Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich hoffe, daß entgegen dem Wunsche des Herrn Kollegen Dr. Decker der Antrag meiner Fraktion in den Ausschuß hineinkommt, daß er dort gründlich beraten wird, dann wieder hier erscheint und daß die erstrebte Stelle beim Bundesinnenministerium errichtet wird. Ich bin dem Herrn Bundesinnenminister dankbar, daß er unseren Antrag begrüßt hat. Er hat die Ziele unseres Antrags voll umrissen. Er wünscht, daß diese Beratungs-
stelle nicht eine Behörde, eine Verwaltungsstelle wird. Vielmehr soll sie ihm die Möglichkeit und Gelegenheit geben, mit beteiligten und interessierten Vertretern des Erziehungs- und Bildungswesens laufend im Gespräch zu bleiben. Er will dieses Gegengewicht, weil die Ständige Konferenz der Kultusminister nach dem Gesetz, nach dem sie angetreten ist, den Blick gar nicht anders denn auf die Schulverwaltung richten kann, wobei die Interessen der Eltern, der Erziehungsberechtigten, der Lehrerschaft und vieler anderer Beteiligter ganz übersehen werden.
Der Herr Kollege Dr. Decker sprach von einer Uniformierung. Ich hatte den Eindruck, daß er gegenüberstellen wollte: Länderschulen und deutsche Schule. Ich glaube, daß wir die deutsche Schule über die Grenzen der Länder hinweg begreifen müßten. Ich habe gerade heute eine Zeitung in die Hand bekommen. Sie ist ein wenig zu fruh herausgekommen: die „Schlesische Rundschau", die Zeitung aller Schlesier, mit dem Datum vorn 15. Februar. Da steht drin „Immer noch Schulwirrwarr". Gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich einige Sätze zitiere. Dort wird gesagt:
Der Kulturpolitische Ausschuß der CDU/CSU des Bundesgebiets lehnte auf einer Arbeitstagung in Mainz die sechsjährige Einheitsschule ab und sprach sich für eine vierjährige Grundschule aus.
Dann werden eine ganze Menge Einzelheiten über die Zersplitterung im Schul- und Bildungswesen angegeben. Am Schluß heißt es wörtlich:
Das Niederdrückende an dieser Entwicklung
ist nun aber, daß sie häufig gar nicht von verschiedenen geistigen Tendenzen und Anschauungen, die sich ja unter Umständen mit der Zeit ausgleichen lassen, bestimmt wird, sondern von dem primitivsten Ressortpartikularismus und Ressortehrgeiz der einzelnen Kultusministerien, die eine Angleichung immer wieder erschweren.
Es war eine Zeitlang still um den Schulwirrwarr. Ich erinnere Sie an die Zeit, als so viele Kinder aus den Bundesländern, bekannt unter dem Namen „Bundeskinder", hierher nach Bonn kamen. Sie wurden hier eingeschult und hatten sehr große Schwierigkeiten mit ihrer Schullaufbahn. Aus der Fülle dieser Schwierigkeiten will ich Ihnen nur zwei Zahlen nennen. Damals ist festgestellt worden, daß sich seit 1945 bei uns in den Bundesländern 39 verschiedene Schulsysteme entwickelt haben.
Und nun denken Sie einmal an die Volksschule. Ich persönlich habe die Absicht, für alle Schulen, Volks-, Mittel-, Höhere Schulen und wie sie alle heißen mögen, das Bestmögliche zu tun und zu erreichen. Aber die Volksschule ist doch die Schule, die immer noch von 80 bis 90 % unserer Kinder als die einzige Bildungsstätte besucht werden kann. Diese Schule ist der Pflanzgarten der deutschen Erziehung, in dem die jungen Stämmchen wurzelecht und geradegebildet werden müssen.
Eine zweite Schule, die heute vernachlässigt wird, ist die Berufsschule.
Sehen Sie, Herr Kollege Dr. Kleindinst, gerade
diese organisatorischen Schwierigkeiten sind ja die
Ursache dafür, daß die von Ihnen als nicht gefährdet angesehene Bildungssubstanz nicht höherkommen kann.
Wenn wir hier in Bonn gehört haben, daß bei den
deutschen höheren Schulen mit verschiedenen ersten grundständigen Fremdsprachen — hier Latein,
dort Englisch, dort Französisch, da Russisch — und
nachher mit dem Hinzutreten unterschiedlicher
weiterer Fremdsprachen auf der Oberstufe bis zur
Oberprima hin heute 85 Varianten möglich sind,
dann kann man doch `nicht erwarten, Herr Kollege
Dr. Kleindinst, daß die Bildungshöhe und die
Substanz dadurch nicht heruntergedrückt werden.
— Darauf komme ich gleich.
Der Herr Kollege Dr. Kleindinst sprach von den verfassungsrechtlichen Schwierigkeiten. Herr Kollege Dr. Kleindinst, ich habe besonders nach unseren Erfahrungen im Beamtenrechtsausschuß vor Ihrer Rechtserfahrung und Ihrem Rechtsdenken großen Respekt. Aber hier kann ich Ihnen leider nicht folgen. Der Herr Bundesinnenminister ist doch der Verfassungsminister, und er soll einmal darüber wachen, daß die Verfassung nicht verletzt wird. Das ist die negative Seite. Und dann soll er — das ist die positive Seite — die Verfassung bewahren und darauf achten, daß sie erfüllt wird. Nun steht in Art. 11 dieser Verfassung, daß jedem Deutschen im Bundesgebiet die Freizügigkeit garantiert sein soll. Das können wir unseren Leuten heute nicht garantieren, weil ihnen die Wohnungen und die Arbeitsplätze fehlen. Wenn wir es vermöchten, daß diese Hindernisse aus dem Wege geräumt werden, dann könnten sie es doch nicht, weil durch die Zersplitterung auf dem Gebiet des Schul- und Bildungswesens die Kinder in ihrer schulischen Laufbahn gestört würden.
Herr Kollege Dr. Jaeger, Sie lachen. Ich erinnere Sie an ein ausführliches Schreiben, das vom Sachwalter der Interessen der Heimatvertriebenen, vom Herrn Minister Dr. Lukaschek, am 12. Januar 1951 an den Herrn Bundesinnenminister erging, in dem in ausführlicher Weise auf alle diese Schwierigkeiten hingewiesen und der Herr Bundesinnenminister gebeten wurde, seine Kräfte nach Möglichkeit dort einzusetzen.
Was soll nun eigentlich diese Beratungsstelle? Sie soll doch als erste Aufgabe die Einheit des Bundes in der Ordnung seines Erziehungs- und Bildungswesens bewahren. Ich könnte mir vorstellen, daß dort Vorschläge gemacht würden, die auf dem ganzen Gebiet das eine Ziel haben, unsere Substanz, die Bildungshohe zu stärken. Ich habe gelesen, daß ein Land für zerstörte Schulgebäude und ihren Wiederaufbau 150 Millionen DM aufwenden konnte. Darüber freue ich mich. Ich habe gelesen, daß ein anderes armes Land nur 10 Millionen DM dafür aufbringen werde. Wäre es da nicht notwendig, entsprechende sachverständige Empfehlungen über das Bundesinnenministerium an die Länder zu geben? Die Kultusminister sind nun sechs Jahre an der Arbeit. Herr Kollege Dr. Kleindinst, Sie sagten, der zukünftige Beirat habe keine Mittel. Die Kultusminister mußten sich die Einrichtung der Ständigen Konferenz doch auch erst bewilligen.
Nun bin ich davon überzeugt, daß die Ständige Konferenz der Kultusminister den guten Willen hat, sinnvoll anzugleichen. Aber sie ist doch eigentlich über Nebendinge nicht hinausgekommen. Ich
möchte meinen, daß Wesentliches dabei herauskommen müßte, wenn die Ständige Konferenz mit der Stelle beim Bundesinnenminister zusammenarbeitete, und zwar ohne Uniformierung, sondern zum Wohle unserer Schule und der Erziehung und all derer, für die wir arbeiten. Alles, was auf diesem Gebiete geschieht, soll denen zugute kommen, die nach uns kommen und die an den heutigen bösen Zuständen die allerunschuldigsten sind.
Ich bitte, unserem Antrag zuzustimmen und ihn an den Ausschuß zu überweisen. Ich hoffe, daß wir es in absehbarer Zeit dann auch zu der erstrebten Stelle, zu dem Bundesbeirat, bringen werden.