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ID0119702200

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    Vokabeln: 4
    1. Herr: 1
    2. Abgeordneter: 1
    3. Brandt,: 1
    4. bitte!: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 197. Sitzung. Bonn, Freitag, den 29. Februar 1952 8465 197. Sitzung Bonn, Freitag, den 29. Februar 1952. Geschäftliche Mitteilungen 8466A, 8467A, 8470A, 8474C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Uneheliche Kinder der Besatzungsangehörigen (Nrn. 3110, 2191 der Drucksachen) 8466 A Beratung abgesetzt 8466B, 8470D Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der DP betr. Deichverlagerung an der Elbe am „Bösen Ort" (Nrn. 3112, 2731 der Drucksachen) . . . 8466B Blachstein (SPD), Berichterstatter . 8466B Beschlußfassung 8466D Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zur Belastung eines Teiles der Liegenschaft der durch Entmilitarisierungsmaßnahmen zerstörten ehemaligen Tropedoversuchsanstalt Nord in Eckernförde mit einem Erbbaurecht zugunsten der Jagd-und Sportwaffenfabrik J. P. Sauer & Sohn A.-G. in Eckernförde und über den Antrag des Bundesministers der Finanzen auf Zustimmung des Bundestages zur Bestellung eines Erbbaurechts an einem reichseigenen Grundstück in Mariensiel bei Wilhelmshaven (Nrn. 3113, 2330, 2944 der Drucksachen) 8466C Steinhörster (SPD), Berichterstatter 8466D Beschlußfassung 8466D Beratung des Mündlichen Berichts des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der DP betr. Weiterbau der Oker-Talsperre (Nrn. 3114, 2716 der Drucksachen) 8467A Mellies (SPD), Berichterstatter . . 8467A Troppenz (SPD) 8467C Frau Dr. Brökelschen (CDU) . . . 8468B Beschlußfassung 8468C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Fisch gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 23. Januar 1952 (Nr. 3122 der Drucksachen) 8468D Ewers (DP), Berichterstatter . . . 8468D Beschlußfassung 8469B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Dr. Dorls gemäß Schreiben des Rechtsanwalts Staubitzer, München, vom 23. Januar 1952 (Nr. 3123 der Drucksachen) 8469B Striebeck (SPD), Berichterstatter . 8469B Beschlußfassung 8470A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Goetzendorff gemäß Schreiben des Rechtsanwalts Dr. Langnickel, Deggendorf, vom 25. Januar 1952 (Nr. 3121 der Drucksachen) 8468C, 8470A Karpf (CSU), Berichterstatter . . . . 8470B Beschlußfassung 8470B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten (7. Ausschuß) über den Antrag der Fraktion der DP betr. Ungehinderter Verkehr mit den politischen Gefangenen der Besatzungsmächte (Nrn. 3111, 2563 der Drucksachen) 8470C Höfler (CDU), Berichterstatter . . 8470C Beschlußfassung 8470D Beratung des Antrags der Abg. Schmücker u. Gen. betr. Schutz des Briefgeheimnisses (Nr. 3088 der Drucksachen) 8470D Schmücker (CDU), Antragsteller . 8470D Brandt (SPD) 8471D Ausschußüberweisung 8472B Beratung des Antrags der FU betr. Maßnahmen zur Stützung der Beherbergungs-, Gaststätten- und Kurbetriebe (Nr. 3104 der Drucksachen) 8472B Dr. Etzel (Bamberg) (FU), Antragsteller 8472C Müller (Hessen) (SPD) 8473A Ausschußüberweisung 8474A Tatsächliche Erklärung außerhalb der Tagesordnung betr. Aufführung des VeitHarlan-Films „Immensee" in Bonn: Dr. Schmid (Tübingen) (SPD) . . . 8474A Nächste Sitzung 8474C Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Kurt Schmücker


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Drucksache Nr. 3088 wünscht eine Erweiterung des § 299 StGB. und seine Anpassung an die modernen Verhältnisse. Der § 299 StGB. heißt jetzt:
    Wer einen verschlossenen Brief oder eine andere verschlossene Urkunde, die nicht zu seiner Kenntnisnahme bestimmt ist, vorsätzlich und unbefugterweise eröffnet, wird mit Geldstrafe


    (Schmücker)

    oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft.
    Das bedeutet, daß nur das unbefugte und vorsätzliche Eröffnen von Briefen strafbar ist. Jedes versehentliche Öffnen unterliegt, auch wenn der Brief danach unbefugt in Händen gehalten wird, nicht der Strafe. Unsere Meinung ist aber, daß es bei der Wahrung des Briefgeheimnisses nicht so sehr auf die Eröffnung, sondern mehr auf die Benutzung eines Briefes ankommt. Wir sprechen daher in unserem Antrag von der Anpassung an die modernen Verhältnisse. Damit meinen wir, daß heutzutage vornehmlich die Menschen, die in besonderen Funktionen stehen, kaum ohne ein Büro auskommen. Das heißt, daß sie die bei ihnen ankommende Post überhaupt nicht selber öffnen. Wenn aber alle Briefe beim Sekretariat einlaufen, wird, auch wenn alle Wahrscheinlichkeit dafür spricht, der Tatbestand des § 299 nie oder höchst selten erfüllt werden. Denn nur — das möchte ich noch einmal wiederholen — das uribefugte Eröffnen ist strafbar. Es ist möglich, daß man bei Schaffung dieses Gesetzes nur denjenigen hat treffen wollen, der sozusagen nach einer Art Feldzugsplan auf die Eröffnung eines Briefes ausgegangen ist. Aber dann ist nach unserer Meinung die Erweiterung des gegenwärtigen Paragraphen noch dringender erforderlich.
    Vielen von uns ist es schon passiert, daß wir einen für uns bestimmten Brief, bevor wir ihn selbst in der Hand hatten, in Zeitschriften, in Flugblättern oder an Litfaßsäulen haben lesen können. Wenn man sich dann an den Herausgeber dieses Druckerzeugnisses gewandt hat, hat man höhnische Antworten erhalten. Wenn man zum Gericht gegangen ist, mußte man dort erfahren, ) daß man seine Erwartungen in bezug auf den Schutz des Briefgeheimnisses doch wesentlich überspannt hat.
    Die Antragsteller meinen nun nicht, daß man diejenigen schützen sollte, die leichtfertig Briefe verlieren oder Matrizen oder Pauspapiere usw. verstreuen. Aber es muß doch möglichst, und zwar durch Strafandrohung, sichergestellt werden, daß fehlgelaufene und auch versehentlich geöffnete Briefe an den Empfänger oder an den Absender zurückgegeben werden. Das gilt im einfachen Leben als eine Selbstverständlichkeit; man sollte es auch in dem Gesetz zu einer Selbstverständlichkeit machen. Das ist leider nicht der Fall.
    Ich darf an ein Vorkommnis erinnern, das schon einige Zeit zurückliegt. Es ist in keiner Weise mehr sensationell; denn es hat einen ergiebigen Stoff für Zeitschriften, Flugblätter usw. usw. dargeboten. Ein Eisenbahner schrieb mir einen Brief. Er gebrauchte darin einige Formulierungen, die nicht zu billigen sind, die aber, da ich der Empfänger war, nur meiner Kritik und nicht der Kritik irgendeines anderen unterworfen sind. Dieser Brief ging versehentlich nicht an den Abgeordneten Kurt Schmücker, sondern an den Abgeordneten Dr. Kurt Schumacher. Das war ein Postirrtum, der nicht weiter verwunderlich ist. Die Sekretärin des Kollegen Dr. Schumacher öffnete arglos und ihrer normalen Betätigung den Brief und gab ihn dann, sicher auch ebenso arglos, ihrem Chef weiter mit der Bemerkung, daß es sich um eine Bahnsache handle. Was inzwischen geschehen ist, kann ich naturgemäß nicht untersuchen. Jedenfalls steht auf dem Brief ein Weiterleitungsvermerk mit Männerhandschrift: „Genosse Jahn"! Über diesen Kollegen Jahn gelangte der Brief an die Gewerkschaft der
    Eisenbahner Deutschlands, deren zweiter Vorsitzender, Herr Hatje, sich berufen fühlte, den Brief, von dem er wissen mußte, daß er ihn nichts anging, dem Absender zu beantworten. Ungefähr zur gleichen Zeit wurde jener Brief im Prozeß Kahl — jener unrühmlichen Affäre um einen reichlich rasch hochgeschossenen Mann — verlesen. Er erschien dann — mit willkürlichen Auslassungen und Zusätzen — in einer Zeitschrift; nennen wir sie ruhig, im „Spiegel". Durch diese Zeitschrift erfahre ich erst von der Existenz dieses Briefes.

    (Lachen in der Mitte und rechts. — Abg. Albers: Hört! Hört! — Weitere Zurufe.)

    Ich möchte gleich sagen, daß ich nicht jedem der an diesem außerplanmäßigen Verteilerschlüssel beteiligten Damen und Herren

    (Heiterkeit in der Mitte und rechts)

    einen Vorwurf machen will. Aber derjenige, der als erster den Irrtum der Post bemerkt hat, hat nach meiner Meinung die verdammte Pflicht und Schuldigkeit gehabt, den Brief zurückzugeben.

    (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und rechts.)

    Keinesfalls durfte er den Brief gebrauchen. (Beifall in der Mitte und rechts.)

    Das Gesetz jedoch ist anderer Ansicht; und das Gericht hat denen recht gegeben, die den Irrlauf dieses Briefes als eine Chance angesehen haben, eine meiner Meinung nach unfruchtbare Diskussion mit neuem Stoff zu füllen. Niemand hatte vorsätzlich und unbefugt einen Brief eröffnet, und niemand war gesetzlich schuldig geworden.

    (Hört! Hört! rechts.)

    Ich könnte Ihnen weitere Beispiele berichten; denn Fälle dieser Art passieren wenn nicht täglich, so doch mindestens wöchentlich Dieses eine Beispiel mag genügen. Es zeigt Ihnen, daß der § 299 unter den modernen Verhältnissen unzureichend ist. Es kommt doch darauf an — um es noch einmal zu wiederholen —, daß die unbefugte Benutzung und Verbreitung eines Briefes durch Dritte — unter gewissen Bedingungen zumindest — unter Strafe gestellt wird, nicht das unbefugte und vorsätzliche Eröffnen eines Briefes. Auch die Bestimmungen, die einen literarisch oder sonst wertvollen Brief schützen, reichen nicht aus. Im Gegenteil, die dabei üblichen Formulierungen mit diesen Begriffen klingen wie ein Hohn für denjenigen, der für seinen Briefwechsel, gleich welcher Art, den Schutz des Geheimnisses verlangt.
    Der Schutz des Briefgeheimnisses ist darüber hinaus in Art. 10 unseres Grundgesetzes ungeteilt eigens noch einmal festgelegt. Die Antragsteller sind daher der Meinung, daß es doppelt dringend erforderlich ist, den Schutz des Briefgeheimnisses für alle Gebiete des Lebens in möglichst günstiger Form zu realisieren. Die augenblickliche gesetzliche Regelung reicht keinesfalls aus.
    Wir schlagen dem Hohen Hause vor, den Antrag Drucksache Nr. 3088 dem Rechtsausschuß zu überweisen, der vielleicht eine noch präzisere Formulierung wählen kann, als sie hier gefunden worden ist.

    (Beifall in der Mitte und rechts.)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Abgeordneter Brandt, bitte!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Willy Brandt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion respektiert das Anliegen der Antragsteller und ist


    (Brandt)

    damit einverstanden, daß diese Angelegenheit im Ausschuß behandelt wird. Wir möchten aber gelegentlich der Behandlung dieses Antrags die Aufmerksamkeit des Hohen Hauses und der Bundesregierung auf Vorgänge lenken, die uns aus Göttingen bekanntgeworden sind und für die es möglicherweise an anderen Orten der Bundesrepublik Parallelen gibt.
    Der Sachverhalt, der mir selber vor wenigen Wochen in Göttingen von den Betroffenen dargestellt wurde, ist folgender. Eine Reihe von Bürgern der eben erwähnten Stadt, darunter namhafte Universitätslehrer, werden regelmäßig zur Kriminalpolizei bestellt und werden in Zusammenhang mit Briefsendungen, die sie aus der sowjetischen Besatzungszone erhalten, von der Polizei befragt. Diese Maßnahmen scheinen auf Veranlassung der britischen Behörden zu erfolgen, und es soll regelmäßig vorkommen, daß so Vorgeladene gebeten werden, eine Vollmacht zu unterschreiben, durch die die Polizei ermächtigt wird, Postsendungen — in diesem Fall aus der Sowjetzone — gleich einzubehalten, wobei schleierhaft ist, wie die Polizei, ohne das Briefgeheimnis zu verletzen, feststellen will, welche Briefe von wem kommen, und wie sie äußerlich zwischen Propagandasendungen und anderen Briefsendungen unterscheiden will, die der Betreffende erhält. Uns ist über einen der betroffenen Professoren in Göttingen bekanntgeworden, daß ihn, nachdem er sich geweigert hat, der Polizei eine solche Vollmacht zu geben, vierzehntäglich weiterhin solche Vorladungen zur Polizei erreichen.
    Die sozialdemokratische Fraktion hält es gewiß für erforderlich, daß die Propaganda aus der sowjetischen Zone genau beobachtet und — wo irgend möglich — eingedämmt wird. Aber sie ist nicht bereit, dieses politischen Zieles wegen das Briefgeheimnis preiszugeben; sie ist vor allem nicht bereit, willkürlichen Maßnahmen zuzustimmen, wenn sie vielleicht auch in relativ milder Form angewandt werden. Die Antragsteller möchten die Wahrung des Briefgeheimnisses, wie es im Antrag heißt, „den modernen Verhältnissen anpassen". Was ich Ihnen eben in diesem Fall aus Göttingen berichtet habe, scheint uns dieser Zielsetzung nicht zu entsprechen. Wir werden im Ausschuß auf diese Dinge zurückkommen, wollten aber heute schon vor diesem Hohen Hause klargelegt haben, daß wir keine politische Zensur und keine willkürlichen Vorladungen der Polizei im Zusammenhang mit Briefsendungen akzeptieren können.

    (Beifall bei der SPD.)