Rede von
Dr.
Victor-Emanuel
Preusker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Wenn ich am Schluß dieser Debatte die Ihnen vorliegenden Resolutionen der Regierungsparteien kurz begründen darf, dann erhält diese Begründung ihre Berechtigung daraus, daß die Diskussion hat klarwerden lassen, daß die Frage des deutschen Verteidigungsbeitrags nicht von uns aufgeworfen, sondern aus der Entwicklung der Weltlage an uns gestellt worden ist: Seid ihr bereit, gemeinsam mit den andern freien Völkern
für die Freiheit, für den Frieden einen Beitrag und ein Opfer zu leisten? Wir haben alle unter dem Eindruck gestanden, daß für uns die Frage nicht so gestellt war: Wollt ihr einen Verteidigungsbeitrag leisten oder überhaupt nicht?, sondern daß sie nur so gestellt war: Wollt ihr für die Freiheit und den Frieden Opfer bringen, oder wollt ihr euer ganzes Volk und darüber hinaus die ganze freie Welt in der Sklaverei versinken lassen?
Einzig und allein aus diesen Überlegungen haben wir vor dieser Gewissensfrage gestanden und haben uns in diesen zwei Tagen geprüft. Wir haben in diesen zwei Tagen in diesem Hause die Voraussetzungen dargelegt, die wir als gegeben annehmen müssen, wenn dieses Opfer für die Freiheit und den
Frieden der Welt einen Sinn haben soll. Das deutsche Volk soll wissen, unter welchen Voraussetzungen die Vertreter der Regierungsparteien im Deutschen Bundestag bereit sein werden, dieses Opfer des deutschen Verteidigungsbeitrags im Rahmen der freien Völker zu bringen.
Sie haben die Drucksachen vorliegen. Ich spreche zunächst über die Drucksache Nr. 3075. Sie fordert von der Bundesregierung, daß sie alles tut, um die Mitwirkung Deutschlands bei den Entscheidungen über den Einsatz deutscher Soldaten, deutscher Verteidigungskräfte sicherzustellen in dem geeigneten Rahmen und mit den geeigneten Mitteln, die keinerlei deutsche Diskriminierung in dieser entscheidenden Frage zulassen.
Sie haben weiter vorliegen die Drucksache Nr. 3078, die davon ausgeht, daß es nicht gut vorstellbar ist, daß es einen deutschen Verteidigungsbeitrag gibt, wenn unter der Beschuldigung des Kriegsverbrechens noch Deutsche festgehalten werden, die nach den Begriffen des für alle gültigen internationalen Rechts keine kriminellen oder sonsticen Verbrechen auf ihre Schultern geladen haben. Diese deutschen Soldaten aller Dienstgrade — dahin geht der Wunsch des Deutschen Bundestags
— müssen vorher frei sein, oder es muß einwandfrei erwiesen sein, daß sie wegen wirklicher Verbrechen dieser Freiheit nicht würdig sind, ehe Deutsche im Rahmen der Verteidigung der freien Welt wieder Soldaten sein können.
Weiter haben wir Ihnen die Drucksache Nr. 3077 unterbreitet, die von der klaren Vorstellung ausgeht, daß es in dieser ernsten Frage notwendig ist
— um es einmal mit den Worten zu sagen, die von der Tribüne des Bundestags von dem früheren belgischen Außenminister und Präsidenten des Europarates, Henri Spaak, gesprochen worden sind —, „Kanonen und Butter" zu haben; d. h. den sozialen Frieden, die sozialen Chancen und Lebensvoraussetzungen und damit die inneren Lebensmöglichkeiten zu sichern und zu erhalten,
um auch im Kalten Krieg bestehen zu können. Deshalb darf Deutschland, wenn es zu diesem Opfer herangezogen wird, mit keinem anderen finanziellen Beitrag belastet werden, als dies für die arideren freien Völker gilt. Im Rahmen dieses Heranziehens müssen auch die Sonderlasten berücksichtigt werden, die Deutschland nun einmal durch die 9 Millionen Heimatvertriebenen und durch die Sorge für Berlin auferlegt worden sind.
Weiter haben wir Ihnen die Drucksache Nr. 3076 vorgelegt, die an die bedauerlichen Vorgänge anknüpft, die sich an der Saar vollzogen haben; denn die Vertreter der Regierungsparteien im Bundestag sind der Auffassung, daß die Ernennung eines französischen Botschafters an der Saar den Ab-. machungen, die als Bestandteil des SchumanplanVertrags am 18. April 1951 in einem Notenwechsel zwischen dem deutschen Bundeskanzler und dem französischen Außenminister niedergelegt worden sind, in klarer Weise widerspricht. Frankreich hat durch die deutsche Ratifizierung des Schumanplans die Sicherheit bekommen, daß die Kohle und der Stahl der deutschen Saar ihm im Rahmen der freien europäischen Völker genau so zur Verfügung stehen, wie es für alle übrigen Gebiete der Montanunion der Fall ist. Frankreich sollte damit in seinen Wünschen befriedigt sein und — das ist die besondere Bitte an die Bundesregierung — jetzt den Deutschen an der Saar die selbstverständlichen politischen Freiheiten geben, die die Voraussetzung dafür sind, daß die Freiheit im ganzen überhaupt für unsere Menschen verteidigungswert erscheinen kann.
Schließlich haben wir in der Drucksache Nr. 3079 noch eine Reihe von sehr ernsten Voraussetzungen formuliert, die alle davon ausgehen, daß nun einmal die Freiheit unteilbar ist und daß sie nicht minder und nicht mehr gestaltet werden kann, je nachdem, ob es sich um das eine oder das andere Volk handelt. Hierauf ist eben schon Herr Dr. von Brentano eingegangen.
Dazu gehört das wirkliche Ende des Besatzungsregimes. Dazu gehört auch, daß die hier dann als Verteidigungstruppen bleibenden fremden Kontingente in ihrer Rechtsstellung genau so behandelt werden, wie sie im Rahmen der NATO-Verträge bei verbündeten Staaten behandelt sind. Jede hierüber hinausgehende Überlassung von Befugnissen kann eben nicht mehr dem Grundsatz der gleichen Rechte und Pflichten entsprechen.
Ebenso darf die Souveränität der Bundesrepublik nicht eingeschränkt werden, ohne daß dies aus zwingenden deutschen Anliegen im Hinblick auf die uns schmerzlicherweise noch vorenthaltene deutsche Einheit in Freiheit geboten ist.
Ebenso ist unvereinbar mit dem Gedanken des Opfers, das wir auf, uns nehmen sollen, daß in irgendeiner Form die Gesetzgebungsbefugnis des Deutschen Bundestags durch irgendwelche Besatzungsregelungen aus dem Besatzungsrecht der vergangenen Jahre beeinträchtigt wird. Alle diese Dinge müssen ein Ende haben. Sie müssen abgewickelt sein. Von jetzt ab muß draußen das Vertrauen vorhanden sein — das man ja in uns setzt, wenn wir die Gemeinschaft der freien Völker mit-bilden sollen, sogar mit den äußersten Opfern —, daß wir auch in kleineren Dingen zu den Grundsätzen der Freiheit und der Demokratie stehen.
Weiter gehört dazu, daß nicht aus diesem Anlaß im Generalvertrag oder in den Annexverträgen irgendwelche Vorwegnahmen erfolgen, die bei den Friedenvertragsverhandlungen unsere Position erschweren könnten, seien es Fragen der Reparationen oder Fragen irgendwelcher anderen Art.
Der Punkt 5 der Entschließung geht dahin, daß irgendwelche Einschränkungen unserer industriellen Produktion, unserer Forschung, irgendwelche Aufrechterhaltung von Sicherheitsämtern und sonstigen Instanzen, welche Entscheidungen treffen, wie sie kürzlich noch hinsichtlich Watenstedt-Salzgitter und der August-Thyssen-Hütte ergehen konnten, nicht mehr möglich sein dürfen.
Punkt 6 befaßt sich noch einmal mit der Frage des finanziellen Beitrags. Hier muß ich Ihnen noch eine kurze Änderung des Wortlauts verlesen und Sie bitten, diese Korrektur vorzunehmen. Sie ist leider durch die vorzeitige Vervielfältigung unterblieben. Es heißt dort am Schluß:
Die Gesamtsumme des deutschen finanziellen Verteidigungsbeitrags muß nach Maßgabe der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Bundesrepublik unter angemessener Berücksichtigung der besonderen Lasten erfolgen, die sie durch die Fürsorge für 9 Millionen Vertriebene
— an dieser Stelle müssen die Worte „und durch
die Unterstützung Berlins" gestrichen werden, und
es geht weiter —
zu tragen hat.
Der nächste Satz erfährt infolgedessen eine Änderung:
Aus diesem Gesamtbetrag müssen die Kosten für
— und hier wird eingefügt —
Berlin und der Beitrag an die europäische Verteidigungsgemeinschaft gedeckt werden, aus letzterem die Kosten für
— und dann heißt der Text weiter —
die im Gebiet der Bundesrepublik stationierten Truppen.
Das heißt, wir sind der Meinung, daß der Charakter der Verteidigungstruppen der nicht zu einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft gehörenden Nationen am deutlichsten dadurch zum Ausdruck kommt, daß die Kosten aus dem gemeinsamen vorgesehenen gesamteuropäischen Topf und nicht aus irgendeinem deutschen Beitrag genommen werden sollen.
In Punkt '7 wünschen wir, daß die Bundesregierung alles unternimmt, damit, wenn ein solcher Vertrag zustande kommt, wirklich unparteiische und paritätische Schiedsgerichte gebildet werden, um eine irgendwie geartete Diskriminierung der deutschen Anliegen von vornherein auszuschalten.
In Punkt 8 tragen wir dann noch ein Anliegen vor, das hier immer wieder aufgeklungen ist: daß hinsichtlich Berlins die möglichst schnelle Einbeziehung in die Rechtsverhältnisse, wie sie hinsichtlich der Bundesrepublik gelten, auch innerhalb eines Generalvertrags und eines Verteidigungsbeitrags erfolgt, daß hier gewissermaßen im Innenverhältnis die anderen Vertragspartner alle nur denkbaren Unterstützungen angesichts der nun einmal nicht zu bestreitenden Tatsache geben, daß Berlin ein Teil Deutschlands ist und immer bleiben wird.
Die in den vorgelegten Resolutionen niedergelegten Forderungen beantworten gleichzeitig die uns von den übrigen freien Nationen gestellte Frage: Wollt ihr oder wollt ihr nicht? in ganz eindeutiger Weise, indem wir sagen: Gut, wenn wirklich die Freiheit, die für alle eine gleiche ist, wenn wirklich der Frieden und die soziale Sicherheit, die für alle freien Völker das gleiche Ideal darstellen, gemeinsam verteidigt werden sollen, und wenn wir die gleichen Rechte erhalten, dann wollen wir auch als Deutsche in diesem Rahmen die gleichen Pflichten übernehmen und die gleichen Opfer bringen und uns nicht ausschließen. Wir meinen, wenn wir jetzt dem Deutschen Bundestag die Frage der Entscheidung über diese Resolutionen stellen, müßte die Antwort unter diesen Voraussetzungen, so wie wir unser Gewissen geprüft haben, für das ganze deutsche Volk eine positive sein.