfrage hat das Wort Herr Abgeordneter Schmücker.
Schmücker , Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit der heutigen Tagesordnung liegt dem Deutschen Bundestag ein umfangreiches Nahprogramm für den Mittelstand vor. Noch nicht alle Probleme sind in diesen Anträgen angesprochen, aber doch die wesentlichsten. Wir sind froh, daß der Deutsche Bundestag sich endlich einmal einen ganzen Tag Zeit nimmt, die großen Sorgen dieses Volksteils, des deutschen Mittelstandes, zu besprechen. Nach all den voraufgegangenen Diskussionen sind wir sicher, daß das Ergebnis dieser Aussprache ein echter Wille zur Förderung des gewerblichen Mittelstandes sein wird.
Mit der gesamten Wirtschaft ging 1945 auch der deutsche Mittelstand in seine schlimmste Katastrophe. Ihn trafen die Verluste an Fachleuten, an Betrieben, an Gerät genau so hart wie die anderen Wirtschaftszweige. Trotzdem war es nicht möglich, diese mittleren Betriebe in die ersten Wiederaufbaumaßnahmen hineinzunehmen. Den Notstandsbezirken mit ihrer Massenarbeitslosigkeit und den Grundstoffindustrien mußte — das bestreitet niemand — der Vorrang gegeben werden. Es ist auch unbestritten, daß mit dieser unvermeidbaren Rangierung die Konsumenten erst in die Lage versetzt worden sind, zum Handwerker und zum Kaufmann zu gehen, daß also damit eine indirekte Hilfe gekommen ist. Der kleinere und mittlere Gewerbebetrieb konnte auch erst wieder anlaufen, als die Materiallieferanten sich ihm offerierend zur Verfügung stellten. Das ist alles richtig und wird bedacht. Aber leider ist es auch richtig, daß dem Mittelstand bisher nur sehr schwache Möglichkeiten gewährt worden sind, den allgemeinen wirtschaftlichen Aufstieg in der Bundesrepublik betrieblich zu nutzen. Die Großindustrie hatte einen ungeheuren Investitionsbedarf. Parlament und Regierung haben sich bemüht, diesen Bedarf auf volkswirtschaftlich möglichst sinnvolle Weise zu decken. Die Arbeitnehmerschaft erreichte, wenn man die Jahreszahl bedenkt, einen guten Lohnindex und erhielt vom Gesetzgeber eine weitreichende, notwendige soziale Betreuung. Aber unterhalb der wirtschaftlichen Förderung und oberhalb der sozialen Betreuung blieb der gewerbliche Mittelstand fast unversorgt.
Wir meinen nun, daß es hohe Zeit wird, eine zielbewußte Förderung der mittelständischen Existenzen aufzunehmen. Da genügt es nun nicht, daß man sich mit allgemeinen Erklärungen zum Mittelstand bekennt. Man muß seine Meinung und seine Haltung an konkreten Tatsachen beweisen. Es genügt nicht einmal, daß man sich für den großen Befähigungsnachweis einsetzt. Man muß zwar alles tun, um ihn durchzusetzen. Es ist ja noch ein Antrag auf die Tagesordnung gesetzt worden, der sich gerade für den großen Befähigungsnachweis, der für das Handwerk das wichtigste Problem ist, einsetzt.
Tausende von mittelständischen Existenzen sind in Gefahr, weil sie ihren Startnachteil, den sie gegenüber den größeren Unternehmern nun einmal haben, durch noch so fleißige Mehrarbeit nicht wettmachen können. So haben wir im mittelständischen Einzel- und Großhandel eine große Anzahl von Betrieben, die noch nicht in der Lage waren, einen echten Lagerbestand ansammeln zu können. Was da ist, wird mit viel zu teuren Bankkrediten gehandelt. Handwerker, die nicht die Vorteile einer kompletten Buchführung haben ausnutzen können, sind zu Ersatzbeschaffungen nennenswerter Art kaum in der Lage gewesen. Es herrscht im gewerblichen Mittelstand eine echte Not, eine Not, die ihre Ursache zwar in der Katastrophe von 1945 hat, die wir aber überwinden müssen, genau so wie wir. sie zu überwinden uns auf anderen Gebieten bemühen.
Wir müssen den Mittelstand erhalten, weil er staatspolitisch und volkswirtschaftlich von hoher Bedeutung ist. Zum Mittelstand zählen wir die Menschen, die, unabhängig auf einer eigenen Grundlage stehend, eigenverantwortlich wirtschaften, um den Lebensunterhalt ihrer Familie zu sichern. Und das ist der große Unterschied zu jenen anderen Wirtschaftszweigen, in denen man für den Betrieb arbeitet. Hier arbeitet man aber unmittelbar für die Familie, und der Betrieb steht unter den Bedürfnissen der Familie oder ist doch für diese da. Durch das Zusammenwirken der Familienkräfte und der noch familiär zusammenlebenden Gesellen und Gehilfen ergeben sich gerade im Mittelstand soziale Verhältnisse gesunder und — ich möchte sagen — beispielhafter Art. Das Generationsdenken ist weithin wachgeblieben, und man darf sagen, daß gerade im Mittelstand weder für einen reaktionären Trott noch für einen revolutionären Wirbel Raum ist. Man lebt aus der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft. Man ist in allem noch ganz und echt Familie. Man steht verbindend zwischen den Schichten und wechselt mit seinen Angehörigen mal dort, mal da hinüber. Und es ist oft genug gesagt worden: Gäbe es keinen Mittelstand mehr in unserem Vaterlande, dann würde sich eine tiefe Kluft auftun zwischen den Schichten, die heute dank der Existenz des Mittelstandes noch eine Gemeinschaft sind. Und nicht nur das! Gibt es keinen Mittelstand mehr, dann ist der Weg zum Aufstieg, der heute jedem Fleißigen und Tüchtigen offensteht, abgeschnitten. Es ist ja leider schon so, daß das Wagnis der Existenzgründung, das Wagnis eines eigenen Unternehmens heute kaum noch belohnt wird. Wenn trotzdem immer aufs neue Angestellte, Handwerker, Kaufleute usw. eigene Betriebe gründen, dann tun sie es trotz erheblicher wirtschaftlicher Nachteile, weil sie unabhängig sein wollen. Wir brauchen den Mittelstand, weil wir eine Aufstiegsmöglichkeit für jeden Menschen brauchen, und wir
brauchen den Mittelstand — das möchte ich einmal in aller Klarheit, .aber auch in aller Ruhe zum Ausdruck bringen —, damit der Mensch frei bleibt.
Notzeiten bedingen starke Konzentrationen in der Hand des Staates. Nicht der einzelne baut Häuser; das tut der Staat. Nicht der einzelne kultiviert das Odland; der Staat macht es. Aber für wen macht er es? Doch nicht für sich — er sollte es wenigstens nicht tun —; doch für den einzelnen, für den Menschen. Aber in den Notzeiten klammern sich die Menschen nur zu gern an die Illusion eines rettenden Zentralismus. Das ist im Staatsorganisatorischen so, das ist bei den Finanzen so, und das ist auch in der Wirtschaft so. Die öffentliche Hand - ich nehme dieses Wort, um auch die Länder und die Kommunen miteinzubeziehen — ist der größte Auftraggeber geworden. Ihr Anteil reicht an den der Summe aller übrigen Partner heran. Einige wenige Büros oder nachgeschaltete Zweckverbände oder meistens gemeinnützig getaufte Genossenschaften verfügen über mehrstellige Millionenbeträge. Sie verhandeln natürlich nur — entsprechend den großen Zahlen — mit großen Firmen. Sich mit Handwerkern oder mittleren Gewerbetreibenden herumzuschlagen, wäre ja viel zu mühevoll, unzweckmäßig, zu teuer und wie die vielen Begründungen alle heißen. Der private Auftraggeber ist aber für den Mittelstand ausgefallen, weil er sein Geld, das er sonst anlegen würde, als Steuer abführen muß. Und so haben wir den grotesken Zustand, daß wir bei den gewaltigen Bauleistungen im Bundesgebiet, in der Provinz, zum mindesten in den abgelegenen Gebieten der Provinz, ein Bauhandwerk vorfinden, das die schlechtesten Zeiten durchmacht.
Wenn also schon der Staat — und das möchten sich freundlicherweise auch einmal die Herren Ländervertreter anhören, die sich — in der vorigen Woche war es wohl — so wenig freundschaftlich gegenüber unserem Wunsche auf eine ministerielle Vertretung gezeigt haben, — wenn also der Staat schon das Geld sammeln muß, um es zweckmäßiger, um es zentraler im Zuge des Wiederaufbaues anzulegen, dann möchte er sich gefälligst auch um die andere Aufgabe kümmern, nämlich um die der individuellen Auftragsvergabe. Zum mindesten sollte er sie unterstützen. Der Staat muß jedem sein Recht geben, und es ist eine alte Sache, daß auf die Dauer kein Stand zu Lasten eines anderen Vorteile nehmen kann, auch nicht über den Umweg des Staates.
Was wir mit unseren Anträgen und Anfragen wollen, sind keine Bevorzugungen und Vorteile für den gewerblichen Mittelstand, sondern es ist eine Gleichstellung mit der übrigen Wirtschaft. Und dabei meinen wir freilich, daß das deutsche Handwerk in seiner Gesamtheit genau so wichtig, genau so wertvoll und genau so tüchtig ist wie beispielsweise die 'deutsche Stahlindustrie. Wir sind der Meinung, daß die deutschen Kaufleute und Gewerbetreibenden der kleinen und der mittleren Industrie der Volkswirtschaft genau so viel geben wie jene anderen Gruppen, die allzu oft mit großen und blendenden Zahlen operieren. Hier ist keiner mehr als der andere, und wir als Parlament haben die Pflicht, jedem das gleiche Recht zu geben. Und das heißt in der Wirtschaft: gleiche Start- und Wettbewerbsbedingungen, gleichen Anteil an den Staatsaufgaben und gleichen Anteil an den Lasten. Das und nicht mehr ist die Forderung des Mittelstandes.
Meine Damen und Herren, darf ich damit zur ersten Großen Anfrage kommen, einer Anfrage über die Steuergesetzgebung. Unseren Steuerurwald kennen Sie. Daß von heute auf morgen keine Änderungen größerer, grundsätzlicher Art möglich sind, begreift jeder Einsichtige. Aber wissen möchte der Bürger endlich einmal, wann er in die Lage kommen wird, seine Steuersachen selbst zu bearbeiten. Die Komplikationen sind durch die vielen Sonderbestimmungen entstanden. Der Bundestag hat auch seine Erfahrungen mit diesen Dingen gemacht, und es darf ruhig einmal auch in diesem Hause betont werden: Wären nicht so viele Außenseiter da, die die Vergünstigungsbestimmungen rücksichtslos mißbrauchen, würden die Paragraphen langlebiger und die Verordnungen schlichter sein. Wir müssen zu einer Änderung des Steuersystems kommen.
Eine Buchführung hat für den Betrieb nur den Zweck, ihn übersichtlich zu halten. Heute aber wird für die Steuer Buch geführt, und dabei kommen der Betrieb und häufig auch die Steuern zu kurz. Zum mindesten wird viel Zeit volkswirtschaftlich und betriebswirtschaftlich unsinnig vertan. Wenn der Staat die Stunden bezahlen müßte, die er dem kleinen Unternehmer an Steuerarbeit für diesen Staat zumutet, dann, glaube ich, würden die Finanzminister und auch wir etwas vorsichtiger sein.
Aber damit nicht genug, meine Damen und Herren. Es scheint sich seit einiger Zeit so eine Art Sprachregelung durchzusetzen, daß alle Lohn- und Gehaltsempfänger ehrliche Steuerzahler seien und alle oder die meisten anderen eben keine ehrlichen Steuerzahler. Gegen diese moderne Rede scheinen mir einige klare Worte notwendig zu sein.
Meine Damen und Herren, haben Sie schon einmal über den Unterschied zwischen einem Festbesoldeten und einem unternehmerisch nicht im großen, sondern im kleinen tätigen Menschen nachgedacht? Wenn beide ein Einkommen von 400 Mark haben, dann hat es der eine leidlich sicher, der Handwerker oder Einzelhändler dagegen braucht noch keinen roten Pfennig in der Tasche zu haben. Der Angestellte hat das Geld in bar, der Unternehmer hat es zum Teil versteckt in Waren, die im Preise stiegen, oder in Außenständen, über deren Bewertung nachher noch zu sprechen sein wird, und kann an dieses Einkommen gar nicht heran; er hat keine Pauschvergünstigungen usw. usw. Meine Damen und Herren, nicht ich habe diese beiden Gruppen in einen Wettbewerb gestellt; das hat diese Sprachregelung getan, der wir auf allen oder zumindest auf vielen Finanzämtern begegnen, und ich meine, man sollte einmal dagegen protestieren, daß der Respekt vor der unternehmerischen Initiative des kleinen Mannes dort nicht gewahrt wird.
Es wird immer wieder gesagt, der Einkommensbezieher habe gewisse Möglichkeiten. Nun, diese Möglichkeiten haben die Mehrzahl unserer kleinen Handwerksmeister und unsere Einzelhändler eben nicht. Sie zahlen — das ist nicht nur meine Überzeugung, sondern das ist das Ergebnis einer Feststellung, die jeder prüfen kann — mehr Steuern, als sie zahlen müßten, wenn sie sich den Luxus einer großbetrieblichen Buchführung leisten könnten.
Damit kommen wir zur ersten Frage. Zu ihr ist nicht viel zu sagen, denn das ganze Volk redet darüber und wartet darauf, daß diese Steuerreform, diese Vereinfachung kommt. Ihre Notwendigkeit ist unbestritten. Darf ich nur eine Anregung geben:
Es ist ein wissenschaftlicher Beirat gebildet worden. Sollte es nicht möglich sein, in diesen wissenschaftlichen Beirat auch Leute hineinzunehmen, die sich in den Sorgen gerade der kleineren Betriebe auskennen?
Auch zur Steuervereinfachung einige Anregungen und einige Beispiele: Die Steuererklärung liegt Jahre vor dem Steuerbescheid. In der Zwischenzeit kann sich Gott weiß was ereignet haben. Gerade in den kleinen Betrieben wird — ich sagte es ja schon — für die Familie gearbeitet. Das Geld wandert nicht in den Betrieb hinein und kann, wenn die Zeit abgelaufen ist, nicht mehr gefaßt werden. Es ist daher unsere Meinung, daß man die Frist zwischen Steuererklärung und Bescheid verkürzen sollte. Man sollte hier einen Verwaltungsakt vornehmen. Dann müßten natürlich Betriebsprüfer eingeschaltet werden, die, wenn sie mit den Leuten 'in bürgerlichem Ton verkehren, auch nur Segen bringen könnten. Diese Auffassung wird nicht von den Wirtschaftskreisen geteilt, die eine nicht bezahlte Steuer gern als sozusagen zinsloses Darlehen zurückbehalten möchten. Aber beim Handwerk trifft das nicht zu. Wenn ein Handwerker nach zwei Jahren 200 Mark Steuern nachbezahlen muß, ist er sehr, sehr schwer getroffen. Wir müssen versuchen, diese Dinge zu ändern.
Ein weiteres. Wir haben sogenannte Mindestbuchführungen. Sie sind ausgearbeitet worden zwischen den Finanzsachverständigen und den Vertretungen ,der mittleren Industrie, des Handwerks usw. Diese Mindestbuchführungen werden zwar zunächst anerkannt, aber dann kommen soundso viele Verordnungen hinterher, und am Ende wird die Buchführung verworfen, so daß der Handwerker, der kleine Kaufmann, nicht mehr weiß, was los ist. Was wir wünschen, ist, daß der kleine Unternehmer eine Sicherheit bekommt. Wenn wir also schon eine Mindestbuchführung anerkennen — und meistens sagt sie genau so viel aus wie eine umfangreichere Buchführung —, müssen wir sie auch bis zur letzten Konsequenz anerkennen.
Zu unserer Bitte, in die Einkommensteuer Vergünstigungen einzubauen, die einen pauschalen Ausgleich bieten für die vielen Vergünstigungen, die den Betrieben mit kompletter Buchführung gewährt werden, möchte ich zusätzlich noch den Wunsch vortragen, daß man einen Freibetrag für die mitarbeitende Ehefrau einführt. Sie wissen, daß die unselbständig arbeitende Ehefrau getrennt veranlagt werden kann. Eine ähnliche Regelung müßten wir für die mitarbeitende Ehefrau schaffen. Ich bin allerdings der Meinung, daß wir die Veranlagung nicht trennen sollten, sondern hier eine Erhöhung des Freibetrages einführen müßten. Dem wird entgegengehalten, daß bei einer solchen Erhöhung des Freibetrages oder bei Einführung derartiger Bestimmungen jeder kommen und sagen würde: meine Frau arbeitet mit, hilft mit, also kann ich diese Vergünstigung beanspruchen! Ja, meine Damen und Herren, es ist eben so, daß im Handwerk und im kleineren Gewerbe die Frau mitarbeiten muß, sonst können diese Leute gar nicht existieren. Bei den vielen anderen Nachteilen, die sie in Kauf nehmen müssen, können sie nur durch Mehrarbeit mit der Konkurrenz Schritt halten.
Ebenso wird es notwendig sein, eine Berechnung der Scheingewinne einzuführen. Darüber braucht nicht viel gesagt zu werden, weil schon sehr viel darüber geschrieben worden ist. Aber ich möchte
I darauf hinweisen, daß es unmöglich ist, die Praxis
fortzusetzen, Außenstände als Gewinne zu buchen. Mir sind mehrere Fälle bekanntgeworden, in denen die Finanzämter bei dem Vergleich der Bilanzen auf Grund einer besonderen Durchführungsverordnung die Außenstände als Gewinne versteuert wissen wollen. Meine Damen und Herren, bei der Währungsreform haben alle mit Null angefangen. Wenn dann ein Außenstand von, sagen wir einmal, 10 oder 15 % eintritt, so ist das schon eine Belastung für den Betrieb. Daß nun aber der Staat kommt und diese Außenstände, die vom Unternehmer noch kreditiert werden müssen, als Gewinne besteuern will, scheint mir nicht gerechtfertigt zu sein.
Über die Gewerbesteuer soll nicht gesprochen werden, trotzdem bleibt ihre Berechtigung zweifelhaft.
Zur Umsatzsteuer möchten wir das wiederholen, was wir schon gesagt haben, als wir hier über die Warenhaussteuer diskutierten: Eine Abwälzbarkeit der Umsatzsteuer, wie sie immer als prinzipielle Eigenschaft dieser Steuer angenommen wird, gibt es für die kleingewerblichen Betriebe nicht. Hier muß der Unternehmer praktisch die Steuer selbst tragen. Hinzu kommt noch, daß die Ware gerade für ihn erheblich stärker besteuert wird als für alle anderen Unternehmen, die sich Konzentrationen, eine Verkürzung des Warenweges leisten können. Man hat den Ausweg der Phasensteuer zu beschreiten versucht und wollte ihn dann auch im Handwerk ausprobieren. Auf jeden Fall dürfen wir sagen, daß diese Phasensteuer kaum geklappt haben dürfte.
So oft und intensiv wir dieses Problem auch hin und her diskutieren, wir stellen fest, daß es eine absolut gerechte Regelung bei der Umsatzsteuer einfach nicht gibt. Das liegt vielleicht schon an der Art der Steuer selbst. Wir müssen daher dazu kommen, irgendwie pauschal Änderungen vorzunehmen. Ich will nicht sagen, daß das folgende Beispiel richtig ist; es soll nur das Prinzip, wie wir uns diese pauschalen Änderungen vorstellen, kennzeichnen. Wir meinen, daß die vielen Nachteile, die gerade der kleine Unternehmer durch die Umsatzsteuer hat, dadurch ausgeglichen werden könnten, daß man beispielsweise den Umsatz bis 100 000 DM mit 3,5, darüber bis 1 Million DM mit 4 und darüber mit 4,5 °/o besteuert. Die Zahlen sind vielleicht nicht zutreffend; ich wollte nur an einem Beispiel das Prinzip aufzeigen.
Im letzten Punkt fragen wir die Bundesregierung, ob sie bereit ist, eine Unterstützung für die Lehrlingsausbildung zu geben. Das Handwerk — um nur diesen Zweig herauszunehmen — bildet jeweils eine halbe Million Lehrlinge aus. Das ist eine schwere Belastung, die natürlich auch dem Handwerk zugute kommt, darüber hinaus aber auch anderen Wirtschaftszweigen. Eine besonders hohe Belastung trägt der Meister, der seinen Lehrling noch ins Haus nimmt, ihn beköstigt, ihm Wohnung und Unterkunft gewährt. Das wissen auch die anderen, daß das eine höhere Belastung ist, und also kommt sofort die Sozialversicherung und kommen die Finanzämter und veranschlagen ein höheres Einkommen. Das geht nun aber keinesfalls, daß derjenige Handwerksmeister, der es sich etwas mehr kosten läßt als die tariflichen Entgelte, auch noch steuerlich oder durch die Sozialversicherung besonders stark herangezogen wird.
Daher meinen wir, es müßte ein Ausgleich gegeben werden. Wir halten den Ausgleich über die Steuern für richtiger als den über die Subventionen, weil man weiß, daß dort die doppelte Verwaltungsarbeit notwendig ist; es muß dann auch einer Verwaltung zugemutet werden, zu beurteilen, wer die Subventionen zu bekommen hat. Daher gehen wir den nach unserer Meinung einfacheren Weg und rechnen dem Meister den Lehrling, der bei ihm zu Hause wohnt, als Kind an.
Ich darf noch einmal sagen, daß wir der Lehrlingsausbildung in den Handwerksbetrieben und gerade der Lehrlingsausbildung, wo der Lehrling im Hause des Handwerksmeisters wohnt, eine viel stärkere Unterstützung geben müssen. Denn die industrielle Lehrlingsausbildung ist nun einmal zu teuer, und sie ist — das glaube ich sagen zu können — nicht so gut. Die Industrie soll aber daran denken, daß von den 500 000 Lehrlingen, die jeweils im Handwerk ausgebildet werden, die Hälfte zur Industrie geht. Daher erscheint es auch gerechtfertigt, daß alle Volkskreise diese Ausbildung mit stützen helfen.
Ich möchte zum Schluß wiederholen: wir wissen, daß eine rigorose Umarbeitung unseres Steuersystems zwar notwendig, aber nicht von heute auf morgen zu bewerkstelligen ist. Wir würden uns daher freuen, wenn uns der Herr Finanzminister oder der Herr Staatssekretär etwas über die voraussichtlichen Termine mitteilen könnte. Was aber schon jetzt zur Vereinfachung der Steuergesetzgebung getan werden kann, das sollte unverzüglich getan werden. Im Interesse des Fortbestandes des deutschen Mittelstandes ist Hilfe auf verschiedenen Gebieten erforderlich. Das dringendste Problem aber liegt auf dem Gebiet der Steuern, nicht einmal so sehr in der Höhe der Steuern, sondern in der Art der Durchführung, in der Handhabung der Steuergesetze. Ich meine, daß wir hier die Möglichkeit haben, rasch zu handeln.