Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Unsere Fraktion bittet, den § 1 des vorliegenden Gesetzes etwas weiter zu fassen, so daß auch noch die vor dem 1. Januar 1952 begründeten Geldschulden einer Stundungsmöglichkeit unterliegen. Die Überschrift sagt schon: es handelt sich um eine Vertragshilfe. Es soll also in erster Linie der Richter sich bemühen, ein Einverständnis unter den Beteiligten herbeizuführen. Die Erwägung, daß es sich da um den Eingriff in Verträge handelt, steht natürlich bei jeder Vertragshilfe letzten Endes als gewisse Drohung im Hintergrund. Aber in erster Linie soll das Gesetz doch dazu führen, die Beteiligten zueinander zu bringen.
Wenn die Banken einen ablehnenden Standpunkt hierzu eingenommen haben, so verwundert uns das an sich nicht, aber es überzeugt auch nicht. Sie haben unheilvollerweise vor 1931 auch einen solchen Standpunkt eingenommen, sich aber 1931/32 in der Bankenkrise selber schleunigst auf die Notwendigkeit berufen.
Die Notwendigkeit, die Vertragshilfemöglichkeit auf die nach der Währungsreform begründeten Geldschulden auszudehnen, sie dann aber lediglich auf eine Stundung zu beschränken, also keine Herabsetzung vorzunehmen, ergibt sich daraus, daß wir jetzt nicht in einer normalen Zeit leben. Wir haben nicht mehr die Verhältnisse, wie wir sie früher hatten; und zwar hängt das mit der Wirtschaftspolitik zusammen, die die Regierung betreibt. Unter den früheren Verhältnissen konnte man normalerweise mit einer 70prozentigen Beleihbarkeit der Grundstücke rechnen. Infolge der Preisschwankungen, besonders anläßlich der Koreakrise, hat sich sehr häufig folgendes ergeben. Für einen Bau — ob industrielle oder Wohnbauten, spielt dabei keine Rolle — hatte jemand Geld bereitgestellt. Er hatte vorgesorgt, so gut man es für nötig halten konnte. Er begann den Bau. Hinterher stellte sich die Verteuerung heraus. Ich bin Anwalt und habe oft in meiner Praxis erlebt: es waren trotz erheblicher Werte keine 5000 DM aufzutreiben. Die Spitzen, die sich bei Anschaffungen ergaben, waren größer als die vorgesehenen Mittel. Man saß fest.
Wenn Sie einem solchen Schuldner, der ohne sein Verschulden infolge der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung illiquid geworden ist und trotz erheblicher Werte nicht zu Kapital kommen kann, die Möglichkeit abschnitten, die richterliche Vertragshilfe in Anspruch zu nehmen, wäre das nicht bloß ein wirtschaftliches Unrecht, sondern auch unvorteilhaft und nicht klug. Das System, in dem unsere Wirtschaft jetzt arbeitet, ein kapitalistisches System ohne jegliches Leihkapital, macht es notwendig, daß der Schuldner über solche Zahlungsstockungen mit Hilfe eines Eingriffs, wie ihn unser Vorschlag vorsieht, also auf dem Wege der Vertragshilfe, hinweggebracht werden kann. Wenn man nun sagt: dafür gibt es schließlich noch entweder den Konkurs oder das Vergleichsverfahren, so liegt darin gerade das Unheilvolle, anläßlich einer Zahlungsstockung den Schuldner dahin bringen zu müssen. Ein Vergleichsverfahren ist absolut nicht nötig, weil Werte da sind, und ein Konkursverfahren ist erst recht nicht notwendig. Es dreht sich nur um einen gewissen Zeitgewinn, der zur Regelung der Verpflichtungen erforderlich ist. Meist handelt es sich dabei um keine große Zahl von Gläubigern, die genötigt sind, Stundung zu erlangen, sehr häufig nicht um Kaufleute, so daß die dabei zu befragende Industrie- und Handelskammer an den Leuten überhaupt kein Interesse hat.
Diese Gründe lassen es als notwendig erscheinen, die Frist, die in § 1 bisher auf den 21. Juni 1948 festgesetzt ist, zu verlängern und den Zeitpunkt der Entstehung der Forderung bis zum 1. Januar 1952 auszudehnen. Auch für diese Zwischenzeit muß noch eine Stundungsmöglichkeit gegeben werden. Falls man dem Antrag nicht stattgibt, werden wir auch weiterhin erleben, was die Praxis bisher schon oft ergeben hat: es tritt nämlich damit das groteske, jedenfalls oft krampfhafte Bestreben auf, den Entstehungsgrund für die Schulden, um die es sich handelt, auf einen früheren Zeitpunkt zurückzuverlegen. Mit allen möglichen Begründungen wird man ankommen, um darzulegen, daß die Schuld doch noch vor dem Stichtag entstanden sei. Auch daraus ergibt sich immer wieder, daß ein berechtigter Grund vorliegt, nicht gerade mit dem Stichtag der Währungsreform Schluß zu machen. Aus diesen Gründen bitten wir Sie, unserem Änderungsantrag stattzugeben.