Rede von
Hans
Ewers
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Darf ich vorweg bemerken: meine Fraktion ist gegen Spielbanken, gegen Fußballtoto und gegen Staatslotterien.
Alles drei sind Methoden, mit denen man einem leidenschaftlichen Trieb entgegenkommt, um Einnahmen zu erzielen, und alles drei hat moralisch in ganz verschiedenen Kreisen der Gesellschaft und der Gesellschaftsordnung seine großen Bedenken und Gefahren.
Meine Fraktion ist aber auch in einem anderen Punkte einig. Wir sind nicht nur gegen diese Institutionen. Wir sind außerdem gegen die Spielleidenschaft, gegen die Trunksucht
und gegen die Liebesraserei.
Wenn es nach uns ginge, würden wir diese Exzesse des menschlichen Wesens am liebsten durch Beschluß des Bundestags heute ausrotten.
In allen diesen Dingen — die Liebesraserei wird besonders im Karneval in katholischen Gegenden gepflegt —
müssen wir, die wir nicht nur ideologisch denken, uns darauf einstellen, daß der Mensch eben ein sehr durchwachsenes Wesen ist
mit zum Teil großen und zum Teil sehr kleinen
Eigenschaften. Es fragt sich, ob der Staat die Aufgabe hat, aus dem Menschen den Normtyp A, B
oder C zu machen, etwa nach dem Beispiel der
Blutgruppen, und weitere Typen nicht zuzulassen.
Die Meinung, daß durch die Schließung staatlich konzessionierter Spielbanken die Spielleidenschaft auszurotten sei, ist — ich darf das sagen; Herr Bausch und verehrte Frau Dr. Weber, nehmen Sie es mir nicht übel — ein kindlicher Irrtum.
Sie verkriecht sich in Spielhöllen und anderen Schlupfwinkeln, wie mein Herr Vorredner mit Recht ausgeführt hat.
Die Frage ist heute nicht, ob wir Spielbanken einführen wollen. Ich sage ganz offen: ich glaube, meine Fraktion wäre heute geschlossen gegen die Einführung. Sie sind aber nun einmal in der Not der Entwicklungsjahre nach dem Zusammenbruch hier und da entstanden, und zwar meistens an den Stätten, wo sie bis 1868 geblüht haben, wie z. B. in Travemünde oder Wiesbaden. Sie sind dort eingeführt worden, wo davon noch irgendein genius loci übrig war, und sie sind — ich persönlich kenne nur die Spielbank in Travemünde genau —
in ihrer Art als Vergnügungsstätten — —
— Entschuldigen Sie; ich habe sogar da gesetzt — das gebe ich zu —, aber kaum mehr als zehn Mark. Ich kenne diese Einrichtung ziemlich genau
und muß erklären: im Sinne eines Etablissements, einer Vergnügungsstätte ist das eine ganz vorbildliche Einrichtung.
Ich möchte empfehlen, daß der Ausschuß, d. h. der Rechtsausschuß einen Unterausschuß einsetzt, der die Aufgabe hat, sich alle diese zugelassenen Spielbanken anzusehen.
— Das klingt außerordentlich nach einer Vergnügungsreise — ich gebe es zu —; aber es soll eine Studienreise werden.
Denn es ist sehr richtig — da hat Herr Bausch völlig recht —: es mögen hier und da etwas kapitalschwache Nebeneinrichtungen geschaffen worden sein, die dem Gesetz nicht entsprechen, und das Gesetz möchten auch wir streng durchführen.
Und nun einmal zur Frage: wieweit darf der Staat aus der menschlichen Schwäche eine Steuereinnahme und Kapital schlagen? Ich glaube, die Bayern würden grundsätzlich sagen: gar nicht, denn sie sind gegen die Biersteuer.
Aber ich meine, daß man mit diesen Gegebenheiten — ich hätte beinahe gesagt: Gottgegebenheiten —
nun einmal rechnen muß und daß derjenige, der einer besonderen Leidenschaft — ich z. B. dem Rauchen — anhängt, auch sein gerüttelt Maß an Schuld zugunsten der Allgemeinheit abführen soll. Anders bitte ich doch auch die konzessionierten Spielbanken, die keine Höllen sind, nicht anzusehen. Sie haben aber auch einen Vorteil. Davon können wir in Travemünde ein Lied singen;
denn seitdem wir diese Einrichtung dort haben, hat sich der Zustrom bei uns aus dem Ausland, aus den nordischen Staaten und England, in einer Weise belebt, wie es nicht zu erwarten war.
Darüber, daß dieses Geld, wenn es vertan wird —früher waren bekanntlich die Russen die größten Spieler, geführt von Dostojewskij — lieber bei uns als in Frankreich oder in Monte Carlo vertan werden sollte, brauchen wir wirklich keine großen moralischen Bedenken zu haben.
Herr Bausch hat sich in dem letzten Teil seiner Rede sehr weit in die Praxis begeben. Ich kann für meine Fraktion erklären: mit seinen Grundthesen sind wir weitgehend einverstanden; jedoch muß folgendes berücksichtigt werden. Die Dinge sind nicht jederzeit gleich. Nach einem gewonnenen Krieg wie 1870/71 sieht sich die öffentliche Moral und das gesamte soziologische Leben ganz anders an als nach einem Zusammenbruch wie 1945. So schossen 1919 die verbotenen Spielhöllen in den Winkeln aller Großstädte, mit Klopfzeichen und allen möglichen Einrichtungen, wie Pilze aus dem
Boden. Jetzt haben wir durch die Konzessionen so
etwas abgewehrt, und das war eine gute, eine
brave soziale Tat. Wir haben dafür eine Fülle von
Vertriebenen in Lohn und Brot gebracht und haben
Stätten errichtet, in denen sich der Erholung
suchende Mensch frei und freudig bewegen kann.
Die Frage, wie lange diese Nachkriegs- oder Nachkapitulations- — wie soll ich mich ausdrücken? —
-Volkshaltung andauert, will sehr wohl erwogen sein, ehe man zu radikalen Schritten kommt.
Ich möchte mich dem Antrag des Abgeordneten Bausch auf Überweisung an den Rechtsausschuß anschließen. Ich möchte betonen, daß über die Frage der Beibehaltung keineswegs alle Mitglieder meiner Fraktion der gleichen Meinung sind. Ich habe insoweit nur für einige meiner Freunde und insbesondere für die so sehr bedrängte Flüchtlingsgroßstadt Lübeck-Travemünde gesprochen.