Meine Damen und Herren! Wie Herr Kollege Ewers unid Herr Kollege Dr. Schneider bin auch ich Rechtsanwalt in Deutschland. Mich hat außerordentlich erschüttert, daß es Herr Kollege Ewers hier für richtig gehalten hat, den Namen Dr. Kempner im gleichen Atemzug mit dem Namen Kemritz zu erwähnen.
— Nein, das war nicht sehr gut. Herr Kemritz ist für uns ein Mann, der der Mittäterschaft nach § 211 des Strafgesetzbuchs schuldig ist. Herr Dr. Kempner ist heute Rechtsanwalt in Frankfurt am Main. Es braucht sich hier heute keiner mit dem zu identifizieren, was Herr Dr. Kempner während seiner Tätigkeit in Nürnberg getan hat.
— Nein, das tue ich nicht; im Gegenteil: auch ich
bin nicht mit allem einverstanden, was vielleicht
auf das Konto des Herrn Dr. Kempner während
seiner Tätigkeit als stellvertretender Hauptankläger kommt. Aber hier den Namen eines deutschen Rechtsanwalts mit dem Namen eines Mörders in einem Zusammenhang zu nennen, das ist für die deutsche Anwaltschaft unerträglich, meine Damen und Herren, nichts anderes!
Das wollte ich eingangs gesagt haben. Man sollte sich hüten, Herr Kollege Ewers, solche Äußerungen, wie ich sie machen mußte, zu provozieren. Der Provokateur waren Sie in diesem Fall, nicht ich, Herr Ewers!
Man kann doch nicht einfach aus Artikeln von illustrierten Zeitungen auf einen Tatbestand schließen, der, wenn er wahr wäre, zum mindesten doch in einer ganz andern Art und Weise behandelt werden müßte, als mit einer billigen Phrase vor dem Deutschen Bundestag.
Ich komme jetzt zu den Ausführungen des Herrn Bundesministers der Justiz. Ich glaube, das, was der Herr Kollege Dr. Friedensburg hier gesagt hat, war zum großen Teil an die Adresse des Herrn Bundesministers der Justiz gerichtet; nur verstehe ich nicht ganz, wie sich der Herr Kollege Dr. Friedensburg zeitweise so empört darüber äußern konnte, was in der Zwischenzeit nicht geschehen ist. Unseres Erachtens ist es so, daß sich der Herr Bundesminister der Justiz oder die Bundesregierung durch das Verhalten der Hohen Kommission bzw. einzelner Mitglieder derselben über Gebühr hat hinhalten lassen; der Herr Bundesminister der Justiz hat die Behandlung dieser Angelegenheit dadurch verzögert, daß er nach unserer Auffassung nicht genügend vorstellig geworden ist.
Es bestehen auch offenbare Unstimmigkeiten zwischen den Ausführungen des Herrn Kollegen Dr. Friedensburg und denen des Herrn Bundesministers der Justiz, die ich gern aufgeklärt wissen möchte. Der Herr Kollege Dr. Friedensburg hat gesagt, daß wir, gleichviel wie die Behandlung seitens der Amerikaner stattfindet, Herrn Kemritz nicht mehr auf deutschem Boden sehen wollen. Der Herr Bundesminister der Justiz hat in der Sitzung des Deutschen Bundestags vom 20. Juni 1951 ausgeführt, daß sich die Bundesregierung darüber werde 'schlüssig machen müssen, ob sie den Antrag auf eine Art von Auslieferung des Herrn Kemritz stellen werde. Das war von unserem Standpunkt aus damals so aufzufassen, daß wir das Recht der Aburteilung von Kemritz vor deutschen Gerichten in Anspruch nehmen. Wir waren deshalb dafür, daß von der Bundesregierung so eine Art Auslieferungsbegehren an die amerikanische Hohe Kommission gestellt wird.
Herr Bundesminister, ich glaube nicht, daß von Ihrer Seite aus alles getan worden ist, was hätte getan werden können, um den Fall schneller zur Erledigung zu bringen. Die Mitteilungen, die Sie von den Amerikanern bekommen haben, bedurften meines Erachtens nicht so langer Prüfung. Meiner Meinung nach war auch nicht zu prüfen, welche Bestimmungen über die Verhängung des automatischen Arrests überhaupt vorhanden sind. Wenn die Amerikaner willens gewesen wären, den Fall Kemritz, wie es 'der Wunsch des Deutschen Bundestages war, so schnell wie möglich im Anschluß an die Debatte im Bundestag zur Erledigung zu bringen, dann 'hätten sie auf Ihre sehr prompte Vorstellung vom 25. Juni anders reagieren müssen. Ich glaube aber, daß Sie nicht genügend gedrängt haben und daß es auf diese Unterlassung zurückzuführen ist, wenn die Amerikaner die Vorstellung gehabt haben, der Fall Kemritz verschwände sanft in der Versenkung und würde niemals mehr hervorgeholt, wie das bei so vielen anderen Fällen im Bundestag auch schon geschehen ist.
Meine Damen und Herren, wie die Kollegen vor mir bereits zum Ausdruck gebracht haben, handelt es sich letztlich nicht allein um den Fall Kemritz, sondern um die Gestaltung unserer deutschen Rechtsverhältnisse, um die Wiederherstellung der Justizhoheit im Bundesgebiet und' um die endgültige Bereinigung des Verhältnisses der deutschen Bundesrepublik zu der Alliierten Hohen Kommission bzw. zu der amerikanischen Hohen Kommission.
Der Herr Kollege Friedensburg hat Beispiele genannt, für deren Anführung wir ihm außerordentlich dankbar sind. Der Tenor seiner Ausführungen wird von mir im wesentlichen geteilt. Nur in einem, Herr Kollege Dr. Friedensburg, habe ich Sie nicht ganz verstanden. Sie sagten, auch in Anspielung auf den Bericht des amerikanischen Hohen Kommissars McCloy, der uns heute morgen durch die Presse zur Kenntnis gebracht worden ist, daß diese Haltung der Alliierten, insbesondere der amerikanischen Hohen Kommission, durch das nationalistische Gebaren gewisser Kreise in Deutschland hervorgerufen wäre. Meinten Sie damit auch einige Bundesminister, Herr Dr. Friedensburg? Ich glaube, der Herr amerikanische Hohe Kommissar hat sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, daß für die Veranstaltungen auf nationalistischen Rummelplätzen nicht nur untergeordnete Leute verantwortlich sind, die man nicht kennt und die anonym bleiben, und er hat nicht nur. von einem Bundesminister, über dessen Fall wir hier neulich gesprochen haben, sondern merkwürdigerweise gleich von einer Mehrzahl von Bundesministern geredet, die sich draußen in dem gleichen nationalistischen Jargon bewegen. Wenn Sie das gemeint haben sollten, Herr Kollege Dr. Friedensburg, was ich hier eben gesagt habe, dann stimmen wir, glaube ich, in unseren Auffassungen überein. Aber wir wollen diesen Fall nicht zum Anlaß nehmen, uns über Dinge auseinanderzusetzen, in denen wir hoffentlich einer Meinung sind.
Es geht unseres Erachtens nicht an, daß durch das Verhalten de Herrn amerikanischen Hohen Kommissars selbst, der zweifelsohne das Verhalten seiner nachgeordneten Dienststelle im Falle Kernritz gedeckt hat, das Eingreifen seiner Dienststelle in deutsche Straf- und in deutsche Zivilverfahren — ich teile im übrigen auch Ihren juristischen Standpunkt, Herr Kollege Dr. Friedensburg, daß das nicht ohne weiteres zweifelsfrei ist, was hier von seiten der amerikanischen Dienststelle in Berlin geschehen ist — gerade im Hinblick auf 'den zu erwartenden Generalvertrag und die zu erwartenden Annexverträge zu einer Unklarheit über Vorgänge führt, die nicht unklar bleiben können. Wir müssen erwarten, daß uns vor Abschluß des Generalvertrages und der Annexverträge eine ganz klare Stellung der Alliierten Hohen Kommission und der einzelnen Hohen Kommissionen darüber gegeben wird, in welchem Umfang sie sich möglicherweise auch insgeheim einen Eingriff in schwebende deutsche Verfahren vorbehalten, damit wir wissen, welche Haltung wir bei dem Abschluß des Generalvertrages und der einzelnen Annexverträge einzunehmen haben. Ich glaube sagen zu dürfen, meine politischen Freunde und ich sind der Auf-
fassung, daß ein Vorbehalt, wie er sich in dem Falle Kemritz ausgewirkt hat, für uns unter keinen Umständen tragbar ist. Von den Verhandlungen der Bundesregierung, insbesondere des Herrn Bundesministers der Justiz im Falle Kemritz, wird es im wesentlichen abhängen, welches Vertrauen wir insoweit zu der Bundesregierung und dem Ergebnis ihrer Verhandlungen, welches Vertrauen wir aber auch zu den uns vorgelegten Verträgen haben können.