Rede von
Graf
Karl
von
Spreti
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin in den letzten Tagen des öfteren gefragt worden, ob ich dafür oder dagegen spreche, und ich glaube, diese Frage kann ich nur damit beantworten: das Dagegen hat j a schon Herr Bausch gesprochen und dafür will ich auch nicht sprechen, weil ich nämlich gar nicht der Auffassung bin, daß ich irgendwie die Moral oder Unmoral einer Anstalt jetzt hier verteidigen soll oder nicht. Ich glaube, es ist unsere Aufgabe — und ich meine, auch die Aufgabe dieses Hauses —, so eine Frage nicht zu einer deutschproblematischen Angelegenheit werden zu lassen, sondern sie sachlich und ganz nüchtern zu behandeln.
Und hier gehört, ich will einmal sagen, diese ganze muffige, mythologische Auffassung über diese Fragen aus der Zeit der Makart-Bilder nicht her.
Man sollte einmal die Frage etwas realpolitisch und auch sozialpolitisch betrachten.
Ich möchte mich nun nicht meiner sehr geehrten Kollegin Frau Dr. Weber irgendwie feindlich entgegenstellen; denn dazu verehre ich sie viel zu sehr und dafür kenne ich sie viel zu lange. Aber sie wird mir vielleicht nachher doch ihre Absolution geben, wenn ich auch nicht in allen Dingen mit ihr konform gehe.
Darf ich Sie vielleicht auf eines hinweisen. Die Spielbanken sind etwas ganz anderes als Spielhöllen.
Die Spielbanken sind — das können Sie in dem
sehr amüsanten Buch von Conte Corti nachlesen
— um 1800 entstanden. Aber die Spielhöllen haben ja schon immer bestanden; denn Sie können sogar schon im Mittelalter immer das sogenannte Glücksrad beobachten, das sogar in mythologischen Darstellungen — des sogenannten „Unter-die-Räder-
—Kommens", wie es heißt — auftritt. Der Mensch wird dort dargestellt im aufsteigenden und im abnehmenden Lebensalter, so daß man im Grunde genommen, wenn man es geschichtlich verfolgt, bis ins klassische Altertum hinein immer das Spiel finden kann. Es entspricht dies einer gewissen Leidenschaft, die im Menschen steckt, und diese Leidenschaft werden wir auch nicht ausmerzen können, sondern es ist Sache des Staates, dieser
Leidenschaft Einhalt zu gebieten, soweit es möglich ist. Dazu gehört aber auch noch etwas Charakter im einzelnen Menschen, der sich nicht durch ein „Gouvernnantengesetz" vom Staat führen läßt, sondern auf Grund seines eigenen Ich und seiner eigenen Einstellung soviel Kraft aufbringt, der Moral zu entsprechen. Er soll entweder seiner Leidenschaft nachkommen oder nicht. Das hat der Mensch allein mit seinem eigenen Gewissen abzumachen.
— Ich darf bitten, mir Gehör zu geben! — Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß Spielhöllen gerade diese Klubs sind, die vielleicht Herr Bausch gemeint hat, nämlich die Pensionen, in welchen „Spielkasinos" entstanden, die sogenannten Ecarté-Klubs oder das Knobeln oder sonstige Möglichkeiten betreiben, um dem andern das Geld abzuknöpfen. Doch bei den Spielbanken gibt es
— das kann ja jeder Jurist nachforschen — eine ganz genaue Kontrolle durch Spielregeln und Spielordnungen. Gerade Herr Blanc war es, der 1873 die sogenannten Eintrittskarten, von denen Herr Bausch gesprochen hat, eingeführt hat. Auf Grund dieser Karte können ganz genaue Einblicke über die Person, aber auch über deren Spielart oder auch — verzeihen Sie — über ihren Lebenswandel gewonnen werden; und in dieser Beziehung tauschen auch die Spielbanken untereinander ihre Erfahrungen aus.
Es ist also in. den Spielbanken eine so scharfe Kontrolle — auch in der Abrechnung von seiten der Finanzämter und Stadtverwaltungen, d. h. der
Polizei —, daß hier praktisch keine Möglichkeit besteht, Gelder irgendwie ablaufen zu lassen, die nicht zu diesen siebzigprozentigen Abgaben gehören.
Ein anderes ist vielleicht wichtig: wie wird die sogenannte Kasse der Trinkgelder überwacht? Und hier ist es vielleicht richtig — um den Herrn Staatssekretär des Innern zu zitieren —, daß man versuchen müßte, eine allgemeine Regelung zu finden und diese allgemeine Regelung so zu gestalten, daß hier nicht Differenzen zwischen der einen und der andern Bank entstehen. Gerade die Spielbanken selbst haben den Wunsch, daß eine noch stärkere Kontrolle in dieser Angelegenheit durchgeführt wird, daß vielleicht sogar die Ausmerzung verschiedener ausländischer Kapitalinvestitionen vorgenommen wird, vielleicht sogar eine Säuberung da und dort, wenn man den Gedanken aufkommen läßt, daß vielleicht bei der Lizenzierung nicht ganz genau vorgegangen worden ist. Man kann aber auch die Beschäftigung von Ausländern, die vielleicht in bezug auf ihren Lebenswandel nicht kontrollierbar sind, noch berücksichtigen. So gäbe es eine ganze Menge, was unter Umständen in Zusammenarbeit mit den verantwortlichen Persönlichkeiten der Spielbanken geregelt werden könnte.
Etwas anderes ist — und das ist nämlich die große Gefahr, und vor der möchte ich warnen —, daß, wenn wir die Spielbanken auflösen, die Leidenschaft deshalb nicht aufhört, daß aber die unterirdischen Spielhöllen erst recht blühen, für die keine Ablieferungspflicht besteht, und daß wir dann ein Blühen in dem Sinne haben, wie es Herr Bausch hier mit Recht gegeißelt hat,
der dieses Blühen in seiner fanatischen Unterstreichung hier auch kommentiert hat.
Ich möchte darum den Antrag stellen, daß man diesen Gesetzentwurf der CDU/CSU zur sachlichen Überlegung den zuständigen Ausschüssen überweist und daß man sich alle Mühe gibt, einen Mittelweg zu finden, der Leben und Lebenlassen irgendwie noch berücksichtigt.
Es wäre aber eine Pflichtvergessenheit, wenn man hier nicht einiger Leute gedenken wollte, die ihr Brot bitter verdienen. Dazu gehört eine Unmenge von Heimatvertriebenen, von Schwerverletzten und von Leuten, die — ich darf es einmal ganz offen sagen —
heute nicht mehr die Möglichkeit haben, irgendeine Anstellung zu bekommen, weil sie nicht mehr das goldene Jugendalter besitzen und versuchen müssen, da oder dort mit kargen Möglichkeiten ihr Leben zu fristen. Ich möchte darum bei der Behandlung dieses Gesetzentwurfs bitten, daß man auch diese Frage berücksichtigt und nicht vergißt, daß mit den von den Spielbanken zur Verfügung gestellten Geldern sehr viel gemacht worden ist, gerade auf kommunaler Basis, durch Häuserbau, durch Kanalisation und andere Dinge, auch durch Unterstützung der Heimatvertriebenen. Wenn man den Gemeinden das heute nehmen sollte, würde diesen eine Existenzgrundlage unter den Füßen weggezogen werden, und man würde vielleicht für sehr viele Orte, ich möchte sagen, tatsächlich ein soziales oder ein finanzielles Problem aufreißen. Die Spielbanken wünschen aber selber — es ist vielleicht auch ein gewisser kaufmännischer Sinn dabei —, daß der Inflation, die begonnen hat, Einhalt geboten wird und die Dinge auf ein Limit zurückgeführt werden.