Rede von
Otto
Striebeck
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Rechtsanwalt Karl Staubitzer aus München hat mit Schreiben vom 23. Januar, das über den Präsidenten dieses Hauses dem Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität zugegangen ist, einen Antrag auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Fritz Dorls gestellt. Der Rechtsanwalt Staubitzer handelt im Auftrag des ehemaligen Chefredakteurs der „Münchner Illustrierten" Hans Habe, der jetzt Chefredakteur des in München erscheinenden „Echo der Woche" ist und der sich von Dr. Dorls auf das gröblichste beleidigt fühlt.
Dem Antrag auf Aufhebung der Immunität liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die „Münchner Illustrierte" brachte am 20. Oktober des vergangenen Jahres einen Bildbericht unter dem Titel: „Ich entlarve Remer", der sich mit der Sozialistischen Reichspartei und in diesem Zusammenhang auch mit dem Abgeordneten Dr. Dorls befaßte. Besonderes Aufsehen erregte die veröffentlichte eidesstattliche Erklärung des ehemaligen ersten Vorsitzenden der SRP von Berlin, Eberhard Stern, die dieser vor einem Münchner Notar niedergelegt hat und in welcher gesagt wird, daß die SRP Verhandlungen mit den Kommunisten der Ostzone, also der SED, geführt hat und daß die SRP von den Kommunisten auch Gelder für ihren politischen Kampf bekommen hat. Des weiteren gibt die „Münchner Illustrierte" die Behauptung des ehemaligen SRP-Vorsitzenden von Berlin wieder, daß es sich bei der Sozialistischen Reichspartei — also der Partei des Abgeordneten Dr. Dorls — um eine echte Fortsetzung der NSDAP handle.
Über Dr. Doris selbst wird gesagt, daß er seit 1929 Mitglied der Hitler-Partei gewesen ist. Er soll weiter nach den Angaben von Stern im Jahre 1943 von einem Kriegsgericht wegen Wehrkraftzersetzung verurteilt worden sein.
Bei der Süddeutschen Verlags-G.m.b.H., die die „Münchner Illustrierte" herausgibt, ging nach Veröffentlichung des Bildberichts telegraphisch das Verlangen auf Abdruck einer Gegendarstellung ein. Im Auftrag des Parteirats der SRP wurde gesagt, daß Dr. Doris wegen Wehrkraftzersetzung weder angeklagt noch verurteilt worden sei. Alle übrigen in dem Artikel wiedergegebenen Behauptungen seien — so sagte man — nach Inhalt und Darstellung unwahr. Zum Schluß wurde betont, daß von der SRP umgehend eine Klärung auf dem Rechtswege veranlaßt worden sei. Unterschrieben ist dieses Telegramm nicht, wie man hätte erwarten können, von Dr. Dorls, sondern von Dr. Franz Richter, den wir ja — ich glaube, das darf man sagen — Gott sei Dank in der vergangenen Woche für immer losgeworden sind.
Der Süddeutsche Verlag hat dann der SRP mitgeteilt, daß er selbstverständlich jederzeit eine Gegendarstellung zu dem von ihm gebrachten Artikel veröffentlichen werde, sofern diese Gegendarstellung den rechtlichen Bestimmungen des Pressegesetzes entspreche. Das sei bei dem eingegangenen Telegramm nicht der Fall. Der Verlag hat dann um eine dem Pressegesetz entsprechende Berichtigung ersucht und gebeten, diese von dem Herrn — und von d e m Herrn — unterschreiben zu lassen, der der Meinung sei, eine solche Gegendarstellung fordern zu können. An Stelle einer Antwort ging dann beim Verlag ein von Dr. Dorls unterzeichnetes Schreiben ein, das die hier zur Debatte stehende Beleidigung enthält, und zwar heißt es an der betreffenden Stelle:
Wir haben jetzt keinen Grund mehr, den Meinungen vieler Zuschriften zu widersprechen, die auf Grund Ihres verleumderischen Artikels in Nr. 42 uns zugesandt wurden und in denen einhellig der Meinung Ausdruck verliehen wurde, daß der Chefredakteur der „Münchner Illustrierten" Hans Habe einer der typischen Vertreter sei des Gossendrecks, den die Nachkriegsjahre aus dem Ausland an den deutschen Strand gespült haben.
Meine Damen und Herren, es muß zugegeben werden, daß Dr. Dorls sich große Mühe gegeben hat, eine Umschreibung zu finden, die die beleidigenden Worte als Meinung Dritter wiedergeben soll, und zwar wohl in der kindlichen Auffassung, daß er sich selbst damit der Verantwortung entzogen habe. Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat sich demgegenüber auf den Standpunkt gestellt, daß Dr. Doris selbst trotz der Umschreibung als der Beleidigende anzusehen ist. Der Ausschuß ist ferner der Ansicht, daß es sich
um eine schwere vorsätzliche Beleidigung handelt, die nicht in den Rahmen der politischen Beleidigungen eingereiht werden kann, die einem Politiker im Eifer des Gefechts bei Wahlkämpfen oder sonstigen Auseinandersetzungen entschlüpfen und die dann nach den im Ausschuß festgelegten Grundsätzen nicht zur Aufhebung der Immunität führen. Der Ausschuß ist der Meinung, daß Dr. Dorls die Möglichkeit hatte, eine dem Pressegesetz entsprechende Berichtigung einzuschicken, wie es die „Münchner Illustrierte" ja auch vorgeschlagen hatte. Das hat er damals nicht getan, dafür aber den Brief geschrieben, dessen Inhalt nach Meinung des Ausschusses eine schwere Beleidigung des Chefredakteurs Hans Habe bedeutet.
Der Ausschuß kam deshalb zu dem einstimmigen Beschluß, dem Hohen Hause die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Dorls vorzuschlagen, und ich bitte die Damen und Herren, im Sinne des Ausschusses beschließen zu wollen.