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ID0119603900

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    Deutscher Bundestag — 196. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 28. Februar 1952 8421 1%. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 28. Februar 1952. Nachruf auf den verstorbenen Abg. Schröter (Kiel) 8422D Geschäftliche Mitteilungen . . . . 8423A, 8436D Kleine Anfrage Nr. 192 der Fraktion der SPD betr. Verstöße gegen das Erste Überleitungsgesetz (Nrn. 3155, 2305 der Drucksachen) 8423B Kleine Anfrage Nr. 241 der Fraktion der SPD betr. Einflußnahme des Bundesjustizministeriums auf rechtswissenschaftliche Veröffentlichungen (Nrn. 3082, 3154 der Drucksachen) 8423B Vorlage des Wirtschaftsplans der Deutschen Bundesbahn (Finanz- und Wirtschaftsgemeinschaft der Hauptverwaltung in Offenbach und der Generaldirektion der Südwestdeutschen Eisenbahnen in Speyer) nebst Stellenplänen für das Geschäftsjahr 1951 8423C Bericht des Sprechers der Deutschen Vertreter in der Beratenden Versammlung des Europarates, Abg. Dr. Pünder, über den zweiten Teil der Dritten Ordentlichen Sitzungsperiode der Beratenden Versammlung vom 26. November bis 11. Dezember 1951 (Nr. 3150 der Drucksachen) . 8423C Vorlage der Verordnung zur Ergänzung der Verordnung NEM II/51 über Verwendungsbeschränkungen von Kupfer und Kupferlegierungen (VO NEM I/52) . . 8423C Änderung der Tagesordnung 8423D Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Fall Kemritz (Nr. 2531 der Drucksachen) 8423D Dr. Greve (SPD), Anfragender 8423D, 8431D Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 8425C Dr. Friedensburg (CDU) . . 8426B, 8433A Renner (KPD) 8429D Ewers (DP) 8430D Dr. Schneider (FDP) 8431B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuß) über den Entwurf eines Gesetzes über die Errichtung einer Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (Nrn. 3144, 2875, 2949, 3107 der Drucksachen) 8433C Arndgen (CDU), Berichterstatter . 8433D Beschlußfassung 8434D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Steuerberechtigung und die Zerlegung der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer (Zerlegungsgesetz) (Nr. 2644 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 3091 der Drucksachen) 8434D Dr. Gülich (SPD), Berichterstatter . 8435A Abstimmungen 8436C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über den Niederlassungsbereich von Kreditinstituten (Nr. 2908 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (12. Ausschuß) (Nr. 3109 der Drucksachen; Antrag Umdruck Nr. 463) 8436D Neuburger (CDU): als Berichterstatter 8436D als Abgeordneter 8440C Dr. Bleiß (SPD) 8438C, 8441A Dr. Preusker (FDP) 8439C Abstimmungen 8438C, 8441A, C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über weitere steuerliche Maßnahmen bei festverzinslichen Wertpapieren (Nr. 3143 der Drucksachen) 8423D, 8441C Ausschußüberweisung 8441C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung des Art. 108 Abs. 2 des Grundgesetzes (Nr. 3101 der Drucksachen) 8441D Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen 8441D Ausschußüberweisung 8442A Erste Beratung ides von der Fraktion der FU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 17. Januar 1952 (BGBl. S. 33) (Nr. 3105 der Drucksachen) 8442A Ausschußüberweisung 8442A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung der Vorschriften über die Aufhebung des Mieterschutzes bei Geschäftsräumen und gewerblich genutzten unbebauten Grundstücken (Nr. 3126 der Drucksachen) 8442A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 8442B Jacobi (SPD) 8444C Huth (CDU) 8448A Ewers (DP) 8449B Wirths (FDP) 8450A Ausschußüberweisung . . . . . . . 8450D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über idas Blutspendewesen (Blutspendegesetz) (Nr. 3102 der Drucksachen) . . 8450D Ausschußüberweisung 8451A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Sorge für die Kriegsgräber (Kriegsgräbergesetz) (Nr. 2667 der Drucksachen); Mündlicher Bericht ides Ausschusses für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen (26. Ausschuß) (Nr. 3118 der Drucksachen) . . . 8451A Massoth (CDU), Berichterstatter . 8451A Abstimmungen 8452C Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Versicherungspflicht in der Angestelltenversicherung (Nr. 2901 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Sozialpolitik (21. Ausschuß) (Nr. 3116 der Drucksachen; Umdruck Nr. 461) 8452C Schüttler (CDU), Berichterstatter . 8452D Frau Schroeder (Berlin) (SPD) . . 8453A Arndgen (CDU) 8453D Frau Kalinke (DP) 8454A Abstimmungen 8454B Zweite Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Versicherungspflicht in der Knappschaftsversicherung (Nr. 2902 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses. für Sozialpolitik (21. Ausschuß) (Nr. 3117 der Drucksachen; Umdruck Nr. 462) 8454B Dr. Atzenroth (FDP), Berichterstatter 8454C Dannebom (SPD) 8454D, 8456A Arndgen (CDU) 8455D Abstimmungen 8456B Zweite und dritte Beratung der Entwürfe eines Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und eines Wirtschaftsstrafgesetzes (Nrn. 2100, zu 2100 der Drucksachen); Erster Mündlicher Bericht ides Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 3148 der Drucksachen) 8456C Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter . 8456C Beschlußfassung 8458D Erste, zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung und Verlängerung des Wirtschaftsstrafgesetzes (Nr. 3149 der der Drucksachen; Umdruck Nr. 459) . . . 8459A Dr. Arndt (SPD) 8459B Abstimmungen 8459A, D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die richterliche Vertragshilfe (Vertragshilfegesetz) (Nr. 2192 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht (23. Ausschuß) (Nr. 3015 der Drucksachen; Umdrucke Nrn. 437, 458) . 8460A Dr. Weber (Koblenz) (CDU), Berichterstatter 8460A Dr. Reismann (FU) 8463A Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 8463D Dr. Greve (SPD) 8463D Abstimmungen 8464B Zur Geschäftsordnung, — Vertagungsantrag: Bausch (CDU) 8464D Nächste Sitzung 8464D Die Sitzung wird um 13 Uhr 32 Minuten durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von Dr. Thomas Dehler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben die Frage der Mieten für Geschäftsräume schon vor vierzehn Tagen aus Anlaß der Interpellation der sozialdemokratischen Fraktion erörtert. Ich darf die Zielsetzung der Bundesregierung kurz darlegen.
    Die Bundesregierung hat sich bereits in ihrer Regierungserklärung vom 20. September 1949 zu einer Lockerung der zwangswirtschaftlichen Maßnahmen auf dem Gebiet des Wohnungswesens bekannt. Sie hat sich dann auf Grund von Beschlüssen dieses Hauses Anfang November vorigen Jahres dazu entschlossen, die Preisbindungen und den Mieterschutz für Miet- und Pachtverhältnisse über Geschätfsräume aufzuheben. Sie ist dabei besonders von dem Antrag der Koalitionsparteien vom 5. Juli vorigen Jahres betreffend die Notlage des Althausbesitzes Drucksache Nr. 2418 ausgegangen, in dem auf die immer drückender werdende Notlage des Althausbesitzes und die Bevorzugung eines Teiles der Mieterschaft gegenüber dem andern hingewiesen wurde. Es wurde gefordert, Abhilfe zu schaffen, insbesondere unverzüglich eine Regelung zu treffen, die die unterschiedliche -Behandlung der Mieten und der Mieter gewerblicher Räume im Althausbesitz und den nach
    dem 31. März 1924 errichteten Gebäuden beseitigt.
    Es ist wohl nicht zu bestreiten, daß die auf Stopppreisen beruhenden Geschäftsraummieten in keiner Weise mehr den heutigen allgemeinen Wirtschaftsverhältnissen entsprechen; es ist zwischen den Mieten und den Lasten und Reparaturkosten des Althausbesitzes, dann aber auch zwischen den Mieten und den in den Mieträumen erzielten Umsätzen und Geschäftsgewinnen ein starkes Mißverhältnis entstanden. Das ist so auffallend geworden, daß der bisherige Rechtszustand nicht länger aufrechterhalten werden konnte. Deshalb soll durch die Erhöhung der Altbaumieten für Geschäftsräume der Notlage des Althausbesitzes entgegengewirkt werden. Dabei kann gegen eine Erhöhung der Altbaumieten meines Erachtens nicht eingewandt werden, daß der Althausbesitz im Gegensatz zu vielen anderen Vermögenswerten die Kriegs- und Nachkriegsereignisse überdauert habe und daß ihm deswegen niedrige Mieten zugemutet werden können; denn die Tatsache der Erhaltung des Vermögenswertes wird im Lastenausgleich berücksichtigt und kann nicht dem zufälligen einzelnen Mieter zugute kommen.
    Es ist mit Recht, auch verschiedentlich hier im Hause, auf das Mißverhältnis hingewiesen worden, das zwischen den Mietern von Geschäftsräumen des Althausbesitzes und den Mietern von neugeschaffenen Geschäftsräumen besteht. Der Althausmieter hatte eine — sich im Wettbewerb nicht auswirkende — Bevorzugung, eine ganz andere Ausgangsstellung in der Konkurrenz. Es wurde auf die merkwürdige Tatsache hingewiesen, daß die bevorzugten Geschäftsmieten der Althausmieter in keiner Weise in den Preisen dieser Geschäfte ihren Niederschlag fanden. Der Verbraucher, auf den wir am Ende unsere Wirtschaftspolitik abstellen, hat also keinen Vorteil davon, daß ein Teil der Geschäftsmieten über Gebühr niedrig ist.
    Alle diese Gründe haben die Regierung dazu bestimmt, eine Lockerung der zwangswirtschaftlichen Maßnahmen auf dem Gebiet der Geschäftsraummieten herbeizuführen.
    An sich war es nicht organisch, daß Geschäftsräume dem Mieterschutz unterlagen. Das war zwar bei der Einführung des Mieterschutzes im Jahre 1923 zunächst geschehen, aber das eigentliche Schutzobjekt des Mieterschutzes waren zweifellos nur die Wohnungen und die Wohnräume. Deswegen ist man schon im Jahre 1926 dazu übergegangen, den Mieterschutz für Geschäftsräume durch Landesverordnungen aufzuheben. Reichsrechtlich hat man im Jahre 1931 ganz allgemein den Mieterschutz für Geschäftsräume beseitigt. Man ist dann erst, als in der nationalsozialistischen Zeit die Aufrüstung begann, also aus kriegswirtschaftlichen Gründen, wieder dazu übergegangen, zunächst im Jahre 1937 einen Kündigungsschutz für gewerbliche Räume einzuführen, und erst nach Kriegsbeginn, am 5. September 1939, hat man wieder den Mieterschutz für gewerbliche Räume eingeführt, den man im August 1940 auf unbebaute, für Geschäftszwecke verwendete Grundstücke ausgedehnt hat. Es handelt sich also jetzt um die Beseitigung von rein kriegsbedingten und im wesentlichen der Lenkung der Kriegswirtschaft dienenden Maßnahmen.
    Wir sind der Meinung — trotz aller Schwierigkeiten, die durch den Krieg geschaffen wurden —, daß durch den schon wieder geschaffenen zusätz-


    (Bundesjustizminister Dr. Dehler)

    lichen Geschäftsraum die Notlage beseitigt und nun die Möglichkeit gegeben ist, die Zwangswirtschaft auf dem Gebiet der Geschäftsmieten zu lockern. Es ist nicht verständlich, warum diejenigen, die durch Zufall, nämlich durch oft nur ganz kurzfristige Mietverträge, in den Genuß von Geschäftsräumen gekommen sind, jetzt die beati possidentes für lange Zeit sein sollen, warum sie die glücklichen Besitzer sein sollen, während anderen zugemutet wird, dauernd vor der Tür zu stehen, vielleicht tüchtigeren Leuten, z. B. Flüchtlingen, Vertriebenen, Ausgebombten, die oft tüchtigere Geschäftsleute sind und die Bedarf an Geschäftsräumen haben.
    Aus diesen Gründen hat es die Regierung für richtig gehalten, in angemessenen Grenzen eine Umschichtung dieser Besitzverhältnisse zu ermöglichen und mit dem Ziele der Wiederherstellung der Vertragsfreiheit, mit dem Ziele der Verbesserung der Rechtsstellung der Eigentümer und mit dem Ziele der Herstellung gerechter Wettbewerbsverhältnisse die Zwangswirtschaft auf dem Gebiet der Geschäftsräume aufzuheben. Man hätte auch einen anderen Weg gehen und die Mieten für Geschäfträume schematisch erhöhen können. Die Regierung hat das nicht für richtig gehalten.
    Aus diesem Grunde sind dann die beiden hier schon erörterten Verordnungen vom November vorigen Jahres erlassen worden. Bis dahin bestand übrigens das merkwürdige Mißverhältnis, daß neugeschaffene, frei finanzierte Wohnräume auf Grund des ersten Wohnungsbaugesetzes vom Mieterschutz freigestellt waren, daß dagegen neugeschaffene Geschäftsräume unter sonst durchaus gleichen Voraussetzungen dieses Privilegs nicht teilhaftig wurden. Auch dieses Mißverhältnis ist jetzt durch unsere Verordnungen beseitigt worden.
    In der Tagespresse und auch in wissenschaftlichen Zeitschriften ist lebhaft die Frage erwogen worden, ob unsere beiden Verordnungen vom 27. und vom 29. Juni 1951, also die Ausnahme vom Mieterschutz und die Verordnung auf dem Gebiet des Mietpreisrechts, rechtswirksam sind. Die Bundesregierung ist nach wie vor der Meinung, daß ernstliche Bedenken nicht bestehen können. Bei der Verordnung, die die Ausnahme aus dem Mietpreisrecht festlegt, handelt es sich lediglich um die Frage, ob die Zustimmung des Bundestages und des Bundesrates einzuholen war. Die Frage wäre nur zu bejahen, wenn durch die Verordnung der allgemeine Preisstand grundlegend verändert worden wäre, wenn also eine Auswirkung auf die Lebenshaltung im ganzen herbeigeführt worden wäre.
    Das war zweifellos nicht der Fall. Die Verordnung, die den Mieterschutz für die Geschäftsräume aufgehoben hat, ist insofern angezweifelt worden, als man die im Mieterschutzgesetz enthaltene Ermächtigung als nicht mehr fortbestehend betrachtet hat. Ich bin anderer Meinung. Das Mieterschutzgesetz hat von vornherein die Ermächtigung für die Landesregierungen und für die damalige Reichsregierung, übergegangen auf die Bundesregierung, vorgesehen, bestimmte Arten von Mieträumen vom Mieterschutz auszunehmen. Das ist geschehen. Für diesen Fall enthält das Mieterschutzgesetz bereits besondere Übergangs- und Schutzbestimmungen. Eine Rechtsverordnung, die auf Grund der Bestimmungen der §§ 52 und 53 des Mieterschutzgesetzes ergeht, ändert also das Mieterschutzgesetz nicht. Nur wenn das der Fall wäre, wäre nach Art. 129 Abs. 3 des Grundgesetzes die in dem Mieterschutzgesetz enthaltene Ermächtigung nicht auf die Bundesregierung übergegangen.
    Dann ist geltend gemacht worden, daß auch diese Verordnung der Zustimmung des Bundesrats bedurft hätte. Das wäre nach der Sachlage der Fall gewesen, wenn hier Recht geschaffen worden wäre, das von den Ländern ausgeführt werden müßte. Davon kann beim Mieterschutzrecht keine Rede sein. Mieterschutzrecht ist materielles Recht, das der Ausführung durch die Verwaltung weder bedürftig noch fähig ist. Mieterschutzrecht ist ein Recht, das vom Gericht angewandt wird. Es ist zweifellos, daß die Anwendung des Rechts durch ein Gericht eines Landes nicht eine Ausführung des Rechts durch ein Land ist. Ich glaube also nicht, daß die Bedenken, die hier geltend gemacht werden, gerechtfertigt sind.
    Die Bundesregierung war sich von vornherein — ich möchte das noch einmal unterstreichen — darüber schlüssig — das ist gleichzeitig mit der Beratung dieser beiden Verordnungen festgelegt worden —, für die Übergangszeit zur Vermeidung von Härten, besonders um zu verhindern, daß die durch die Ausnahme der Geschäftsräume vom Mieterschutz entstandene Situation irgendwie mißbräuchlich oder wucherisch ausgenutzt wird, eine Vertragshilfe zu schaffen. Wir sind uns schlüssig geworden, dem Mieter von Geschäftsräumen einen Schutz zu gewähren, wie er jetzt in dem Ihnen heute vorliegenden Gesetz niedergelegt ist. Es ist ein Verfahren vorgesehen, in dem diejenigen Mieter, die bei dem Inkrafttreten der Lockerungsverordnungen schon ihren Mietbesitzstand hatten, für eine bestimmte Übergangszeit geschützt werden sollen.
    Es ist wohl nicht notwendig, daß ich Ihnen den Gesetzentwurf im Detail vortrage. Wir haben es für richtig gehalten, nicht an dem Schema des Mieterschutzgesetzes festzuhalten, sondern für die Übergangszeit eine neue Form zu schaffen. Das konnte nicht, wie bei der Besprechung hier im Hause vor 14 Tagen angedeutet wurde, durch eine Verordnung geschehen; denn diese Maßnahmen werden durch die Ermächtigung des § 52 des Mieterschutzgesetzes nicht getragen. Dieses Verfahren bedarf also auf jeden Fall eines Gesetzes. Ich habe in meiner Stellungnahme zu den Anregungen des Bundesrats vorsorglich anheimgestellt, den Wortlaut der Verordnung in das Gesetz einzubauen; dann ist jeder, auch der geringste Zweifel über die Verfassungsmäßigkeit dieser neuen rechtlichen Ordnung beseitigt.
    In dem Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf ist neu vor allem der Gedanke, daß der Mieter, der zur Schaffung oder Instandsetzung der Mieträume einen erheblichen Beitrag geleistet hat, stärker als bisher geschützt ist. Insoweit ist also gegenüber dem Mieterschutzgesetz ein zusätzlicher Schutz geschaffen worden. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß es auf dem Gebiete der Geschäftsraummiete richtig ist, grundsätzlich das vertragliche oder gesetzliche Kündigungsrecht des Vermieters anzuerkennen und — und das ist der entscheidende und tragende Gedanke des Gesetzes — dem Mieter unter bestimmten Voraussetzungen die Geltendmachung eines Gegenrechts einzuräumen. Nach dem Entwurf kann der Mieter bei Mietverhältnissen, die am 1. Dezember 1951 bestanden haben, unter bestimmten Voraussetzungen den Widerruf der Kündigung verlangen, wenn er nämlich durch die Kündigung in erhebliche wirtschaft-,


    (Bundesjustizminister Dr. Dehler)

    liche Nachteile gerät und wenn dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses zugemutet werden kann. An die Stelle der wirtschaftlichen Nachteile tritt bei Räumen, die öffentlichen Zwecken dienen, die Gefährdung dieser Zwecke. Die Frage, aus welchen Gründen dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses zugemutet werden kann, ist nicht in der Weise geregelt, daß nur bestimmte Gründe in Betracht kommen. Vielmehr müssen vom Richter die Verhältnisse in ihrer Gesamtheit in Betracht gezogen werden. Aber der Entwurf — und das ist auch bedeutsam — sieht bestimmte Gründe vor, aus denen der Vermieter stets die Fortsetzung des Mietverhältnisses ablehnen kann. Das sind die Gründe einer fristlosen Kündigung, des Eigenbedarfs des Vermieters und bei zerstörten Grundstücken die Absicht des Wiederaufbaus des zerstörten Gebäudes.
    Entscheidend ist in der Vorlage noch die Frage der Miethöhe. Insoweit haben wir, glaube ich, Ventile eingebaut, so daß ein Mißbrauch der Verordnungen ausgeschlossen ist. Die Regelung geht dahin, daß der Mieter, der sich sein Mietverhältnis erhalten will, zwar in eine von dem Vermieter geforderte angemessene Mieterhöhung einwilligen muß. Voraussetzung aber ist einmal, daß der Vermieter bei anderweitiger Vermietung eine höhere als die bisherige Miete überhaupt erzielen könnte, und andererseits braucht der Mieter eine über die ortsübliche Miete hinausgehende Miete nicht anzuerkennen. .
    Diese Marktmiete wird sich nunmehr im Laufe der Zeit nach marktwirtschaftlichen Grundsätzen bilden. Für die Übergangszeit bis zum 1. April 1953 tritt an die Stelle der Marktmiete eine nach besonderen Grundsätzen zu bestimmende Kostenmiete, wenn die Feststellung der Marktmiete nicht ohne weiteres möglich ist. Durch diese Regelung sind alle Tendenzen in Richtung auf eine übertriebene Mietsteigerung abgefangen. Man kann durchaus nicht aus der Tatsache, daß sich manche Vermieter in astronomischen Zahlen bewegen, den Schluß ziehen, daß hier wirklich eine Deroute auf dem Markte der Geschäftsmieten eintreten könnte. Dies ist besonders deswegen nicht möglich, weil wir ausdrücklich bestimmen, daß der Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht deshalb ablehnen kann, weil er bei anderweitiger Vermietung eine höhere als die ortsübliche Miete und im Falle der Kostenmiete eine höhere als diese Miete erzielen könnte. Die Festsetzung der ortsüblichen Miete oder der Kostenmiete obliegt dem ordentlichen Gericht, notfalls durch Heranziehung von Sachverständigen.
    Mietverhältnisse, die sich nicht ausschließlich auf Geschäftsräume, sondern auf auch Wohnzwecken dienende Räume beziehen, erhalten einen besonderen Schutz. Nach dieser Regelung unterscheidet sich die Rechtslage nur in mietpreisrechtlicher Hinsicht von der nach dem Mieterschutzgesetz. Ich habe schon gesagt, daß Mieter noch stärker als bisher geschützt sind in Fällen — die ja von großer Bedeutung sind —, in denen sie einen erheblichen Beitrag zur Schaffung oder Instandsetzung der gemieteten Räume geleistet haben. In diesen Fällen kann sich der Vermieter nicht einmal auf Eigenbedarf berufen. Insoweit sind Vorschriften dahingehend vorgesehen, daß bei Festsetzung der Miethöhe der von dem Mieter geleistete 'Beitrag zur Errichtung der Räume angemessen berücksichtigt Wird.
    Was ich bisher über Mietverhältnisse über Geschäftsräume gesagt habe, gilt analog auch für Miet- und Pachtverhältnisse über gewerblich genutzte unbebaute Grundstücke.
    Ich glaube, daß wir durch dieses Gesetz ein Instrument schaffen können, das die leider in den letzten Wochen aufgetretene Unruhe zu beseitigen in der Lage ist und das auch praktisch dazu helfen kann, daß ein Mißbrauch der Verordnungen vom November vorigen Jahres verhindert wird.


Rede von Dr. Carlo Schmid
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Die allgemeine Aussprache ist eröffnet. Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die Aussprache eine Gesamtredezeit von 90 Minuten vor.
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobi.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben bereits in der 193. Sitzung Gelegenheit genommen, Auffassungen, die von der Bundesregierung zu dem jetzt in Rede stehenden Thema vorgetragen wurden, zu bekämpfen. Wir haben bezweifelt, daß die optimistischen Darlegungen der Regierung mit den Tatsachen in Einklang stehen. Ich muß angesichts der heutigen Ausführungen des Herrn Bundesjustizministers erneut feststellen, daß wir nicht in der Lage sind, seinen Darlegungen zu folgen.
    Der Herr Bundesjustizminister hat zunächst gleichsam in Fortsetzung von Bemerkungen, die der Herr Kollege Huth von der CDU in der 193. Sitzung vorgetragen hat, geglaubt, allgemeine wirtschaftspolitische . Bemerkungen machen zu sollen. Er hat von der Notlage des Althausbesitzes gesprochen und eine Philippika für eine Regelung dieser Dinge versucht. Dabei ist ihm, glaube ich, wieder einmal entgangen, daß wir von der Sozialdemokratischen Partei bei wiederholten Gelegenheiten betont haben, wir legten Wert darauf, die gesamte Materie sachlich zu erörtern. Wir haben ja auch mit unserem Antrag Drucksache Nr. 3044, der in der 193. Sitzung an die Ausschüsse verwiesen worden ist, zum Ausdruck gebracht, daß uns eine Regelung vorschwebt, die die Tatbestände eindeutig durch Gesetz regelt. Wir haben die Hoffnung zum Ausdruck gebracht und wir hegen diese Hoffnung heute noch, daß es gelingt, in einer sachlichen Aussprache im Ausschuß alle Fragen, die direkt und indirekt im Zusammenhang mit dem aufgeworfen werden, was sich nach Erlaß der beiden von uns bekämpften Verordnungen ergeben hat, eingehend zu beraten.
    Wir glauben aber nicht, daß der heute vorgelegte Gesetzentwurf eine besonders glückliche Diskussionsgrundlage darstellt. Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien — und diese Bemerkung sei besonders an die Kollegen von der CDU und CSU gerichtet —, haben besonders in letzter Zeit großen Wert darauf gelegt, von Zeit zu Zeit eine Reihe von Anträgen vorzulegen, die sich mit der Notlage des Handwerks, mit Sorgen des Mittelstandes beschäftigen. Ich glaube, es sind neun Anträge, die in dieser Richtung 'demnächst hier im Bundestag zu behandeln sind. Sie brauchen gar nicht diesen Umweg zu gehen. Wenn Sie wirklich dem Handwerk und dem Mittelstand helfen wollen, dann müssen Sie mit Rücksicht auf das, was durch die von uns bekämpften Verordnungen ausgelöst worden ist, mit uns dafür eintreten, daß diese Verordnungen keinesfalls aufrechterhalten bleiben,

    (Sehr richtig! bei der SPD.)



    (Jacobi)

    und anerkennen, daß sich in den Auswirkungen, die der Alltag gebracht hat, schon die absolute Unmöglichkeit zeigt, auf der Grundlage dieser Verordnungen weiterzuhandeln.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Der Herr 'Bundesjustizminister hat soeben von den beati possidentes, von den glücklichen Besitzern gesprochen und im selben Atemzug erklärt, nun bestehe vielleicht die Möglichkeit, auch einmal einem Flüchtling irgendeinen Gewerberaum zuzuweisen; ich glaube mich nicht verhört zu haben. Herr Minister, ich kann Ihnen aus der Flut der Briefe, die ich seit Dezember in dieser Sache bekommen habe, eine ganze Anzahl Unterlagen bringen, die den Nachweis darüber führen, daß diese beiden Verordnungen gerade dazu benutzt werden, Heimatvertriebene wieder aus Gewerberäumen hinauszuweisen.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Dias ist nicht wahr!)

    Ich habe hier 'einen Brief, der typisch ist für viele. Aus ihm ergibt sich, daß bei Anwendung dieser Verordnungen eine Reihe von Hausbesitzern — ich schematisiere und generalisiere hier nicht — keineswegs etwa den Versuch machen, sich mit den Rechtsfragen zu beschäftigen, die hier ausgelöst werden, sondern daß eine absolut eindeutige Machtpolitik getrieben wird. Wir wissen doch, daß es besonders häßliche Dinge außer bei Familienstreitigkeiten gerade auch bei Mietstreitigkeiten gibt. Das ballt sich alles zusammen. Da wird soviel Unfrieden in die Lande getragen, und da wirkt sich 'soviel Unheil aus, daß es auch bei den Heimatvertriebenen nicht haltmacht, die nunmehr weitgehend von den Verordnungen in Mitleidenschaft gezogen wenden. Dieser Heimatvertriebene, der sich jetzt in Frankfurt ein Geschäft eingerichtet hat mit
    — wohlgemerkt — 5000 DM Soforthilfemitteln und mit Geldern, die er sich auf nicht ganz einfache Weise erst hat beschaffen müssen, der eine Miete zahlt, die durchaus schon den Gesichtspunkten der Kostenmiete entspricht, wird zum 1. April damit zu rechnen haben, daß 'der Vermieter alles daransetzt, eine wesentliche Steigerung der Miete zu erreichen, ein Vermieter, der die Hoffnung hegt, sogar diesen Heimatvertriebenen aus dem Ladenraum herausdrängen zu können. Und hierzu würde ihm das heute zur Beratung stehende Gesetz durchaus eine 'Handhabe geben! Ich werde vielleicht nachher noch im einzelnen darauf zurückkommen.

    (Zuruf von der Mitte: Das sind Einzelfälle!)

    — Ach, idas sind „Einzelfälle"? Ich lade Sie ein, zu mir zu kommen und die Hunderte von Briefen 'durchzulesen. Ich kann Ihnen auch gleich eine ganze Reihe von Einzelfällen nachweisen. Im übrigen genügt 'es aber auch, wenn nur Einzelfälle Unrechtstatbestände darstellen,

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    um auch in einem solchen Einzelfall Protest und Verwahrung einzulegen gegen derartige Maßnahmen, gegen ein Freibeutertum, das sich heute auf dem Wohnungsmarkt austobt und an dem die Bundesregierung gewollt oder ungewollt dadurch mitwirkt, daß sie mit diesen beiden Verordnungen den Leuten, die so handeln, gewissermaßen Waffen in die Hand gegeben hat.
    Hier 'habe ich 'den Brief eines bekannten Einzelhändlers in Bonn. Ich will den Namen verschweigen, das Originaldokument steht Ihnen aber zur Verfügung. Von diesem Mann wird mit Wirkung vom Dezember — man richtet sich ja nicht danach, ob die Verordnungen erst ab 1. April anwendbar sind oder nicht — für ein Ladengrundstück, das noch keine 30 qm groß ist, eine Erhöhung der Ladenmiete von 181,50 DM auf 500 DM verlangt.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Vorsorglich 'hat der ehrenwerte Vermieter bereits im Dezember die Zahlung 'in 'der bisherigen Höhe lediglich als à-Konto-Zahlung quittiert und droht mit Räumung.

    (Erneute Rufe von der SPD: Hört! Hört!)

    In einem anderen Falle — es handelt sich ebenfalls um ein Geschäft in Bonn — 'ist die monatliche Miete von 250 DM auf 1200 DM erhöht worden.

    (Lebhafte Rufe: Hört! Hört!)

    Auch ein allgemein bekanntes Ladengeschäft! Es ist durchaus nicht so, daß es sich dabei vielleicht um Einzelfälle handelt. Mir sind rund 20 Fälle 'bekannt, in denen sich Mietdifferenzen ergeben von 160 auf 500, von 45 auf 150, von 100 auf 400 DM und so fort. Nicht nur aus einem Ort, aus einer ganzen 'Reihe von Orten wird 'in dieser Beziehung völlig gleichlautend berichtet.
    Ich will in der Aufzählung nicht fortfahren, sondern nur bemerken, daß- es ja nicht nur die sozialdemokratische Opposition ist, — —

    (Zurufe von der Mitte.)

    — Fürchten Sie nicht, daß ich wieder einmal mit der „Kölnischen Rundschau" komme! Die hat genug Kummer gehabt 'dadurch, daß ich sie zitiert habe. Das hat eine wahre Rebellion in Köln gegeben. Am 3. März findet sogar eine Großkundgebung der Haus- und Grundbesitzer gegen die „Kölnische Rundschau" statt. Das habe ich ihr weiß Gott nicht bescheren wollen. Aber es liegen Einsprüche vor
    — Herr Dr. Kather ist heute leider nicht da —, zum Beispiel vom Zentralverband der vertriebenen Deutschen eine geharnischte Stellungnahme, die die völlige Unmöglichkeit dieser Verordnungen und ihrer Auswirkungen dartut. Mir sind auch Schreiben von Einzelhandelsverbänden zugegangen, in denen im 'einzelnen aufgezeigt wird, zu welcher Unsicherheit, zu welch bedenklicher Entwicklung die beiden Verordnungen geführt haben. Ich will es mir ersparen, Ihnen all das vorzulesen, was da berichtet wird. Aber wenn beispielsweise vom Einzelhandelsverband Südbaden in einer Eingabe berichtet wird, daß in einer Stadt wie Baden-Baden, also einer Stadt ohne Kriegsschäden, die Mieten für gewerbliche Räume jetzt schon ganz allgemein bis zu 100 % erhöht worden sind, dann spricht dieser Hinweis dafür, wie gefährlich der mit diesen beiden Verordnungen beschrittene Weg ist.
    Der Einzelhandelsverband weist auf Grund einer Erhebung nach, daß in bombenzerstörten Städten wie Köln und Wiesbaden 'im Durchschnitt eine Erhöhung auf 300 % eingetreten ist. In bezug auf die Frage, ob davon Auswirkungen auf den allgemeinen Preisstand zu erwarten sind, wird hier gesagt — ich zitiere mit Genehmigung des Herrn Präsidenten wörtlich —:
    Mietpreissteigerungen in solchen Höhen können aber von den Einzelhandelsfirmen nicht mehr innerbetrieblich aufgefangen werden. Sie finden also automatisch im Endverbraucherpreis ihren Niederschlag, so daß im Schlußergebnis die Mietpreiserhöhung einer Abwälzung der Lastenausgleichsabgaben auf den Verbraucher gleichkommt.


    (Jacobi)

    Nun, werden einige andere Fälle genannt — ich zitiere immer noch einen Einzelhandelsverband, meine Damen und Herren — und dann heißt es hier:
    Die alteingesessenen Handels- und Handwerksbetriebe können diese Forderungen nicht erfüllen, und deswegen werden ihnen laufend Kündigungen zugestellt.
    — Und schließlich wird etwas sehr Bemerkenswertes angeführt; es heißt hier weiter:
    Neben den Mietpreisforderungen tauchen seit etwa 14 Tagen auch Forderungen nach verlorenen Baukostenzuschüssen für Instandsetzungen bzw. Modernisierungen an den Außenfronten der Geschäftshäuser auf. In dem drastischsten Falle haben wir erlebt, daß ein Vermieter seinen acht Einzelhandelsmietern eine Generalklausel im neuen Mietvertrag zur Unterschrift vorgelegt hat, die kurz besagt, daß der Mieter alle Kosten, 'die nach den Bauplänen des Vermieters entstehen, übernimmt. Die Pläne des Vermieters bewegten sich zwischen schwarzem und gelbem Marmor. Die Forderungen an den einzelnen Mieter dürften zwischen 7000 und 25 000 DM liegen.
    Gewiß, so etwas hat die Bundesregierung nicht gewollt. So etwas wird natürlich an sich auch von den Verordnungen her Rechtens nicht ermöglicht. Aber wir leben nun einmal in einer Zeit, in der in dem Augenblick, wo das Schlagwort von marktwirtschaftlichen 'Grundsätzen auftritt, sehr viele Leute daraus den Antrieb herleiten, nun ihrerseits den Versuch zu machen, zu verdienen, wo sie verdienen können.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Und dann bekommen wir den Streit, und wir haben es mit einer Kraft des Faktischen zu tun, der man mit rechtlichen Erwägungen nicht mehr beikommen kann.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind nicht der Meinung, daß der heute in erster Lesung zur Beratung stehende Entwurf einen Ausweg bietet. Der Herr Bundesjustizminister hat zwar schon in der 193. Sitzung die Meinung vertreten, an diesem Gesetzentwurf brächen sich die Angriffe gegen die Mietpreisverordnungen. Er hat auch heute wieder der Meinung Ausdruck gegeben, die Situation scheine jetzt in irgendeiner Weise aufgelockert und verbessert zu sein. Das ist nicht richtig. Worüber ich mich aber am meisten gewundert habe, ist seine Bemerkung — ich habe sie wörtlich mitgeschrieben —, die Bundesregierung sei nach wie vor der Auffassung, daß ernstliche Bedenken gegen die Verordnungen nicht bestehen könnten. Wir haben schon bei Gelegenheit der letzten Debatte darauf hingewiesen, daß uns mit einer solchen apodiktischen Feststellung nicht gedient ist, und wir haben auch heute wieder den Eindruck, daß der Herr Bundesjustizminister doch wohl selbst gewisse Hemmungen verspürt und daß er nun zu einer Sache steht, die er loyalerweise vom Kabinett her verteidigen muß, die ihm als Juristen 'aber offensichtlich ,doch selbst reichlich problematisch vorkommen dürfte.
    Ich hatte anläßlich der letzten Debatte die Gelegenheit, Ihnen im einzelnen, wenn auch nur kurz, darzutun, daß diese beiden Verordnungen rechtsunwirksam sind, und ich darf feststellen, daß sich diese Meinung mindestens bei den Juristen im Lande allmählich allgemein durchgesetzt hat. Die Bundesregierung läßt auch durch den heute zur
    Beratung stehenden Gesetzentwurf eine beschränkte Einsicht gegenüber den mehrfach und nachdrücklich vorgetragenen Bedenken gegen die beiden Verordnungen und ihre Auswirkungen erkennen — das kann man zwischen den Zeilen lesen —, doch es bleiben gegenüber der heutigen Vorlage darüber hinaus schwerwiegende Bedenken. Sie ergeben sich einmal aus der gesetzestechnischen Anlage, zum anderen aus dem materiellen Inhalt des Gesetzentwurfs.
    Der Streit um die Rechtsverbindlichkeit der beiden Regierungsverordnungen vom 27. November 1951 stellt eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dar, und zwar nicht nur im Hinblick auf die mehrfach erörterten verfassungsrechtlichen Gesichtspunkte, sondern auch im Hinblick auf die Gesetzgebungstechnik und -ökonomie. Wir halten an unserer Feststellung fest, daß die Verordnungen rechtsunwirksam sind. Wir halten es deshalb aber auch nicht für angängig, 'bei der Fassung des vorliegenden Gesetzentwurfs das rechtswirksame Bestehen der Verordnungen nahezu als unzweifelhaft vorauszusetzen und durch die Gesetzgebungskörperschaft zu bestätigen. Ein solches Verfahren scheint uns untunlich und bedenklich zu sein.
    Ich darf noch einmal kurz zusammenfassen, aus welchen Gründen wir die Verordnungen als rechtsunwirksam ansehen. Diese Gründe könnten noch um einige Punkte vermehrt werden. Ich könnte mich schon nach dieser Richtung hin auf eine Reihe von Beschlüssen von Amtsgerichten berufen, die die Verfahren bis zu einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtshofs ausgesetzt haben. Ich will mich noch einmal auf die kurze summarische Aufzählung der Gründe beschränken, die die Rechtsunwirksamkeit der beiden Verordnungen dartun. Sie sind rechtsunwirksam
    1. wegen Verstoßes gegen Art. 80 und 129 des Grundgesetzes, — es ist das verfassungsrechtliche Erlöschen der 'Ermächtigung festzustellen;
    2. wegen Aufhebung der im Leitsätzegesetz vom 24. Juni 1948 enthaltenen Ermächtigung, auf welche die Verordnungen allein hätten durch das erste Preisrechtsverlängerungsgesetz gestützt werden können, — also ist die gesetzesrechtliche Aufhebung der Ermächtigung festzustellen;
    3. wegen Überschreitung der beschränkten Ermächtigung, wenn deren Fortgeltung einmal unterstellt wird. Es fehlt die gebotene Zustimmung des Bundesrats und Bundestags gemäß § 1 des Preisgesetzes. Das, was der Herr Bundesjustizminister zu diesem Punkt heute wieder nur andeutungsweise gesagt hat, ist völlig unzureichend und ist nichts anderes als eine deklamatorische Bemerkung. Wir halten es aber für völlig unmöglich, daß der Gesetzentwurf, wenn er mit Erfolg und Sinn beraten werden soll, von zwei Verordnungen ausgeht, die so umstritten sind. Er wird nach unserer Vorstellung umgebaut werden und eine Gesamtregelung der Materie enthalten müssen. Das ist das einzige, was uns möglich erscheint, daß nämlich die gesamten in den Verordnungen enthaltenen Regelungen in das zu beschließende Gesetz eingebaut werden. Nur so kann das unleugbar aufgetretene Dilemma behoben werden.
    Trotz unserer Bereitschaft, unter dieser ersten Voraussetzung an der Beratung des materiellen Inhalts des uns vorgelegten 'Gesetzentwurfs mitzuarbeiten, legen wir in schärfster Form Verwahrung ein gegen die im vorliegenden Fall von der Bundesregierung angewandte Praxis, durch mit dem Schein der Rechtsverbindlichkeit ausgestattete


    (Jacobi)

    Rechtsverordnungen Situationen zu schaffen, die den Gesetzgeber zwingen, in bestimmter Weise und zu bestimmten Terminen gesetzliche Regelungen zu treffen. Ich habe jüngst unter dem Gesichtspunkt der Verordnungsermächtigungen unter Berufung auf die Entscheidung unseres Bundesverfassungsgerichts und die darin bestätigten Grundprinzipien der Gewaltentrennung auf das Gewichtsverhältnis und die Abgrenzung zwischen Legislative und Exekutive hingewiesen. Hier gibt die Bundesregierung ein Exempel für die Auswirkungen, die bei Durchbrechung dieser fundamentalen Grundsätze unvermeidbar sind. Ein Parlament, das sich das ihm eigene Recht der Gesetzgebung nehmen oder beschränken läßt, verzichtet nicht nur auf sein verfassungsmäßiges Recht, das, um es sehr deutlich zu sagen, mehr Pflicht als Recht ist, sondern versetzt sich selbst als das höchste Organ der staatlichen Willensbildung in die peinliche Situation, Fehler des mißbräuchlich ermächtigten oder sich als ermächtigt gerierenden Organs durch eigene Maßnahmen ausgleichen zu müssen. Das gesetzgebende Organ begibt sich bei einer 'derartigen Praxis nicht nur eines Rechts, nein, es bürdet sich zugleich das Amt des Lückenbüßers auf. Wir sind nicht bereit, eine solche Praxis ohne Kritik an uns vorbeipassieren zu lassen.
    Hinsichtlich der Gesetzestechnik eine kurze Bemerkung. Es bürgert sich in zunehmendem Maße eine Praxis ein, sachlich und organisch zusammengehörige Materien in einer Unzahl von Sonderbestimmungen zeitlich auseinandergerissen von verschiedenen Organen regeln zu lassen. Darunter leidet nicht nur die praktische Anwendbarkeit jener Vorschriften, die nachgerade ohne alphabetisches Schlagwortverzeichnis selbst von den bestausgebildeten und erfahrensten Verwaltungs' beamten und Richtern, geschweige denn vom Staatsbürger überhaupt nicht gefunden, viel weniger 'gewußt und beachtet werden können.
    Schwerer wiegt der Schaden, den die Rechtsklarheit und Rechtssystematik nehmen müssen. Rechtsklar und rechtssystematisch können nur solche auf eine zusammengehörige Materie bezogenen Gesetze und Verordnungen sein, die von einer sich in jeder Einzelbestimmung bestätigenden Gesamtkonzeption getragen sind. Teillösungen sind ein Notbehelf und keine Lösung. Das uns vorliegende Beispiel — ich meine den Entwurf des Gesetzes, der jetzt zur Beratung steht — ist kennzeichnend hierfür.
    Ich will mir das Eingehen auf weitere Einzelheiten ersparen und mich insoweit auf den Hinweis beschränken, daß wir in einigen Punkten schon jetzt klar und erkennbar zum Ausdruck bringen möchten, daß wir die Regelung des Gesetzes in dieser Form nicht akzeptieren können. Es erscheint uns z. B. nicht zwingend, daß man bei der Regelung der Prozeßführung und Beweislast den Mieter in eine Rolle zwingt, in die er nicht gehört, da ja nicht er es ist, der fordert. Es ist im übrigen kein Gebot der Logik, hier ein andersartiges Verfahren einzuführen, als dies auch in gleichgelagerten Fällen üblich ist. Solange den Vermietern von Wohnräumen die Prozeßführung und Beweislast aufgebürdet bleiben, so lange ist nicht einzusehen, weshalb nicht auch die Vermieter gewerblicher Räume ebenso behandelt werden sollen, wenn diese schon den Vorzug freier Preisbildung genießen sollen.
    Das Rechtsinstitut der Kündigungswiderrufsklage, das wir hier in diesem Gesetzentwurf finden, ist zwar in unserem Recht nicht neu; die von der Bundesregierung gezogene Parallele zum Arbeitsrecht ist jedoch nicht schlüssig, weil es eben das auch hier der Natur der Sache nach ungeeignete Beispiel der Aufhebungsklage nicht gibt. Auch im Mietrecht hat es bereits einmal dieses Institut der Kündigungswiderrufsklage gegeben. Es ist von allen Praktikern als umgeeignet erkannt worden. Das Mieterschutzgesetz ist daher in seiner verfahrensmäßigen Anlage als ein erheblicher Fortschritt — und zwar nicht nur für die Mieter — betrachtet worden. Für das Gebiet des Mietrechts bedeutet die Wiedereinführung der Kündigungswiderrufsklage einen offensichtlichen Rückschritt.
    Im übrigen haben wir wegen einer ganzen Reihe von Einzelbestimmungen Bedenken. Wir betrachten im § 2 beispielsweise das Fehlen jeder Interessenabwägung als einen großen Mangel. Wir finden den personell und sachlich geregelten Tatbestand viel zu weit. Ich spreche jetzt von der Bestimmung über den Eigenbedarf. Wenn wir in das Gesetz schauen, sehen wir die Möglichkeit, daß in Zukunft „Eigenbedarf" immer dann bejaht werden muß, wenn der Vermieter für sich selbst oder für die Zwecke seines Ehegatten oder eines Verwandten oder eines Verschwägerten gerader Linie die Räume dringend benötigt. Das bedeutet, daß vom Urahn bis zum Enkel — so weit geht der Rahmen bei Verschwägerten und Verwandten gerader Linie — Strohmänner vorgeschoben werden können, um jemand, der vielleicht bisher — durchaus ohne daß 'Zerwürfnisse zwischen Mieter und Vermieter entstanden sind — einen Gewerberaum beansprucht hat, nunmehr unter dem Vorwand des Eigenbedarfs aus dem Mietverhältnis zu drängen. Wer entscheidet im übrigen darüber, ob eine dringende Notwendigkeit besteht? Es fehlt an einer Aufzählung klarer Tatbestände.
    Wir sehen auch Schwierigkeiten erwachsen aus dem § 4 Abs. 2 Buchstabe b. Dort ist eine off en-sichtliche Unterbewertung der Mieterinteressen festzustellen, und ich kann in dem ganzen Gesetz nicht eine Regelung finden, die mir die Bemerkung des Herrn Bundesjustizministers verständlich machte, hier gehe man zum Teil im Schutze der Mieter weiter als bisher. Das scheint mir nur am Rande der Fall zu sein; im großen und ganzen ist hier ein Gesetzentwurf zu behandeln, der die Vermieterinteressen sehr viel stärker berücksichtigt als die Interessen der Mieter.
    Wir halten also einmal den Ausgangspunkt des Gesetzes für verfehlt. Wir schließen uns den Bedenken des Bundesrates hinsichtlich der Kündigungswiderrufsklage an, und wir haben im übrigen zu einer ganzen Reihe von Einzelbestimmungen schwerste Bedenken anzumelden. Wir behalten uns vor, sie 'bei den Ausschußberatungen im einzelnen vorzutragen. Dabei haben wir die Hoffnung, daß bei einer sachlichen Aussprache die Möglichkeit besteht, diesen ganzen Gesetzentwurf umzubauen. Vielleicht bietet er die Möglichkeit, das zu realisieren, was wir schon mit unserem Antrage vom 8. Februar angestrebt haben: daß ein Gesetz entsteht, das in gerechter Abwägung der Interessen der Beteiligten die Mieten oder Pachten für Geschäftsräume oder gewerblich genutzte unbebaute Grundstücke in der Weise regelt, daß die erhöhten Unkosten der Vermieter oder Verpächter eine angemessene Berücksichtigung finden, aber Preistreiberei ausgeschlossen wird.

    (Beifall bei der SPD.)