Rede von
Louise
Schroeder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Meine Fraktion hat es außerordentlich bedauert, daß die Regierungskoalition, wie der Herr Berichterstatter eben ausgeführt hat, geglaubt hat, im Ausschuß unseren Antrag ablehnen zu müssen. Es ist richtig, daß dabei als Begründung auf den bereits in Vorbereitung befindlichen Gesetzentwurf der Regierung verwiesen wurde. Diesen Gesetzentwurf haben wir bis heute nicht erhalten. Aber was wir durch die Presse von dem Gesetzentwurf erfahren haben, kann uns in keiner Weise beruhigen und ebensowenig eine Begründung für die Ablehnung unseres Antrags darstellen.
Wenn wir Ihnen nunmehr auf Umdruck Nr. 461 einen Änderungsantrag eingereicht haben, der anders lautet als unser ursprünglicher Antrag, so möchte ich, um Mißverständnisse auszuschließen, betonen: Wir halten an unserem grundsätzlichen Gedanken fest, daß eine Sicherung aller Arbeiter und Angestellten für den Fall des Alters und der Invalidität ohne Rücksicht auf ihr Einkommen notwendig ist. Bei der ersten Beratung unseres Antrags habe ich auseinandergesetzt, wie notwendig es gerade in der heutigen Zeit ist, alle Angestellten zu schützen, weil von einem Einkommen, das zeitweilig die Versicherungspflichtgrenze überschreitet, nach langer Arbeitslosigkeit oder einem Kriegsschicksal nichts für die Altersversorgung zurückgelegt werden kann. Ich will darauf heute nicht zurückkommen.
Da wir aber keine Hoffnung haben, unseren damaligen Antrag durchsetzen zu können, haben wir es für notwendig gehalten, auch mit Rücksicht auf die Notizen, die über den Regierungsentwurf in die Presse lanciert worden sind, einen Antrag einzubringen, der wenigstens die Versicherungspflichtgrenze insoweit ändert, als es den heutigen veränderten Gehalts- und Preisverhältnissen entspricht. Dadurch, sage ich noch einmal, rücken wir in keiner Weise von unserem Grundsatz ab. Sie sehen auf Umdruck Nr. 461, daß wir eine Versicherungspflichtgrenze von 12 000 DM an Stelle der gegenwärtigen von 7200 DM vorschlagen. Ich darf Ihnen dazu folgende Begründung geben: Die gegenwärtige Grenze für Angestellte in der Angestelltenversicherung ist im Jahre 1933 festgesetzt worden. Wenn wir den Preisindex zugrunde legen, der im Jahre 1918 mit 100 berechnet wurde, so hatten wir im Jahre 1933 einen Lebensmittelpreisindex von 120. Dieser Lebensmittelpreisindex ist bis zum Jahre 1951 auf 206, also um 40 %, gestiegen. Trotzdem haben wir auch heute noch die Versicherungspflichtgrenze von 7200 DM. Unser Antrag beabsichtigt nunmehr eine Erhöhung um die gleichen 40 %, um die der Lebensmittelindex gestiegen ist, nämlich von 7200 auf 12 000 DM.
Meine verehrten Herren und Damen! Wir haben den Regierungsentwurf noch nicht und wissen auch nicht, wann wir ihn erhalten. Ich erinnere nur daran, daß wir seit Monaten auf den Regierungsentwurf warten, der auf dem hier gefaßten Beschluß beruht, die Versicherungspflichtgrenze für die Krankenversicherung auf 500 DM monatlich zu erhöhen. Der Regierungsentwurf sieht, wie wir der Presse entnommen haben, für die Angestelltenversicherung eine Erhöhung auf 8400 DM vor. Wir haben schon einmal eine Versicherungspflichtgrenze von 8400 RM gehabt. Das war im Jahre 1928. Damals stand der Lebensmittelindex auf 120, heute steht er, wie ich schon ausführte, auf 206. Es ist also ganz unmöglich, sich mit der Erhöhung auf einen Betrag abzufinden, der 1928 maßgebend war. Ich möchte deshalb alle Fraktionen dieses Hauses dringend bitten, sich noch einmal die Frage zu überlegen, ob es ihnen nicht möglich ist, auf Grund unseres Antrags wenigstens auf 12 000 DM zu gehen.
In der Öffentlichkeit ist gesagt worden, dadurch müßte eine Steigerung der Beiträge und infolgedessen eine Verteuerung der Produktion erfolgen. Schon in der vorigen Beratung habe ich gesagt, daß die Beiträge wie bisher auf Grund eines Gehalts von 600 DM monatlich und entsprechend auch die Rente berechnet werden 'sollen. Um aber die Sache völlig zu klären, haben wir unserem Antrag einen § 2 angefügt, der ausdrücklich sagt, daß die Vorschriften über die bisherige Beitragshöchstgrenze unberührt bleiben. Es kann sich also niemand zu einer Ablehnung deshalb veranlaßt sehen, weil er etwa eine Verteuerung der Produktion oder eine Erhöhung der Kosten des Arbeitgebers befürchtet.
Wenn Sie unserem Antrag nicht folgen, ist eine andere Befürchtung gegeben: der Angestellte, der die Pflichtgrenze von 7200 DM vielleicht um 50 DM. um 100 DM monatlich oder um ein paar hundert DM jährlich überschreitet, wird, um sich für den Fall des Alters und der Invalidität zu sichern —, was angesichts der Verhältnisse, in denen wir leben, heute eigentlich jeder Mensch tun muß —, die Beiträge allein bezahlen müssen und auf diese Weise unter Umständen ein Nettogehalt haben, das niedriger als vor der Gehaltserhöhung ist.
Ich bitte Sie deshalb, dem Antrage, den wir Ihnen heute vorlegen und in dem wir Ihnen eine Konzession gemacht haben, indem wir nicht eine unbegrenzte Versicherung, sondern eine Versicherung auf Grund einer Pflichtgrenze vorsehen, Ihre Zustimmung zu geben.