Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion bedauert, dem § 11 des vorliegenden Gesetzes in seiner jetzigen Fassung nicht zustimmen zu können. Sie kann ihm deshalb nicht zustimmen, weil er in Abs. 2 Satz 2 eine nicht vertretbare steuerliche Vergünstigung für die Banken enthält. Es heißt in diesem Satz 2, daß
Beteiligungen und Wertpapiere des Anlagevermögens höher bewertet werden dürfen; es heißt in diesem Satz 2 weiterhin, daß
der Gewinn, der sich aus der Höherbewertung ergibt, nicht voll, sondern nur zu 30 % zu versteuern ist.
Die restlichen 70 % sollen steuerfrei bleiben.
Was bedeutet diese Bestimmung? Bei den Großbanken sind aus der Vorkriegszeit recht erhebliche Wertpapierbestände vorhanden. Die Effekten stehen mit sehr niedrigen Kursen zu Buch. In den Bilanzen sind die Wertpapiere mit etwa 35 bis 36 Millionen DM bewertet. In den letzten beiden Jahren hatten wir an allen Börsen sehr erhebliche Kurssteigerungen. Durch das Ansteigen der Kurse hat sich in der eben genannten Bilanzposition eine 1 ganz erhebliche stille Reserve gebildet, die man auf etwa 110 Millionen DM beziffern kann. Die Reserven sollen nun aufgelöst werden. Bei einer Auflösung stiller Reserven entstehen Gewinne. Gewinne müssen versteuert werden. Der Steuersatz beläuft sich nach geltendem Recht summa summarum auf etwa 70 %. Diese 70 % wollen die Banken nicht zahlen. Sie haben Verhandlungen mit dem Bundesfinanzministerium geführt und sich dahin geeinigt, daß nur ein Teil der Gewinne versteuert werden soll, sodaß sich der Steuersatz von 70 % auf 21 % ermäßigt.
Zur Begründung ihrer Wünsche sind eine Reihe von Argumenten vorgebracht worden, so z. B. daß man die aufzulösenden Reserven für eine Erhöhung des Eigenkapitals brauche, daß diese Aufstockung des Eigenkapitals notwendig sei, weil ein Mißverhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital bestehe, und daß es besonders mit Rücksicht auf die Auslandsverbindlichkeiten von Nutzen sein könnte, wenn die Kapitalverhältnisse. bereinigt würden.
Nun, meine Damen und Herren, auch wir Sozialdemokraten sind daran interessiert, daß die deutschen Kreditbanken leistungsfähiger werden und daß den ausländischen Geschäftspartnern ausreichende Sicherheiten für die Durchführung von bankmäßigen Umsätzen geboten werden. Deswegen haben wir im Ausschuß sehr lange darüber debattiert, ob z. B. das in § 1 des vorliegenden Gesetzes verankerte Dreierprinzip dem Grundsatz der optimalen Betriebsgröße entspricht. Wir haben Bedenken geäußert, daß der § 1 in der jetzigen Fassung auf eine lange Zeit zementiert werden soll. Aber, meine Damen und Herren, wenn wir auch
die Leistungsfähigkeit der deutschen Banken absolut bejahen, so sind wir doch der Meinung, daß eine ausgewiesene Aufstockung des Eigenkapitals, so notwendig sie auch sein mag, auf keinen Fall durch die bequeme und beliebt gewordene Methode einer Gewährung von Steuervergünstigungen erfolgen darf, besonders dann nicht, wenn ganz erhebliche Beträge zur Debatte stehen.
Wenn § 11 in der jetzigen Fassung angenommen werden sollte, ergeben sich ungefähr folgende Zahlen. Die aufzulösenden stillen Reserven belaufen sich auf 110 Millionen DM. Die darauf abzuführenden Steuern würden sich auf 77 Millionen DM errechnen. Die Banken bieten hiervon 30 %; das sind rund 23 Millionen DM. Es verbleibt ein Rest von 54 Millionen DM, der als Steuervergünstigung den Banken zugute kommen würde. Das ist ein Betrag, der, abgesehen von allen anderen Bedenken, für uns völlig indiskutabel ist.
Nun haben die Banken, um ihre Wünsche durchzusetzen, einen leichten Druck ausgeübt. Sie haben erklärt, daß, wenn der Fiskus mit den 23 Millionen DM nicht zufrieden sein sollte, sie dann eben ihre stillen Reserven nicht auflösen würden und der Fiskus überhaupt kein Geld bekommen würde. Ich bin der Meinung, daß eine solche Argumentation weder überzeugend nach beweiskräftig ist; denn entweder ist die Aufstockung des Eigenkapitals ein zwingendes Gebot, dann wird sie erfolgen, selbst wenn man darauf die ordnungsgemäßen Steuern zu zahlen hat. Wenn 'aber — und das scheint mir naheliegender zu sein — die Aufstockung aus dem Wertpapierbesitz nicht so zwingend notwendig ist, dann kann vielleicht die mit § 11 geplante Aktion ein sehr gutes Geschäft für die Banken werden.
Diese letzteren Überlegungen haben sich bei meinen Freunden immer mehr vertieft; denn wir können es uns nicht erklären, daß die Banken nur aus 'dem Wunsch heraus, ihre stillen Reserven sichtbar zu machen, dem Herrn Bundesfinanzminister einen Barscheck über 23 Millionen anbieten.
Aber wir haben noch einige andere Bedenken. Wenn man schon über Kapitalverhältnisse spricht, dann kann man aus dem Vermögen der Bankbilanzen nicht nur einen Posten herausnehmen und diesen zur Diskussion stellen, sondern man muß doch in der Lage sein, das gesamte Ertragsbild zu beurteilen. Wir haben uns im Ausschuß für Geld und Kredit bemüht, diese Frage zu diskutieren, leider mit einem ziemlich negativen Erfolg. Wir haben kein Bild von der wirklichen Ertragslage bekommen. Wir wissen nur, daß die Banken seit langen Jahren die Praxis üben, sehr vorsichtig zu bilanzieren, und daß in verschiedenen Positionen des Bankvermögens erhebliche stille Reserven stecken können. Wie hoch sich diese stillen Reserven bemessen, hat man uns nicht gesagt. Wir haben außerdem — trotz unserer Fragen an die Vertreter 'der Großbanken — keine Auskunft darüber bekommen, ob das laufende Kreditgeschäft rentabel ist, ob und welche Gewinne es abwirft.
Das, meine Damen und Herren, sind nur einige Beispiele; sie sind aber für die gesamte Situation charakteristisch, und solange diese Fragen nicht restlos geklärt sind, können wir einer Regelung nicht zustimmen, die 'den Banken eine Steuervergünstigung von 54 Millionen bringt.
Es kommt aber noch ein weiteres Argument hinzu. Steuervergünstigungen, wie sie hier verlangt werden, vermindern — auf lange Sicht gesehen — das Aufkommen aus den Ertragsteuern.
Die Lücken, die hier entstehen, müssen durch Verbrauchsteuern, also durch eine Belastung des Konsumenten, ausgeglichen werden. Eine solche Entwicklung können wir nicht billigen. Wir lehnen sie ab.
So ergeben sich für uns zwei Tatbestände: einmal, daß die Fragen der Rentabilität, die Bilanz und die Kapitalmarktlage in der Bankwirtschaft nicht geklärt sind, und 'zweitens das Problem einer möglichen Verzichtleistung auf Ertragsteuern, die durch Verbrauchsteuern ausgeglichen werden müssen. Beide Tatbestände veranlassen uns, Sie 'zu bitten, unserm Antrag auf Umdruck Nr. 463, der die Streichung von Abs. 2 Satz 2 und eine sinngemäße Änderung des Satzes 3 bezweckt, zuzustimmen.