Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da das menschliche Leben nun einmal nicht ausschließlich von reiner Vernunft oder von reinen Herzen geleitet wird, sondern auch von Leidenschaften gelenkt wird, hat die Frage, wie die staatliche Ordnung sich zu diesen Leidenschaften stellen soll, schon seit Menschengedenken Anlaß zu sachgemäßen und unsachgemäßen Erörterungen gegeben. Da es tatsächlich, wie Herr Kollege Ewers sehr treffend festgestellt hat, nun einmal nicht etwa damit getan ist, einfach die Leiden-
schaften und ihre Folgen mehr oder weniger papieren zu verbieten, muß man sich schon etwas anderes überlegen. Dieselben Vorwürfe, die den Spielbanken gemacht werden, können natürlich auch dem Toto gemacht werden, der ja die farbigen und mehr oder weniger angenehmen Funktionen, die seit jeher in anderen Ländern Lottos und andere Volkslotterien erfüllen, bei uns zu übernehmen beginnt. Genau dieselben Vorwürfe können natürlich auch der alten, ehrlichen, ehrpusseligen Tante Klassenlotterie gemacht werden, wenn diese auch in den besten bürgerlichen Familien Unter den Linden gegrüßt wird.
Es liegt in der Tat daneben das Gebiet der Prostitution, auf dem ganz ähnliche Fragen auftauchen. Es gibt ja auch Leute, die der Ansicht sind, es sei unmoralisch, mit Tabaksteuer, Alkoholsteuer, Branntweinmonopolen usw. Staatseinkünfte zu erzielen. Es ist nicht die Frage, ob gespielt wird und ob das Spielen gut oder schlecht ist; sondern für den Staat und für den Gesetzgeber ist die Frage, in welcher Art und Weise schädlichen Folgen des Spielens in wirksamster Weise entgegengetreten werden kann. Man braucht die Sache nicht vom moralischen Standpunkt aus zu betrachten. Viele Leute wollen sie so betrachten, obwohl maßgebende Morallehrer
und, Frau Kollegin Weber, die wohlbegründete, jahrhundertealte Lehre unserer Religion sagen, daß das keine notwendige moralische Frage sei, daß da jeder seine eigene Meinung haben könnte.
Wie man hört, hat ja auch ein sehr geschätztes Mitglied dieses Hauses sich in einem ausführlichen Gutachten in diesem Sinne ausgesprochen.
Aber wir wollen niemandem das Recht rauben und das Recht bestreiten, diese Sache nach der moralischen Seite anzusehen. Niemand darf gehindert werden, hier nach seinem Gewissen zu entscheiden. Was diese Frage anlangt, so ist es geradezu untunlich, von Fraktions- oder politischer Seite aus eine Stellung zu beziehen.
Auf der andern Seite soll es doch auch nicht so weit kommen, daß — wie z. B. seit Menschengedenken in den Debatten über die Prostitution üblich —, wenn zwei Leute verschiedener Ansicht sind über die Maßnahmen, die in bezug auf und gegen die Prostitution zu ergreifen sind, der eine dem andern Unmoral und Förderung der öffentlichen Unzucht vorwirft. Ich muß sagen: genau so wenig, wie wir die Gegner der Spielbanken als Mucker und als muffige Leute bezeichnen wollen, genau so wenig, wie wir etwa sagen wollen, daß die Bekämpfer der Spielbanken für die Spielhöllen eintreten, genau so wenig sollte man auf der andern Seite solche Vorwürfe gegen die andere Meinung erheben. Ich bedaure es außerordentlich, daß hier Formulierungen gebraucht worden sind wie: der Staat, in dem Spielbanken seien, sei kein sauberer Staat, es handele sich um doppelte Moral usw. Ich glaube im Ernst, daß derartige Bausch-und-Bogen-Formulierungen
den wirklichen Schwierigkeiten des Problems nicht gerecht werden.
Es handelt sich in der Tat doch um einige sehr
sachliche Zweckmäßigkeitsfragen und nicht etwa nur
darum — oder überhaupt darum —, daß. hier auf bequeme Art und Weise öffentliche Einkünfte erzielt werden können, — obwohl es an und für sich nicht gerade unzulässig sein sollte, über die Kosten zu sprechen. Es handelt sich doch vor allen Dingen um Zweckmäßigkeitsfragen in der Hinsicht, ob ein irgendwie erstrebter politischer oder moralischer Zweck nicht in das Gegenteil umschlägt, weil die Sache eben falsch angepackt wird.
In dieser Beziehung lehren große Beispiele, daß eine Prohibition in solchen Dingen nicht immer die beste Lösung zu sein braucht. Es spricht sehr viel dafür, daß in Ländern, in denen es keine Spielbanken gibt, mehr gespielt wird als sonstwo, wenn sonst die Voraussetzungen für großes und vieles Spielen vorhanden sind; obwohl auf der andern Seite auch gesagt werden muß, daß durch die Anlage von Spielbanken die Voraussetzungen unter Umständen dort geschaffen werden können, wo sie sonst nicht bestehen würden.
Es ist gar kein Zweifel, daß Spielbanken durchwegs große Devisenbringer sind; denn ganz allgemein wird ja auch die einheimische Bevölkerung von ihnen nach Möglichkeit ferngehalten, und sie sind auf Reisende abgestellt. Es ist auch richtig, daß da, wo keine Spielbanken sind, nicht nur ein Devisenausfall eintritt, sondern auch ein gewisser Devisensog insofern, als eben dann gewöhnlich der Spieltrieb gerade derjenigen Kreise, die darauf Wert legen und die ja etwas leichter beweglich sind, von den Nachbarstaaten durch möglichst nahe an den Grenzen eingerichtete Devisenfänger-Spielbanken befriedigt wird.
Man spricht davon — und es wird auch vieles daran richtig sein —, daß die Steuerkontrolle durch die Spielbanken erschwert wird. Auf der andern Seite wird uns gesagt — und es wird wahrscheinlich näher nachzuprüfen sein —, daß durch die heutige Kontrolle und Organisation der Spielbanken eher eine gewisse Hilfsarbeit für die Steuerkontrolle der Finanzämter durchgeführt werden kann. Jedenfalls ist eines richtig, daß Spielbanken im eigenen Lande auch vom Standpunkt der Steuerkontrolle übersichtlicher und nützlicher sind als Spielbanken im fremden Land.
Im übrigen kann man das Problem nicht vom grundsätzlichen Standpunkt allein aus behandeln, sondern man muß es von der aktuellen, augenblicklichen Situation aus betrachten, in der es darum geht, daß nicht etwa Spielbanken eingerichtet werden sollen, sondern darum, daß Spielbanken eventuell beseitigt werden sollen. Wir müssen bedenken, daß, damit Beschäftigungsprobleme berührt werden, Beschäftigungsprobleme, von denen in der Tat viele Vertriebene betroffen werden. Wir müssen ferner bedenken, daß damit anfinanzierte Projekte aller Art, auch soziale Projekte, die mit diesen Einkünften aufgebaut worden sind, abgebrochen würden.
In jedem Fall, wie man sich auch entscheiden möge — und ich bedaure, daß das bei den bisherigen Erörterungen kaum zur Sprache gekommen ist —, gibt es denn doch eine Reihe von sachlichen Fragen, die die Ausschüsse zu klären haben. Wenn man Spielbanken will, so ist zunächst die Frage der Zuständigkeit zu prüfen und zu klären, die — da möchte ich dem Herrn Staatssekretär des Innenministeriums widersprechen — keine eigentliche Detailfrage ist. Die Frage, ob der Bund, ob Bundesrecht in der Sache überhaupt etwas zu sagen hat, hängt ab von den Artikeln 72 bis 74 des Grundgesetzes. Ich habe keine Zweifel, daß der
Art. 74 Ziffer 11, der das Recht der Wirtschaft der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes zuweist, die Grundlage dafür bietet, Bundesrecht darüber zu erlassen, ob Spielbanken als anerkannte Wirtschaftsbetriebe zulässig sind oder nicht. Ich glaube nicht, daß es ein Gebiet gibt, auf dem die Notwendigkeit einheitlicher Regelung so wenig verneint werden könnte wie auf diesem. Es bleibt darauf hinzuweisen, daß unter dem Katalog der ausschließlichen Zuständigkeit der Art. 73 Ziffer 10 die internationale Verbrechensbekämpfung der Bundeszuständigkeit zuweist. Zur internationalen Verbrechensbekämpfung gehört aber zweifellos die Bekämpfung des illegalen Spielbetriebs und der Gangster und Haifische, die sich auf diesem Gebiet bereichern. Mindestens besteht ein sehr eingehender Sachzusammenhang zwischen der Einrichtung von kontrollierten Spielbanken als Maßnahme der Bekämpfung des illegalen Spiels und der Verbrechensbekämpfung. Wir glauben also, daß wir in der Tat die Verantwortlichkeit des Bundes und die des Bundestags, diese Frage zu entscheiden, bejahen müssen. Das könnte durchaus heißen, daß ein Bundesrecht einen Rahmen für den Ländern überlassene Maßnahmen auf diesem Gebiete schafft.
Es wird aber noch eine Reihe von Fragen dabei zu berühren sein. Die Zahl der Spielbanken wird offenbar auch von den beteiligten Spielbanken selbst mit neun unter allen Umständen als zu hoch angesehen. Die Bedingungen für die Zulassung von Spielbanken werden auf jeden Fall überprüft werden müssen. Es sind bis jetzt noch nicht einmal überall die Bedingungen des Gesetzes vom Jahre 1933 eingehalten worden. Es wird zu fragen sein, ob die Bedingungen dieses Gesetzes überhaupt ausreichen und ob das eigentümliche System der Pauschbesteuerung, das nach diesem Gesetz vorgesehen ist, aufrechtzuerhalten ist.
Wenn man Spielbanken nicht will, so werden trotzdem ebenso viele Fragen zu behandeln sein. Zunächst muß man seine Zuständigkeit zu diesem gesetzgeberischen Eingriff überhaupt bejahen. Auch würde man in diesem Fall Vorschriften über die Abwicklung der bestehenden Unternehmen und Verträge zu treffen haben. Ich entnehme der heutigen Debatte, daß diese Notwendigkeit von allen Seiten anerkannt wird und daß auch die Antragsteller auf § 3 des Gesetzentwurfes offenbar nicht bestehen wollen.
Meine Damen und Herren, alle diese Fragen sollten wir in den Ausschüssen gründlich, sachlich und, ich möchte sagen, wenn nicht ohne Moral, so doch ohne Moralin prüfen. Selbst wenn die bisherige Entwicklung als fehlerhaft angesehen wird, so ist daraus kein Grund abzuleiten, durch einen überstürzten kostspieligen Abbruch dieser Politik noch einmal Fehler zu begehen.
Wir bitten Sie, die Vorlage dem Finanz- und Steuerausschuß, der wohl zweckmäßigerweise federführend sein sollte, zu überweisen und wegen der verfassungsrechtlichen und rechtlichen Frage den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht an der Beratung zu beteiligen.